2010-10-15 08:11:05

Moslems sprechen auf Nahost-Synode im Vatikan


RealAudioMP3 „Die Christen gehören zum Nahen Osten – wenn sie aus der Region verschwänden, wäre das ein Drama.“ Das war die Botschaft, die muslimische Gäste am Donnerstag Abend auf der Nahost-Sondersynode von Bischöfen aus dem Nahen Osten zu Gehör brachten. Papst Benedikt hatte einen schiitischen und einen sunnitischen Moslem zum Gipfel in den Vatikan eingeladen.

Mohammed el-Sammak brauchte nicht lange, um vor dem Papst und den Synodenteilnehmern auf den Punkt zu kommen: „Wenn die Lage der Christen im Nahen Osten gut wäre, dann hätte man sicher nicht so eine Synode einberufen“, so der distinguierte Herr mit Jackett und Krawatte, der den (sunnitischen) Grossmufti des Libanon berät. Und weiter: „Ich persönlich als Moslem finde es wichtig, dass der Vatikan sich konkret um die Probleme der Christen im Orient kümmert.“
 
„Wir leiden alle gemeinsam“

„Ich glaube nicht, dass man mich zur Synode eingeladen hat, um mich über die Probleme der Christen in bestimmten Staaten des Orients zu informieren. Denn unser Leiden in dieser Hinsicht ist ein einziges – wir sind alle Orientalen. Wir leiden gemeinsam. Wir erleben gemeinsam unseren sozialen und politischen Rückstand, unseren wirtschaftlichen und Entwicklungs-Niedergang, unsere religiösen und konfessionellen Spannungen. Auch wenn das Phänomen, dass Christen bei uns um ihrer Religion willen zur Zielscheibe werden, relativ neu ist, so kann es doch sehr gefährlich sein… Denn es zeigt zwei schwerwiegende Entwicklungen: Zunächst den Versuch, das Gewebe unserer nationalen Gesellschaften zu zerreißen… und dann den Versuch, den Islam als etwas darzustellen, was er nicht ist, und im Gegensatz zu dem, was er verkündet.“

Christen würden „in einigen Ländern“ nicht als vollwertige Staatsbürger anerkannt, und viele Moslems stünden den Christen voller Unverständnis gegenüber, so el-Sammak. Diese zwei Punkte „schaden uns beiden, Christen und Moslems, und beleidigen uns alle in unserem gemeinsamen Leben und unserer gemeinsamen Bestimmung“. Der Gelehrte wörtlich: „Ja, die Christen im Orient machen eine Prüfung durch – aber sie sind nicht allein!“

„Ja, die Christen im Nahen Osten brauchen Hilfe und Unterstützung, aber das darf nicht dazu führen, dass die Emigration oder der Rückzug auf sich selbst dadurch gefördert werden; ihre islamischen Partner können auch nicht von ihren nationalen und moralischen Pflichten ihnen gegenüber entbunden werden. Die Emigration zu fördern hieße, sie zur Emigration zu zwingen! Sich auf sich selbst zurückzuziehen würde heißen, langsam zu ersticken. Wer nicht mehr das Recht des anderen auf ein freies und würdiges Leben verteidigt, der vermindert die Menschlichkeit des anderen und verlässt die Konstanten des Glaubens.“

„Emigration von Christen gefährdet Zukunft – der Moslems“

Die christliche Präsenz im Nahen Osten, die „zusammen mit den Moslems geschieht“, sei „eine Notwendigkeit für Christen wie für Moslems – eine Notwendigkeit nicht nur für den Nahen Osten, sondern für die ganze Welt“. Er könne seinen Islam durchaus mit anderen Moslems leben, so el-Sammak: „Aber als nahöstlicher Araber kann ich mein Arabisch-Sein nicht leben ohne die arabischen Christen des Nahen Ostens“. Emigration von Christen bedeute „eine Verarmung der arabischen Identität“.

„Darum sage ich noch einmal von hier aus, vom Rednerpult des Vatikans, was ich auch schon in Mekka öffentlich gesagt habe: Ich bin besorgt über die Zukunft der Moslems im Nahen Osten – und zwar wegen der Emigration von Christen aus dem Orient. Die christliche Präsenz zu bewahren, ist eine gemeinsame islamische Pflicht – genauso wie eine gemeinsame Christenpflicht.“

Die Synode im Vatikan solle „nicht einfach nur ein Schrei des Leidens der Christen sein“, so der sunnitische Moslem:

„Die Hoffnung ist, dass die Synode praktische Schritte tut für eine Initiative gemeinsamer islamisch-christlicher Kooperation, die dafür sorgt, die Christen zu schützen und die islamisch-christlichen Beziehungen zu bewahren, damit der Nahe Osten, Ort der göttlichen Offenbarung, weiterhin würdig bleibt, für die ganze Welt das Banner des Glaubens, der Nächstenliebe und des Friedens hochzuhalten!“

Die Rede des freundlichen Libanesen wurde mehrmals von Beifall unterbrochen – so etwas hatte es 24 Stunden zuvor beim Auftritt eines Rabbiners aus Israel nicht gegeben. Und auch Seyed Mustafa Mohaghegh Ahmadabadi riss sein Auditorium nicht zu Jubelstürmen hin: Der iranische Schiit von der Akademie der Wissenschaften in Teheran gab im Vergleich zu seinem Vorredner eher allgemeine Weisheiten zum Besten. Angetan mit schwarzem Kaftan und dem schwarzen Turban des Gelehrten, begann Ahmadabadi seine Rede mit der Bismillah, der islamischen Segensformel.

Schiitischer Gelehrter: „Bei uns herrscht volle Religionsfreiheit“

Man dürfe andere Religionen nicht einfach von außen beurteilen, so der Iraner: Das Recht und auch das nötige Rüstzeug zur Interpretation jedes Glaubens hätten vor allem die Gläubigen der entsprechenden Religion selbst. Natürlich müsse jede Religion „ihre eigene, aktuelle Exegese haben“, doch keiner dürfe einfach „an der Stelle anderer eine Interpretation abliefern“. Das klang wie eine Absage an Rufe nach der Anwendung der historisch-kritischen Methode auf den Koran, was auch auf dieser Synode einige Teilnehmer gefordert hatten.
 
„Es ist richtig für die Essenz jeder Religion und ihrer Gläubigen, dass die Schüler eines jeden Glaubens ihre Rechte ohne Scham oder Angst praktizieren können und ihrem historischen und kulturellen Erbe entsprechend leben können. Die Stabilität der Welt hängt von der Stabilität des friedlichen Zusammenlebens großer und kleiner Gruppen und Gesellschaften ab.“

Es sei bedauerlich, dass es in den christlich-islamischen Beziehungen in den letzten 1.400 Jahren auch „schwarze Momente“ gegeben habe: „Aber man sollte diese illegitimen Akte Einzelner oder bestimmter Gruppen nicht dem Islam und auch nicht dem Christentum als ganzem anlasten.“ In den meisten islamischen Ländern, auch dem Iran, lebten die Angehörigen beider Religionen doch „Seite an Seite friedlich“ zusammen. Christen hätten „alle legalen Rechte wie andere Staatsbürger auch“ und genössen „volle Religionsfreiheit“.

Interne Debatte: Wir haben Schwierigkeiten mit Moslems

Das hatte kurz zuvor, bei der internen Debatte der Synodenväter mit dem Papst, aber noch ohne islamische Gäste, etwas anders geklungen. Da meinte ein Bischof aus einem nahöstlichen Land, aus dem die Christen scharenweise fliehen: „Es wäre ein Fehler, zu behaupten, wir hätten keine Schwierigkeiten mit Muslimen. Friede fällt nicht vom Himmel.“ Ein anderer Bischof klagte, Christen, die in ihren Ländern zur Flucht gezwungen würden, seien im Grundlagentext der Synode – wohl aus politischen Rücksichten – überhaupt nicht erwähnt; und ein dritter Bischof erzählte, welche Schwierigkeiten er habe, wenn er versuche, im Ausland Priester zu einem Einsatz im Nahen Osten zu überreden. „Ein paar würden vielleicht nach Europa oder in die USA gehen wollen, aber sobald man sie für den Nahen Osten zu gewinnen sucht, haben sie kein Interesse.“

Immerhin, so wandte ein Bischof auf arabisch ein, sei „nicht der Islam der groesste Gegner der Christen“, sondern die Gefahr komme aus ihrer eigenen Mitte. Und ein Oberhirte aus einem Land, in dem immer wieder regelrechte Christenverfolgungen stattfinden, befand dennoch: „Gott liebt die Moslems genauso wie die Christen… Wir sollten vielleicht der breiten Masse der Moslems, die gutwillig ist, mehr Aufmerksamkeit zeigen.“

(rv 15.10.2010 sk)








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