„Die Christen gehören
zum Nahen Osten – wenn sie aus der Region verschwänden, wäre das ein Drama.“ Das war
die Botschaft, die muslimische Gäste am Donnerstag Abend auf der Nahost-Sondersynode
von Bischöfen aus dem Nahen Osten zu Gehör brachten. Papst Benedikt hatte einen schiitischen
und einen sunnitischen Moslem zum Gipfel in den Vatikan eingeladen.
Mohammed
el-Sammak brauchte nicht lange, um vor dem Papst und den Synodenteilnehmern auf den
Punkt zu kommen: „Wenn die Lage der Christen im Nahen Osten gut wäre, dann hätte man
sicher nicht so eine Synode einberufen“, so der distinguierte Herr mit Jackett und
Krawatte, der den (sunnitischen) Grossmufti des Libanon berät. Und weiter: „Ich persönlich
als Moslem finde es wichtig, dass der Vatikan sich konkret um die Probleme der Christen
im Orient kümmert.“ „Wir leiden alle gemeinsam“
„Ich
glaube nicht, dass man mich zur Synode eingeladen hat, um mich über die Probleme der
Christen in bestimmten Staaten des Orients zu informieren. Denn unser Leiden in dieser
Hinsicht ist ein einziges – wir sind alle Orientalen. Wir leiden gemeinsam. Wir erleben
gemeinsam unseren sozialen und politischen Rückstand, unseren wirtschaftlichen und
Entwicklungs-Niedergang, unsere religiösen und konfessionellen Spannungen. Auch wenn
das Phänomen, dass Christen bei uns um ihrer Religion willen zur Zielscheibe werden,
relativ neu ist, so kann es doch sehr gefährlich sein… Denn es zeigt zwei schwerwiegende
Entwicklungen: Zunächst den Versuch, das Gewebe unserer nationalen Gesellschaften
zu zerreißen… und dann den Versuch, den Islam als etwas darzustellen, was er nicht
ist, und im Gegensatz zu dem, was er verkündet.“
Christen würden „in einigen
Ländern“ nicht als vollwertige Staatsbürger anerkannt, und viele Moslems stünden den
Christen voller Unverständnis gegenüber, so el-Sammak. Diese zwei Punkte „schaden
uns beiden, Christen und Moslems, und beleidigen uns alle in unserem gemeinsamen Leben
und unserer gemeinsamen Bestimmung“. Der Gelehrte wörtlich: „Ja, die Christen im Orient
machen eine Prüfung durch – aber sie sind nicht allein!“
„Ja, die Christen
im Nahen Osten brauchen Hilfe und Unterstützung, aber das darf nicht dazu führen,
dass die Emigration oder der Rückzug auf sich selbst dadurch gefördert werden; ihre
islamischen Partner können auch nicht von ihren nationalen und moralischen Pflichten
ihnen gegenüber entbunden werden. Die Emigration zu fördern hieße, sie zur Emigration
zu zwingen! Sich auf sich selbst zurückzuziehen würde heißen, langsam zu ersticken.
Wer nicht mehr das Recht des anderen auf ein freies und würdiges Leben verteidigt,
der vermindert die Menschlichkeit des anderen und verlässt die Konstanten des Glaubens.“
„Emigration
von Christen gefährdet Zukunft – der Moslems“
Die christliche Präsenz
im Nahen Osten, die „zusammen mit den Moslems geschieht“, sei „eine Notwendigkeit
für Christen wie für Moslems – eine Notwendigkeit nicht nur für den Nahen Osten, sondern
für die ganze Welt“. Er könne seinen Islam durchaus mit anderen Moslems leben, so
el-Sammak: „Aber als nahöstlicher Araber kann ich mein Arabisch-Sein nicht leben ohne
die arabischen Christen des Nahen Ostens“. Emigration von Christen bedeute „eine Verarmung
der arabischen Identität“.
„Darum sage ich noch einmal von hier aus, vom
Rednerpult des Vatikans, was ich auch schon in Mekka öffentlich gesagt habe: Ich bin
besorgt über die Zukunft der Moslems im Nahen Osten – und zwar wegen der Emigration
von Christen aus dem Orient. Die christliche Präsenz zu bewahren, ist eine gemeinsame
islamische Pflicht – genauso wie eine gemeinsame Christenpflicht.“
Die
Synode im Vatikan solle „nicht einfach nur ein Schrei des Leidens der Christen sein“,
so der sunnitische Moslem:
„Die Hoffnung ist, dass die Synode praktische
Schritte tut für eine Initiative gemeinsamer islamisch-christlicher Kooperation, die
dafür sorgt, die Christen zu schützen und die islamisch-christlichen Beziehungen zu
bewahren, damit der Nahe Osten, Ort der göttlichen Offenbarung, weiterhin würdig bleibt,
für die ganze Welt das Banner des Glaubens, der Nächstenliebe und des Friedens hochzuhalten!“
Die
Rede des freundlichen Libanesen wurde mehrmals von Beifall unterbrochen – so etwas
hatte es 24 Stunden zuvor beim Auftritt eines Rabbiners aus Israel nicht gegeben.
Und auch Seyed Mustafa Mohaghegh Ahmadabadi riss sein Auditorium nicht zu Jubelstürmen
hin: Der iranische Schiit von der Akademie der Wissenschaften in Teheran gab im Vergleich
zu seinem Vorredner eher allgemeine Weisheiten zum Besten. Angetan mit schwarzem Kaftan
und dem schwarzen Turban des Gelehrten, begann Ahmadabadi seine Rede mit der Bismillah,
der islamischen Segensformel.
Schiitischer Gelehrter: „Bei uns herrscht
volle Religionsfreiheit“
Man dürfe andere Religionen nicht einfach
von außen beurteilen, so der Iraner: Das Recht und auch das nötige Rüstzeug zur Interpretation
jedes Glaubens hätten vor allem die Gläubigen der entsprechenden Religion selbst.
Natürlich müsse jede Religion „ihre eigene, aktuelle Exegese haben“, doch keiner dürfe
einfach „an der Stelle anderer eine Interpretation abliefern“. Das klang wie eine
Absage an Rufe nach der Anwendung der historisch-kritischen Methode auf den Koran,
was auch auf dieser Synode einige Teilnehmer gefordert hatten. „Es
ist richtig für die Essenz jeder Religion und ihrer Gläubigen, dass die Schüler eines
jeden Glaubens ihre Rechte ohne Scham oder Angst praktizieren können und ihrem historischen
und kulturellen Erbe entsprechend leben können. Die Stabilität der Welt hängt von
der Stabilität des friedlichen Zusammenlebens großer und kleiner Gruppen und Gesellschaften
ab.“
Es sei bedauerlich, dass es in den christlich-islamischen Beziehungen
in den letzten 1.400 Jahren auch „schwarze Momente“ gegeben habe: „Aber man sollte
diese illegitimen Akte Einzelner oder bestimmter Gruppen nicht dem Islam und auch
nicht dem Christentum als ganzem anlasten.“ In den meisten islamischen Ländern, auch
dem Iran, lebten die Angehörigen beider Religionen doch „Seite an Seite friedlich“
zusammen. Christen hätten „alle legalen Rechte wie andere Staatsbürger auch“ und genössen
„volle Religionsfreiheit“.
Interne Debatte: Wir haben Schwierigkeiten
mit Moslems
Das hatte kurz zuvor, bei der internen Debatte der Synodenväter
mit dem Papst, aber noch ohne islamische Gäste, etwas anders geklungen. Da meinte
ein Bischof aus einem nahöstlichen Land, aus dem die Christen scharenweise fliehen:
„Es wäre ein Fehler, zu behaupten, wir hätten keine Schwierigkeiten mit Muslimen.
Friede fällt nicht vom Himmel.“ Ein anderer Bischof klagte, Christen, die in ihren
Ländern zur Flucht gezwungen würden, seien im Grundlagentext der Synode – wohl aus
politischen Rücksichten – überhaupt nicht erwähnt; und ein dritter Bischof erzählte,
welche Schwierigkeiten er habe, wenn er versuche, im Ausland Priester zu einem Einsatz
im Nahen Osten zu überreden. „Ein paar würden vielleicht nach Europa oder in die USA
gehen wollen, aber sobald man sie für den Nahen Osten zu gewinnen sucht, haben sie
kein Interesse.“
Immerhin, so wandte ein Bischof auf arabisch ein, sei „nicht
der Islam der groesste Gegner der Christen“, sondern die Gefahr komme aus ihrer eigenen
Mitte. Und ein Oberhirte aus einem Land, in dem immer wieder regelrechte Christenverfolgungen
stattfinden, befand dennoch: „Gott liebt die Moslems genauso wie die Christen… Wir
sollten vielleicht der breiten Masse der Moslems, die gutwillig ist, mehr Aufmerksamkeit
zeigen.“