Man spricht wieder
von Wundern. Der Grund dafür sind die 33 Minenarbeiter in Chile, die nach 70 Tagen
unterirdischer Gefangenschaft aus der Mine gerettet wurden. Der letzte der bei dem
Grubenunglück verschütteten Männer ist in der Nacht zum Donnerstag mit der Rettungskapsel
„Fenix 2“ ans Tageslicht gehoben worden. Das Schicksal der „Mineros“ machte Schlagzeilen
in aller Welt. Papst Benedikt XVI. hatte am Mittwochmorgen bei der Generalaudienz
für die Minenarbeiter gebetet. Da lagen die ersten Kumpel schon weinend vor Freude
in den Armen ihrer Angehörigen. Für das lateinamerikanische Land und besonders die
Menschen aus der Region um das Bergwerk San Jose ist die Rückkehr aller Männer ein
Fest der Freude, erzählt der Generalvikar der Diözese Copiapo, Alejandro Castillo
Camblor, gegenüber Radio Vatikan.
„Wir sind alle überglücklich. Das war
ein Moment der Solidarität und Freude, den wir gemeinsam mit den Familien der Minenarbeiter
erlebt haben. Das ganze Land hat für die Männer gebetet, die jetzt wieder glücklich
und gesund draußen bei ihren Familien sind. Wir waren während der Rettungsaktion eigentlich
schon so nahe bei ihnen und konnten mit ihnen sprechen.“
Am Dienstag kurz
vor Mitternacht stieg der erste Kumpel in die Rettungskapsel. Viele stellten sich
einfach an die Grube, beteten und weinten vor Angst. Vor der Auffahrt in die Freiheit
bekamen die Männer ein Getränk der Nasa gegen Übelkeit. Aber auch für deren Nerven
war die Rettungsaktion eine starke Belastung. Mehr als eine viertel Stunde hat die
Fahrt gedauert, die jeder Einzelne durch einen knapp 53 Zentimenter-breiten Schacht
heraufgezogen wurde. Panikattacken hätten das Ganze in einem Desaster enden lassen.
Aber die Mission ist geglückt. Alle 33 Männer sind frei. Aber was passiert jetzt?
Vom Staat können die Mineros keine Hilfe erwarten, sagt Reiner Wilhelm von der Hilfsorganisation
Adveniat unseren Kollegen vom Domradio.
„Die Absicherung der Bergleute in
Chile ist insgesamt sehr schlecht. Man hat deswegen auch diese Bergleute ausgesucht,
weil sie halt sonst keine Arbeit gefunden hätten. Es sind Leute gewesen, die schön
älter, kränklich und schwach sind. Dieses Bergwerk San Jose war bereits früher schon
berüchtigt: Es ist nach wie vor sehr erträglich, aber auch unheimlich gefährlich.
Und deswegen wollten da auch nur Leute arbeiten, die keine andere Wahl mehr hatten.“
Seit
Ende des 19. Jahrhunderts arbeiten Mineros in der Grube von San Jose. Ein Knochenjob,
der nur selten Beachtung fand. Für die Aufmerksamkeit, die ihnen jetzt zukommt, mussten
die Arbeiter einen harten Preis zahlen. Fast hätte es sie das Leben gekostet. Nun
ist die Rede von Benefizveranstaltungen und Geschenken: Auch ein Urlaub nach Griechenland
soll den Männern spendiert werden. Konzerte oder Sportspiele sollen den Männern und
ihren Familien Geld einbringen. Nicht ganz unbedenklich, sagt der Chile-Referent Reiner
Wilhelm.
„Ich denke, dass Problem wird sein, wie die mit dem Geld und der
Publicity um? Man hat bereits Soaps, Telenovelas, anvisiert. Man will auch einen Film
mit denen drehen und die Geschichte vermarkten. Wie gehen die mit dem Geld um? Bergleute
sind bekannt für ihren ausschweifenden Lebensstil. Wenn die Geld haben, geben sie
es auch aus und wenn sie keins haben, gehen sie arbeiten.“
Für den Ruf
der Bergarbeiter haben auch Berühmtheiten gesorgt.
„Unter den verschütteten
Bergleuten ist ja auch ein Nationalspieler der chilenischen Nationalmannschaft. Der
hat früher viel Geld verdient. Seine Zukunft wäre eigentlich abgesichert gewesen,
aber er konnte mit dem Geld nicht umgehen. Viele Männer haben auch mehrere Frauen.
Das hat zu Problemen untereinander geführt.“
Für die aus über 600 Metern
Tiefe geretteten Kumpel hat der amtierende Präsident von Chile, Sebastian Pinera,
grösste Sympathie und Mitgefühl gezeigt. Vor der Rettungsaktion nahm er an dem von
Kardinal Francisco Errazuriz Ossa zelebrierten Gottesdienst für die Männer teil, bangte
an der Grube mit und erklärte den frisch geretteten Helden, sie hätten das Land verändert.
Dass die Lebensbedingungen der Mineros von der Politik besser gestellt werden, bezweifelt
Reiner Wilhelm.
„Man kann es eigentlich nur hoffen. Chile hat 1985 die
Arbeitsgesetzgebung soweit verändert, dass es scharfe Bedingungen gibt. Man hat sie
aber nicht umgesetzt. Deswegen ist es auch verständlich, dass die Verwandten der Bergleute
eine Anzeige gegen den Staat gestartet haben, wegen der nicht- Einhaltung der Schutzgesetze.
Chile muss diese Schutzgesetze ratifizieren.“
Schließlich gibt es nicht
nur die 33 bekannten Vorzeige-Mineros. In der Grube von San Jose haben viele ihren
Lebensunterhalt verdient.
„Leider sind gerade diese Kumpel aus dem Blick
der Medien gekommen. Sie müssen sich jeden morgen am Eingang des Bergewerkes melden,
um sich arbeitssuchend zu melden, um damit ihrem Anspruch auf Lohn nicht verlustig
zu gehen. Der Lohn wird aber schon seit drei Monaten nicht mehr bezahlt. Es geht jetzt
darum, welche Abfindung die bekommen und die stehen gerade vor dem Nichts.“ (rv
14.10.2010 jv)