Auf der Nahost-Synode im Vatikan: „Warum keine Interkommunion?“
„Wie weit sind wir bereit, das Risiko des Evangeliums einzugehen... das Risiko der
Versöhnung und der vorauseilenden Interkommunion mit unseren orthodoxen Brüdern und
denen aus den Kirchen der Reformation?“ Das fragte an diesem Donnerstag ein Franziskanerpater
in Anwesenheit des Papstes. Bei den Debatten der Sonder-Bischofssynode ging es auch
am Mittwoch Abend und Donnerstag Morgen um viele heiße Themen rund um Christen im
Nahen Osten. Ein Überblick über einige Wortbeiträge, zusammengestellt von Stefan Kempis,
der die Synode für uns verfolgt.
Bischof Bechara Rai von Byblos, Libanon:
„Es gibt in der arabischen Welt eine starke Spaltung zwischen Sunniten und Schiiten;
auf regionaler Ebene zeigt sich das in der Koalition der sunnitischen Seite mit Saudi-Arabien,
Ägypten und Jordanien, auf schiitischer Seite mit dem Iran und Syrien. Diese Spaltung
hat sich im Irak in einen blutigen Krieg zwischen Schiiten und Sunniten verwandelt.
International verläuft diese Konfliktlinie zwischen den USA und ihren Alliierten,
die für die Schiiten sind, und dem Iran auf der anderen Seite – wegen seiner regionalen
Ambitionen und seines Atomprogramms. Im Libanon ist es dieser Konflikt zwischen Schiiten
und Sunniten, wo es auch bei den Christen zur Spaltung kommt.“
Der maronitische
Bischof Gregory Mansour aus den USA: „Immer, wenn ich in den Nahen Osten komme,
sehe ich, dass die Christen das Leben der Menschen in ihrem Umfeld deutlich verbessern.
Schulen, Unis, Krankenhäuser die auch für Moslems, Juden wie Christen gleichermaßen
offen sind. Wir werden vielleicht nie unsere islamischen oder jüdischen Nachbarn alleine
mit Worten überzeugen können, dass unsere Anwesenheit wirklich ein Segen ist für sie,
aber wir haben dieselben Mittel wie schon die ersten Christen, nämlich unsere Liebe
und Großzügigkeit ihnen gegenüber.“
Der armenische Patriarch Nerses Bedros
XIX. Tarmouni aus dem Libanon: „Der Blick auf die erste christliche Gemeinde zeigt
uns, dass das Leben auch für die ersten Christen nicht einfach war. im Gegenteil,
sie ertrugen Beleidigungen und Verfolgungen. Das soll nicht heißen, dass man nicht
für Gerechtigkeit und Frieden in Nahost kämpfen soll. Aber es wäre ein Irrtum zu glauben,
dass der Christ ohne diese Gerechtigkeit und diesen Frieden nicht voll seinen Glauben
leben könnte oder emigrieren müsste. Übrigens: Keiner emigriert, weil er ein besseres
christliches Leben führen möchte!“
Der aus der Schweiz stammende Bischof
Paul Hinder, Apostolischer Vikar von Arabien: „In den zwei Vikariaten auf der
Arabischen Halbinsel gibt es keine einheimischen Christen. Die drei Millionen Katholiken
in einer Bevölkerung von 65 Millionen Einwohnern sind alle Gastarbeiter aus hundert
Nationen, die meisten von den Philippinen und aus Indien. Es gibt keine Religionsfreiheit;
kein Moslem kann übertreten, aber Christen sind willkommen, wenn sie Moslems werden
wollen. Begrenzte Kultfreiheit an ausgewählten Plätzen, zugestanden von wohlwollenden
Herrschern (mit Ausnahme von Saudi-Arabien). Zuwenig Kirchen, sehr hohe Zahlen von
Messbesuchern: In einer einzigen Pfarrei kommen an einem Freitag bis zu 25.000 Gläubige
zu zehn oder mehr Messfeiern.“
Weihbischof Guz-Paul Noujaim aus dem Libanon:
„Papst Johannes Paul II. hat eine neue Form der Primatsausübung gewünscht. Das
ist auch eine Einladung, die Rolle und den Platz der ostkirchlichen Patriarchen mit
Blick auf die Anfänge zu überprüfen. Damals gab es ein Prinzip in der kirchlichen
Organisation: Für einen Raum nur eine Jurisdiktion. Eine Rückkehr zur Einheit bedeutet
eine juridische Organisation der Kirche, die den Patriarchen des Ostens ihre Privilegien
aus der Frühzeit der Weltkirche wiedergibt, an der Seite des Papstes, des Kirchenoberhaupts.
Hauptsächliche Schwierigkeiten für ein solches Projekt: die Gründung neuer Patriarchate
seit dem ersten Jahrtausend; die Existenz mehrerer katholischer und eines orthodoxen
Patriarchen für einen Patriarchensitz; eine römische Kurie, deren Verantwortung gegenüber
den Patriarchen schlecht definiert ist. Vorschlag: Der Papst möge eine Kommission
von Experten (Theologen, Historiker und Seelsorger) berufen, um konkrete Lösungen
für diese Schwierigkeiten vorzuschlagen.“
Der melkitische Bischof Elie Bechara
Haddad aus dem Libanon: „Der Verkauf von Ländereien durch Christen im Libanon
wird zu einem gefährlichen Phänomen. Das bedroht die christliche Präsenz schon in
ein paar Jahren. Wir schlagen daher vor, eine Solidaritätsstrategie zwischen den Kirchen
zu begründen, über die der Heilige Stuhl die Schirmherrschaft übernimmt.“
Der
Generalsekretär des Rates ostkirchlicher Patriarchen, Pater Khalil Alwan: „Die
kirchlichen Autoritäten, also die römischen Dikasterien und die westlichen Bischofskonferenzen,
und ihre Verbände scheinen aus Mangel an Information die Existenz dieses Rates zu
ignorieren.“
Der chaldäische Bischof von Aleppo in Syrien, der Jesuit Antoine
Audo: „Trotz des Mangels an Berufungen sollten Kandidaten geprüft werden, bevor
sie zum Priesterseminar zugelassen werden. (Wir brauchen auch) pastorale und geistliche
Begleitung der Priester über die Jahre hinweg, eine ständige Weiterbildung von guter
Qualität.“
Der koptische Bischof Youhanna Golta aus Ägypten: „Zu den
Beziehungen mit den orthodoxen Kirchen unserer Länder – sie sind unsere Wurzeln, unsere
Vorfahren, sie haben den christlichen Glauben verteidigt und für uns bewahrt. Zu den
Beziehungen mit den muslimischen Bürgern: Das Mittelalter hat uns bittere Früchte
von Hass und Missachtung hinterlassen – eine wahre Tragödie.“ Weihbischof William
Hanna Shomali von Jerusalem: „Die lateinische Kirche im Orient ist nicht westlich,
auch wenn viele Westler zu ihr gehören. Ein arabischer Christ, der zu dieser Kirche
gehört, fühlt sich zu hundert Prozent als Orientale und zu hundert Prozent als jemand,
der zum lateinischen Ritus gehört… Wir hoffen lebhaft auf ein gemeinsames Osterfest
mit den orthodoxen Kirchen. Das bedeutet auch eine Vereinheitlichung der Fastenzeit
– und warum auch nicht der Abstinenz- und Fastenpraxis? Das Fasten ist ein Wert, der
im Islam und Judentum sehr geschätzt wird – darum wäre es wünschenswert, wenn die
Katholiken von Ost- und lateinischem Ritus auch ihre Art des Fastens vereinheitlichen
würden. Das wäre ein positives Signal für Christen wie für Nichtchristen.“
Der
melkitische Erzbischof Cyrille Salim Bustros aus den USA: „Im Prinzip gibt es
im Koran ein klares Bekenntnis zur Toleranz. Aber de facto bedrohen die Gesetze aller
arabischen Staaten mit Ausnahme des Libanon jeden Moslem, der sich zu einer anderen
Religion bekehrt, mit dem Tod! Wir fragen hier: Wo ist denn da die Toleranz? Wie kann
man die prinzipielle Toleranz vereinbaren mit der Todesdrohung, die wie ein Damoklesschwert
über jedem Moslem schwebt, der seine Religion wechseln will?“
Der syrische
Patriarch von Antiochien, Ignace Yousif III. Younan: „Das Wort Wahrheit bedeutet
auf arabisch auch Recht. Als unser Herr beim Letzten Abendmahl die Wahrheit verteidigte,
verteidigte er auch das unveräußerliche Recht des Menschen auf Freiheit.“
Erzbischof
Claudio Maria Celli vom Päpstlichen Medienrat: „Ohne Priester und Bischöfe, die
die heutige (digitale) Kultur verstehen, wird die Glaubensweitergabe an die Jüngeren
in der Kirche noch schwieriger. Es reicht nicht, eine Homepage zu bauen; man braucht
eine Präsenz, die wirklich kommuniziert.“
Der maronitische Bischof Robert
Shaheen aus den USA: „Wir sollten zusammenarbeiten mit den orthodoxen und protestantischen
Kirchen im Ausland, um Wege zu finden, wie wir unseren Brüdern und Schwestern im Nahen
Osten helfen können. Es wäre eine großartige Initiative, wenn wir jedes Jahr ein spezielles
weltweites Wochenende für das Christentum in Nahost in allen unseren Kirchen hätten!“
Der
armenische Weihbischof Jean Teyrouz aus dem Libanon: „Die orthodoxen Kirchen haben
mehr Kompetenzen in allen ihren patriarchalen Angelegenheiten. In ökumenischer Perspektive
sollten auch die katholischen Ostkirchen mehr jurisdiktionelle Gewalt bekommen, weil
sie sonst riskieren, eines Tages zu verschwinden…“
Der Franziskaner Cesar
Essayan aus dem Libanon: „Könnten wir nicht gemeinsame Initiativen mit unseren
orthodoxen Brüdern durchführen? Wie wäre es z.B. mit einem nahöstlichen ökumenischen
Jugendtag nach dem Modell der Weltjugendtage? … Wieweit sind wir bereit, das Risiko
des Evangeliums einzugehen, das uns dazu einlädt, unsere Feinde – die oft unsere Brüder
sind – zu lieben? Das Risiko der Versöhnung und der vorauseilenden Interkommunion
mit unseren orthodoxen Brüdern und denen aus den Kirchen der Reformation?“
Der
maronitische Erzbischof Georges Bou Jaoude aus dem Libanon: „Das Instrumentum
laboris erwähnt kaum die Rolle der Laien in der Kirche… In der maronitischen Kirche
haben die Laien immer aktiv am Leben der Kirche teilgenommen, und zwar über Marien-Bruderschaften.
Außerdem haben sie immer schon die Güter und das Eigentum der Kirche verwaltet…“
Bischofsvikar
Camillo Ballin aus Kuwait: „Ich versichere den Patriarchen und all unseren Mitbrüdern
im Bischofsamt, dass wir wirklich alles tun (für die Gastarbeiter aus Golf, die zu
den Ostkirchen gehören), was wir nur können; sie selbst könnten nicht mehr tun, wenn
sie dort wären. Wir bitten unsere muslimischen Brüder, uns die Räume zu geben, um
angemessen beten zu können.“
Der melkitische Erzbischof Georges Haddad aus
dem Libanon: „Die Religions- und Gewissensfreiheit gilt (im Libanon) nur für die
18 historisch anerkannten (Glaubens-) Gemeinschaften (12 christliche, 4 islamische
sowie Drusen und Juden). Jeder, der nicht zu einer dieser Gemeinschaften gehört, darf
seine (Religions-) Freiheit nicht leben!“