2010-10-14 11:58:03

Auf der Nahost-Synode im Vatikan: „Warum keine Interkommunion?“


„Wie weit sind wir bereit, das Risiko des Evangeliums einzugehen... das Risiko der Versöhnung und der vorauseilenden Interkommunion mit unseren orthodoxen Brüdern und denen aus den Kirchen der Reformation?“ Das fragte an diesem Donnerstag ein Franziskanerpater in Anwesenheit des Papstes. Bei den Debatten der Sonder-Bischofssynode ging es auch am Mittwoch Abend und Donnerstag Morgen um viele heiße Themen rund um Christen im Nahen Osten. Ein Überblick über einige Wortbeiträge, zusammengestellt von Stefan Kempis, der die Synode für uns verfolgt.

Bischof Bechara Rai von Byblos, Libanon: „Es gibt in der arabischen Welt eine starke Spaltung zwischen Sunniten und Schiiten; auf regionaler Ebene zeigt sich das in der Koalition der sunnitischen Seite mit Saudi-Arabien, Ägypten und Jordanien, auf schiitischer Seite mit dem Iran und Syrien. Diese Spaltung hat sich im Irak in einen blutigen Krieg zwischen Schiiten und Sunniten verwandelt. International verläuft diese Konfliktlinie zwischen den USA und ihren Alliierten, die für die Schiiten sind, und dem Iran auf der anderen Seite – wegen seiner regionalen Ambitionen und seines Atomprogramms. Im Libanon ist es dieser Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten, wo es auch bei den Christen zur Spaltung kommt.“

Der maronitische Bischof Gregory Mansour aus den USA: „Immer, wenn ich in den Nahen Osten komme, sehe ich, dass die Christen das Leben der Menschen in ihrem Umfeld deutlich verbessern. Schulen, Unis, Krankenhäuser die auch für Moslems, Juden wie Christen gleichermaßen offen sind. Wir werden vielleicht nie unsere islamischen oder jüdischen Nachbarn alleine mit Worten überzeugen können, dass unsere Anwesenheit wirklich ein Segen ist für sie, aber wir haben dieselben Mittel wie schon die ersten Christen, nämlich unsere Liebe und Großzügigkeit ihnen gegenüber.“

Der armenische Patriarch Nerses Bedros XIX. Tarmouni aus dem Libanon: „Der Blick auf die erste christliche Gemeinde zeigt uns, dass das Leben auch für die ersten Christen nicht einfach war. im Gegenteil, sie ertrugen Beleidigungen und Verfolgungen. Das soll nicht heißen, dass man nicht für Gerechtigkeit und Frieden in Nahost kämpfen soll. Aber es wäre ein Irrtum zu glauben, dass der Christ ohne diese Gerechtigkeit und diesen Frieden nicht voll seinen Glauben leben könnte oder emigrieren müsste. Übrigens: Keiner emigriert, weil er ein besseres christliches Leben führen möchte!“

Der aus der Schweiz stammende Bischof Paul Hinder, Apostolischer Vikar von Arabien: „In den zwei Vikariaten auf der Arabischen Halbinsel gibt es keine einheimischen Christen. Die drei Millionen Katholiken in einer Bevölkerung von 65 Millionen Einwohnern sind alle Gastarbeiter aus hundert Nationen, die meisten von den Philippinen und aus Indien. Es gibt keine Religionsfreiheit; kein Moslem kann übertreten, aber Christen sind willkommen, wenn sie Moslems werden wollen. Begrenzte Kultfreiheit an ausgewählten Plätzen, zugestanden von wohlwollenden Herrschern (mit Ausnahme von Saudi-Arabien). Zuwenig Kirchen, sehr hohe Zahlen von Messbesuchern: In einer einzigen Pfarrei kommen an einem Freitag bis zu 25.000 Gläubige zu zehn oder mehr Messfeiern.“

Weihbischof Guz-Paul Noujaim aus dem Libanon: „Papst Johannes Paul II. hat eine neue Form der Primatsausübung gewünscht. Das ist auch eine Einladung, die Rolle und den Platz der ostkirchlichen Patriarchen mit Blick auf die Anfänge zu überprüfen. Damals gab es ein Prinzip in der kirchlichen Organisation: Für einen Raum nur eine Jurisdiktion. Eine Rückkehr zur Einheit bedeutet eine juridische Organisation der Kirche, die den Patriarchen des Ostens ihre Privilegien aus der Frühzeit der Weltkirche wiedergibt, an der Seite des Papstes, des Kirchenoberhaupts. Hauptsächliche Schwierigkeiten für ein solches Projekt: die Gründung neuer Patriarchate seit dem ersten Jahrtausend; die Existenz mehrerer katholischer und eines orthodoxen Patriarchen für einen Patriarchensitz; eine römische Kurie, deren Verantwortung gegenüber den Patriarchen schlecht definiert ist. Vorschlag: Der Papst möge eine Kommission von Experten (Theologen, Historiker und Seelsorger) berufen, um konkrete Lösungen für diese Schwierigkeiten vorzuschlagen.“

Der melkitische Bischof Elie Bechara Haddad aus dem Libanon: „Der Verkauf von Ländereien durch Christen im Libanon wird zu einem gefährlichen Phänomen. Das bedroht die christliche Präsenz schon in ein paar Jahren. Wir schlagen daher vor, eine Solidaritätsstrategie zwischen den Kirchen zu begründen, über die der Heilige Stuhl die Schirmherrschaft übernimmt.“

Der Generalsekretär des Rates ostkirchlicher Patriarchen, Pater Khalil Alwan: „Die kirchlichen Autoritäten, also die römischen Dikasterien und die westlichen Bischofskonferenzen, und ihre Verbände scheinen aus Mangel an Information die Existenz dieses Rates zu ignorieren.“

Der chaldäische Bischof von Aleppo in Syrien, der Jesuit Antoine Audo: „Trotz des Mangels an Berufungen sollten Kandidaten geprüft werden, bevor sie zum Priesterseminar zugelassen werden. (Wir brauchen auch) pastorale und geistliche Begleitung der Priester über die Jahre hinweg, eine ständige Weiterbildung von guter Qualität.“

Der koptische Bischof Youhanna Golta aus Ägypten: „Zu den Beziehungen mit den orthodoxen Kirchen unserer Länder – sie sind unsere Wurzeln, unsere Vorfahren, sie haben den christlichen Glauben verteidigt und für uns bewahrt. Zu den Beziehungen mit den muslimischen Bürgern: Das Mittelalter hat uns bittere Früchte von Hass und Missachtung hinterlassen – eine wahre Tragödie.“
Weihbischof William Hanna Shomali von Jerusalem: „Die lateinische Kirche im Orient ist nicht westlich, auch wenn viele Westler zu ihr gehören. Ein arabischer Christ, der zu dieser Kirche gehört, fühlt sich zu hundert Prozent als Orientale und zu hundert Prozent als jemand, der zum lateinischen Ritus gehört… Wir hoffen lebhaft auf ein gemeinsames Osterfest mit den orthodoxen Kirchen. Das bedeutet auch eine Vereinheitlichung der Fastenzeit – und warum auch nicht der Abstinenz- und Fastenpraxis? Das Fasten ist ein Wert, der im Islam und Judentum sehr geschätzt wird – darum wäre es wünschenswert, wenn die Katholiken von Ost- und lateinischem Ritus auch ihre Art des Fastens vereinheitlichen würden. Das wäre ein positives Signal für Christen wie für Nichtchristen.“

Der melkitische Erzbischof Cyrille Salim Bustros aus den USA: „Im Prinzip gibt es im Koran ein klares Bekenntnis zur Toleranz. Aber de facto bedrohen die Gesetze aller arabischen Staaten mit Ausnahme des Libanon jeden Moslem, der sich zu einer anderen Religion bekehrt, mit dem Tod! Wir fragen hier: Wo ist denn da die Toleranz? Wie kann man die prinzipielle Toleranz vereinbaren mit der Todesdrohung, die wie ein Damoklesschwert über jedem Moslem schwebt, der seine Religion wechseln will?“

Der syrische Patriarch von Antiochien, Ignace Yousif III. Younan: „Das Wort Wahrheit bedeutet auf arabisch auch Recht. Als unser Herr beim Letzten Abendmahl die Wahrheit verteidigte, verteidigte er auch das unveräußerliche Recht des Menschen auf Freiheit.“

Erzbischof Claudio Maria Celli vom Päpstlichen Medienrat: „Ohne Priester und Bischöfe, die die heutige (digitale) Kultur verstehen, wird die Glaubensweitergabe an die Jüngeren in der Kirche noch schwieriger. Es reicht nicht, eine Homepage zu bauen; man braucht eine Präsenz, die wirklich kommuniziert.“

Der maronitische Bischof Robert Shaheen aus den USA: „Wir sollten zusammenarbeiten mit den orthodoxen und protestantischen Kirchen im Ausland, um Wege zu finden, wie wir unseren Brüdern und Schwestern im Nahen Osten helfen können. Es wäre eine großartige Initiative, wenn wir jedes Jahr ein spezielles weltweites Wochenende für das Christentum in Nahost in allen unseren Kirchen hätten!“

Der armenische Weihbischof Jean Teyrouz aus dem Libanon: „Die orthodoxen Kirchen haben mehr Kompetenzen in allen ihren patriarchalen Angelegenheiten. In ökumenischer Perspektive sollten auch die katholischen Ostkirchen mehr jurisdiktionelle Gewalt bekommen, weil sie sonst riskieren, eines Tages zu verschwinden…“

Der Franziskaner Cesar Essayan aus dem Libanon: „Könnten wir nicht gemeinsame Initiativen mit unseren orthodoxen Brüdern durchführen? Wie wäre es z.B. mit einem nahöstlichen ökumenischen Jugendtag nach dem Modell der Weltjugendtage? … Wieweit sind wir bereit, das Risiko des Evangeliums einzugehen, das uns dazu einlädt, unsere Feinde – die oft unsere Brüder sind – zu lieben? Das Risiko der Versöhnung und der vorauseilenden Interkommunion mit unseren orthodoxen Brüdern und denen aus den Kirchen der Reformation?“

Der maronitische Erzbischof Georges Bou Jaoude aus dem Libanon: „Das Instrumentum laboris erwähnt kaum die Rolle der Laien in der Kirche… In der maronitischen Kirche haben die Laien immer aktiv am Leben der Kirche teilgenommen, und zwar über Marien-Bruderschaften. Außerdem haben sie immer schon die Güter und das Eigentum der Kirche verwaltet…“

Bischofsvikar Camillo Ballin aus Kuwait: „Ich versichere den Patriarchen und all unseren Mitbrüdern im Bischofsamt, dass wir wirklich alles tun (für die Gastarbeiter aus Golf, die zu den Ostkirchen gehören), was wir nur können; sie selbst könnten nicht mehr tun, wenn sie dort wären. Wir bitten unsere muslimischen Brüder, uns die Räume zu geben, um angemessen beten zu können.“

Der melkitische Erzbischof Georges Haddad aus dem Libanon: „Die Religions- und Gewissensfreiheit gilt (im Libanon) nur für die 18 historisch anerkannten (Glaubens-) Gemeinschaften (12 christliche, 4 islamische sowie Drusen und Juden). Jeder, der nicht zu einer dieser Gemeinschaften gehört, darf seine (Religions-) Freiheit nicht leben!“

(rv 14.10.2010 sk)







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