Nahost-Synode: Kernsätze der Reden vom Dienstag Abend
Bei der vierten Generalversammlung
der Nahost-Bischofssynode haben Teilnehmer aus dem Heiligen Land die bedrängte Lage
der Christen in Israel und den Palästinensergebieten geschildert. Auch ein irakischer
Erzbischof berichtete über die kritische Lage der Kirche in seiner Heimat. Hier ist
ein Überblick über einige Wortmeldungen, bearbeitet von Stefan Kempis.
Der
armenische Bischof Joseph Arnaouti aus Damaskus, Syrien: „Ich schlage die Einrichtung
eines liturgischen Festes von Gottvater vor. Das Vaterunser ist das ökumenische Gebet
par excellence. Im Nahen Osten kommen sich verschiedene katholische Eparchien gegenseitig
ins Gehege. Diese Schwierigkeit kann eine Gnade sein, kann sie aber auch ärmer machen.“ US-Kardinal
John Foley, Großmeister der Jerusalemer Grabesritter: „Viele, darunter der Heilige
Stuhl, haben eine Zwei-Staaten-Lösung für die israelisch-palästinensische Krise vorgeschlagen.
Aber je mehr Zeit vergeht, desto schwieriger wird eine solche Lösung. Der Bau von
israelischen Siedlungen und israelisch kontrollierter Infrastruktur in Ostjerusalem
und anderen Teilen der Westbank macht es immer schwieriger, einen funktionierenden,
integralen Palästinenserstaat zu errichten.“ Der Lateinische Patriarch von
Jerusalem, Erzbischof Fouad Twal: „Die Jerusalemer Mutterkirche ist eure Kirche,
wo ihr alle geistlich und kirchlich geboren seid... Lasst eure Mutterkirche nicht
allein und isoliert!“ Der maronitische Bischof Francois Eid aus Kairo, Ägypten:
„Eine kleine Gruppe von emigrierten libanesischen Christen hat – dynamisch und
motiviert – in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Ägypten binnen hundert Jahren
249 Zeitungen und Zeitschriften in arabischer, französischer oder englischer Sprache
gegründet. Sie waren es, die fast alle Pressehäuser begründeten, die ein gewisses
Prestige haben und in Ägypten heute noch existieren. Und dann noch diese Pleiade von
fortschrittlichen Autoren und Schriftstellerinnen, die Ägypten Dramaturgen, Produzenten,
Schauspieler, Musiker und Sänger gegeben haben! Leider wurde dieses Klima der Öffnung
und Toleranz durch die Revolution von 1952 beendet, was ihrem sozio-kulturellen Beitrag
einen Todesstoß versetzte. Diese Synode kann sich nicht vormachen, eine magische Lösung
für die Probleme der Kirchen in Nahost zu finden.“ Der melkitische Erzbischof
Joseph-Jules Zerey aus Jerusalem: „Warum emigrieren viele (christliche) Familien?
... Warum haben viele von ihnen den Eifer, wie die ersten Christen zu leben, verloren?
Ich stelle deutlich fest, dass viele unserer sogenannten „christlichen“ Familien dringend
re-evangelisiert werden müssen. In Nazareth entsteht sehr bald ein internationales
Zentrum für die Spiritualität der Familie. Es wird im Dienst der Orts- und der Weltkirche
stehen. Hoffentlich strahlt es auf alle Städte des Heiligen Landes aus.“ Der
syrisch-katholische Erzbischof Georges Casmoussa aus Mossul, Irak: „In unseren
Ländern des Nahen Ostens sind wir winzige Minderheiten, die unter den folgenden Faktoren
hart leiden: Galoppierende Emigration, Terror-Wellen, alarmierend niedrige Geburtenrate
bei den Christen. Die ungerechte Anklage gegen die Christen, sie seien doch nur Käuflinge
des so genannten „christlichen“ Westens... (Der Westen ist auch nicht freundlicher
zu uns). Was heute im Irak geschieht, lässt uns an das denken, was in der Türkei im
Ersten Weltkrieg passierte. Das ist alarmierend! Ich schlage vor: Die katholische
Bischofskonferenz aktivieren. Den Verband christlicher Kirchenführer im Irak aktivieren.
Ein Sekretariat für die Beziehungen zum Staat. Gemeinsame Priesterausbildung in einem
einzigen katholischen Seminar.“ Der chaldäische Erzbischof Ramzi Garmou aus
Teheran, Iran: „Eine ethnische, nationalistische Kirche widerspricht dem wirken
des Heiligen Geistes und dem Willen Christi. Das Instrumentum Laboris (d.h., das Grundlagenpapier
der Synode, Anm. d. Übersetzers) ignoriert fast vollkommen die wesentliche Bedeutung
des monastischen und kontemplativen Lebens für die Erneuerung und das Wiedererwachen
unserer Kirchen. Die Geschichte lehrt uns, dass Bischöfe unter den Mönchen ausgewählt
wurden, das heißt unter Männern des Gebets und eines tiefen geistlichen Lebens. Leider
folgt die Auswahl von Bischöfen heute nicht mehr denselben Kriterien, und wir stellen
fest, dass die Resultate leider nicht immer die allerbesten sind.“ (Beifall bei den
Synodenvätern) Der syro-malabarische Bischof Bosco Puthur aus Indien: „Die
Seelsorge für syro-malabarische Gläubige in den Ländern des Arabischen Golfes ist
sehr inadäquat und nicht zufriedenstellend. Es gibt fast 430.000 syro-malabarische
Migranten in der Region, aber nicht eine einzige Pfarrei für sie. Dadurch besteht
die wachsende Gefahr, dass unsere Leute von Pfingstkirchen, die in der Golfregion
arbeiten, in die Irre geführt werden. Darum ist es nötig, die Seelsorge für die syro-malabarischen
Gläubigen unserer eigenen Kirche anzuvertrauen und dafür eigene kirchliche Strukturen
zu errichten. Im Gegensatz zur Meinung, die einige Kirchenleute verbreiten, sind die
Regierungen in den Golfstaaten in der Regel offen für christliche Gemeinschaften,
weil sie derzeit Gastarbeiter brauchen.“ Der Kustos des Heiligen Landes, Franziskanerpater
Pierbattista Pizzaballa aus Jerusalem: „Zu oft geht die pastorale Perspektive im
Heiligen Land von der Lage aus und nicht von der Berufung der Kirche. Die Pilger und
der multireligiöse Charakter (im Umfeld) der Kirche des Heiligen Landes fordern uns
dazu auf, als Kirche immer extrovertierter, gastfreundlicher, offener für andere zu
sein.“ Der syro-malankarische Erzbischof Beselios Cleemis Thottunkal aus Indien:
„Ich finde, dass unsere Bemühungen um volle Einheit mit unseren orthodoxen Schwesterkirchen
gestärkt werden müssten. Wie Johannes Paul II. vorschlug, muss nach einer neuen Art
des Petrusdienstes gesucht werden, aber ohne das aufzugeben, was wesentlich ist für
den Dienst des Bischofs von Rom.“ Der Apostolische Exarch Dimitrios Salachas
aus Griechenland: „In den lateinischen Priesterseminaren an Orten, an denen es
Gläubige aus Ostkirchen gibt, sollten die Seminaristen dringend auch über das östliche
Kirchenrecht unterrichtet werden. Auch die Bischöfe und Priester in diesen lateinischen
Strukturen sollten dieses Recht kennen, damit sie das Recht und die Pflicht von ostkirchlichen
Gläubigen in ihrem Bistum bzw. ihrer Pfarrei auf Treue zum eigenen Ritus garantieren
können.“ Pater José Rodriguez Carballo, Generalminister der Franziskaner: „Im
Kontext der Neuevangelisierung schlage ich Folgendes vor: Einen einheitlichen Katechismus
für alle Katholiken im Nahen Osten. In Kontinuität mit dem Paulusjahr ein eigenes
Johannesjahr in allen Kirchen des Nahen Ostens, wenn möglich gemeinsam mit den Brüdern
der nichtkatholischen Kirchen. Stärkere Bibelstudien. Außerdem wünsche ich mir angesichts
des immer stärkeren Schwunds der Christen im Heiligen Land von dieser Synode ein Wort
des Trostes an die christlichen Gemeinschaften dort, vor allem an die Katholiken.“ Der
libanesische Dialogexperte Emir Harés Chehab: „Der Exodus (von Christen) kann in
keiner Weise nur wirtschaftlichen Gründen angelastet werden – sonst wäre die ganze
Region längst entvölkert. Es ist evident, dass an der Wurzel dieser Bewegung die Diskriminierung
liegt – die Verfolgung hie, die Angst da, das Fehlen von Freiheit, die Ungleichheit
im Recht... Leider geben die vielen islamisch-christlichen Gespräche und Konferenzen,
von denen zu einem großen Teil das Überleben einer aktiven christlichen Präsenz in
unserer Region abhängt, Themen wie Laizität, Freiheit, Extremismus, Fundamentalismus,
Terrorismus nicht den Platz, den sie verdienen. Das Verschweigen der Probleme oder
ihr nur zaghaftes Ansprechen haben unsere Sache nicht sehr weit vorangebracht – eher
im Gegenteil! Das Erreichte bleibt zerbrechlich und verfliegt beim ersten ernsthaften
Problem. Man sollte (bei christlich-islamischen Dialogen) vor allem auf die Wahrheit
zielen, so hart sie auch sein mag. Diese Synode sollte für uns eine Gelegenheit sein,
auch die Moslems zu einer neuen Exegese einzuladen, die wir alle brauchen: Sie sollten
über ihre dogmatischen Texte und Quellen nachdenken und uns – warum nicht? – einladen,
ihnen unsere Meinung dazu vorzutragen.“ (rv 13.10.2010 sk)