Bischöfe aus dem Nahen
Osten sind uneins über die Haltung, die sie zu den Moslems einnehmen sollten. Bei
einer internen Debatte in Anwesenheit des Papstes kam es zu Meinungsverschiedenheiten
über die Frage, ob Christen in Nahost die Moslems einfach „lieben“ oder auch „mit
ihnen diskutieren“ sollten. „Schluss mit der gebückten Haltung!“, rief ein Teilnehmer
auf arabisch; andere Synodenväter widersprachen. Zur Sondersynode im Vatikan sind
seit Sonntag Bischöfe aus dem ganzen Nahen Osten im Vatikan. Stefan Kempis hat die
Debatte für uns verfolgt.
Dienstag Abend, 18 Uhr: Auch Papst Benedikt ist wieder
in die Synodenaula des Vatikans gekommen, um der Diskussion der über 150 Synodenväter
und Experten zu lauschen. Abseits der Kameras wird zunächst über einige konkrete Vorschläge
gesprochen, die bislang auf dem Nahostgipfel zur Sprache gekommen sind: „Verkündigung“
so definieren, dass es bei Moslems nicht wie „Abwerbeversuche“ klingt; in den zehn
Arbeitsgruppen, wie sie an diesem Mittwoch erstmals zusammentreten, Ideen besprechen,
wie eine „neue Art des Petrusdienstes“ aussehen könnte, um auch ökumenisch akzeptabel
zu sein. Und die Patriarchen der Ostkirchen sollen sich auf einer ihrer nächsten Tagungen
mal eingehend mit dem Thema Seelsorge für Emigranten aus Nahost beschäftigen, denn
da liegt – wie auf der Synode schnell klar wurde – einiges im argen. Einheit in
der Vielfalt, mit allen Spannungen, die sich daraus ergeben – darum kreist die Debatte
zunächst. Muss es denn wirklich in so mancher Stadt mehrere Bischöfe geben, nämlich
von verschiedenen Riten?, fragt jemand; ein anderer schlägt vor, dass die Ostkirchen
sich auf eine einheitliche arabische Version des Vaterunsers einigen sollten. Eine
solche Version gibt es zwar schon, aber sie ist weitgehend unbekannt. „Unsere Gläubigen
wünschen sich einen gemeinsamen Ostertermin aller christlichen Kirchen“, sagt ein
Teilnehmer und wendet sich direkt an den Papst: „Bitte, Heiliger Vater – machen wir
eine gemeinsame Anstrengung, um ein Datum zu finden!“ Zu einer Auseinandersetzung
kommt es in der Frage, ob sich die Kirche in einem arabischen Land auch genug um Gastarbeiter
kümmert, die aus einer anderen Weltregion und kirchlichen Tradition kommen. Zum Thema
Emigration meint jemand, viele hier im Saal seien doch selbst die Kinder von Eltern,
die einmal mutig in ein anderes Land ausgewandert seien – mit welchem Recht stemme
sich denn dann die Kirche so sehr gegen die Emigration von Christen aus dem Nahen
Osten? Und dann ärgert sich ein Synodenteilnehmer lautstark über die Formulierung
der Synodenleitung, man solle doch „die Moslems lieben und nicht mit ihnen diskutieren“.
Wann habe man die Moslems denn in den letzten Jahrhunderten nicht geliebt? Hätten
die Christen nicht vielmehr ihr Blut immer wieder für ihre islamischen Brüder vergossen?
Und was sei der Dank dafür? Warum müssten Christen in einigen Teilen des Nahen Ostens
in gebückter Haltung gehen? Wo sei denn der Respekt für sie? Habe nicht auch Christus
die Menschen seiner Umgebung zwar geliebt, aber doch auch heftig mit ihnen diskutiert,
und zwar mit erhobenem Haupt? Auch ein weiterer Teilnehmer geht auf das Thema Lieben
oder Diskutieren ein: Er meint begütigend, man könne doch das eine tun – und das andere
nicht lassen. Viele Themen kommen auf in der Debatte; der Ton ist offen, aber freundlich.
(Papst Benedikt hört zu und mischt sich nicht ein. Es fehlt eigentlich nur noch das
Gluckern einer Wasserpfeife, und man könnte glauben, einem Gespräch in einem Bazar
des Orients zuzuhören). (rv 13.10.2010 sk)