EU: „Deutsches Verständnis von Religionsfreiheit schwer vermittelbar“
Deutschland nimmt in Europa in Sachen Religionsfreiheit eine Ausnahmestellung ein.
Das sagte die am europäischen Menschenrechtsgerichtshof tätige Richterin Renate Jaeger
gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“. Wohlwollende Neutralität bringe der Staat nur
den großen Kirchen, nicht aber anderen Religionsgemeinschaften entgegen. Dies sei
europaweit eine Ausnahme, erklärte Jaeger. „Ich will nicht sagen, dass das irgendwann
für konventionswidrig erklärt wird.“ Aber es sei auch Richtern schwer vermittelbar,
„dass das keinen, auch keinen mittelbar diskriminierenden Effekt“ habe. Der Menschenrechtsgerichtshof
sehe Menschenrechte als etwas von der Religion Verschiedenes an. Deswegen sähen die
Urteile aus Strassburg immer religionsferner aus als die des Bundesverfassungsgerichtes,
erklärte Jaeger.
Jaeger äußerte sich auch zum anstehenden Urteil im Kruzifixstreit:
„Ein religiöses Symbol in ein kulturelles umzudeuten – davon wird das Gericht sicherlich
nicht ganz leicht zu überzeugen sein“, so die Richterin. Andererseits mische sich
das Gericht nur ungern in nationale Erziehungsfragen ein. Es komme auf die Mehrheit
der großen Kammer an, Prognosen seien schwer zu treffen. Im November 2009 hatte eine
andere Kammer des Straßburger Gerichts einer Klägerin Recht gegeben, die sich gegen
Kreuze an öffentlichen Schulen in Italien gewandt hatte. Das Urteil löste vor allem
in Italien und bei der katholischen Kirche erhebliche Kritik aus.