Mit einem entschiedenen
„Nein“ zum Terrorismus hat Papst Benedikt XVI. an diesem Montag die Beratungen der
Nahost-Sondersynode eröffnet. Vor mehr als 180 Bischöfen aus dem Nahen Osten, darunter
neun Patriarchen und etwa zwanzig Kardinälen, warnte der Papst eindringlich vor einer
„Entmächtigung Gottes” durch moderne Ideologien. Das führe unter anderem zu Terrorismus,
der sich auf Gott berufe. Die ersten Redner der Synode, die zwei Wochen dauert, zeichneten
ein eher düsteres Bild von der Lage der Christen in Israel, Palästina und den arabischen
Staaten.
Am Sonntag hatte der Heilige Vater mit einer Messe im Petersdom die
Synode offiziell eröffnet – mit dem Stundengebet begannen an diesem Montag nun die
tatsächlichen Arbeiten. Am Eingang der Synodenaula: ein Sicherheits-Scanner; in der
Tagungsaula selbst dann eine Marienikone hinter dem Tisch, an dem das Präsidium und
der Papst sitzen; davor in einem weiten Halbkreis die Vertreter von sechs katholischen
Kirchen des Ostens und – ausnahmsweise einmal in der Minderheit – Vertreter der „Lateiner”.
Die Beratungen werden geleitet vom koptisch-katholischen Patriarchen Antonios Naguib
aus Ägypten und vom argentinischen Kurien-Kardinal Leonardo Sandri, dem Präfekten
der Ostkirchen-Kongregation.
„Damit der eingeborene Sohn Gottes zur Welt
kommen kann, müssen die falschen Götter gestürzt werden“, meinte Papst Benedikt
in einer spontanen Meditation. „Denken wir an die großen Mächte unserer Zeit: an
das anonyme Kapital, das den Menschen versklavt... Denken wir an die terroristischen
Ideologien: Angeblich im Namen Gottes wird da Gewalt ausgeübt – aber es ist nicht
Gott, sondern falsche Götzen, die demaskiert werden müssen. Sie sind nicht Gott!“
Auch
die Drogen und einen Lebensstil, der sich gegen Ehe und Familie richtet, zählte der
Papst zu falschen Götzen.
„Diese Ideologien, die alles dominieren und die
sich durchzusetzen versuchen, sind Götzen! Mit dem Blut der Märtyrer und dem Leiden
der Kirche müssen wir darauf hinwirken, dass diese Mächte und Gewalten stürzen!“
Eterovic:
„Christen wollen Frieden mit Nachbarn”
Die Synode wolle den Christen
im Nahen Osten zeigen, dass sie nicht allein seien, so der Generalsekretär des Bischofstreffens,
Erzbischof Nikola Eterovic. Er war der erste, der etwas auf arabisch sagte - das ist
zum ersten Mal eine offizielle Sprache auf so einem Kirchengipfel.
„Wir
sind vor allem denen nahe, die unter der schwierigen Lage in der Region leiden. Die
Sondersynode will den hohen Wert unterstreichen, den die Präsenz und das Zeugnis der
Christen in den Ländern der Bibel haben – nicht nur für die christliche Gemeinschaft,
sondern genauso für eure Nachbarn und Mitbürger. Die Christen, die seit fast 2.000
Jahren im Nahen Osten leben, wollen Frieden und Harmonie mit ihren jüdischen und islamischen
Nachbarn. Die Christen verdienen Anerkennung wegen der wichtigen Rolle, die sie oft
haben: als Friedensbringer im schwierigen Prozess der Versöhnung. Darum sollten aber
auch ihre Rechte immer respektiert werden, auch das auf Kult- und Religionsfreiheit!”
Eterovic
zählte auf, was Christen im Nahen Osten alles an Gemeinnützigem für die Gesellschaft
ihrer Länder tun: Schulen, Caritas, viele Angebote im Gesundheitswesen. Vor der Synode
würden in den nächsten Tagen auch Moslems und ein jüdischer Vertreter das Wort ergreifen,
kündigte er an.
Koptisch-katholischer Patriarch: „Christen in Palästina
und Irak unter Druck“
Patriarch Naguib von Alexandria wies auf die
zahlreichen Spaltungen der Christen im Nahen Osten im Laufe ihrer Geschichte hin.
Ihre Zersplitterung in viele Kirchen und Grüppchen schwäche ihr gemeinsames Zeugnis,
meinte er selbstkritisch. Andererseits: Vielfalt gehöre zum Wesen der Kirche, die
ja schliesslich auf dem Geheimnis der Dreifaltigkeit gründe.
„Unsere Kirchen
wurden durch die Präsenz Christi und der Apostel gesegnet; sie waren die Wiege des
Christentums und der ersten christlichen Generationen. Gerade darum haben sie die
Aufgabe, die Erinnerung an die Anfänge am Leben zu erhalten, den Glauben der eigenen
Gläubigen zu staerken und in ihnen den Geist des Evangeliums wachzuhalten, damit er
auch ihre Beziehungen zu anderen Christen und zu den Nichtchristen prägt.”
Die
zahlreichen Konflikte in der Region hätten direkte, negative Auswirkungen auf die
Christen, so Naguib:
„In den Palaestinensergebieten ist das Leben sehr hart
und oft unerträglich. Die Lage der arabischen Christen ist ausgesprochen delikat.
Wir verurteilen die Gewalt, von welcher Seite auch immer sie kommt, und fordern eine
gerechte und dauerhafte Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt. Dabei
sind wir solidarisch mit den Palästinensern, deren derzeitige Lage dem Fundamentalismus
Nahrung gibt. Den Christen der Region zuzuhören, kann uns helfen, die Lage besser
zu verstehen. Ein Statut für Jerusalem müsste seiner Bedeutung für drei Religionen
Rechnung tragen: für Christen, Moslems und Juden.”
Es sei „traurig, dass
die Weltpolitik sich nicht genügend Rechenschaft gibt über die dramatische Lage der
Christen im Irak”, so der Patriarch weiter. Die Christen im Irak seien „das erste
Opfer des Kriegs und seiner Folgen”. Auch aus dem Libanon und seiner Heimat Ägypten
hatte Naguib in Anwesenheit des aufmerksam lauschenden Papstes Trauriges von der Lage
der Christen zu vermelden. Mit Nachdruck rief der Patriarch nach Religionsfreiheit:
„Keine
Gewissensfreiheit in den meisten Laendern des Nahen Ostens”
„In
den meisten unserer Länder ist die Kultfreiheit, die nur ein Aspekt der Religionsfreiheit
ist, in der jeweiligen Verfassung garantiert. Und dennoch behindern in einigen Ländern
gewisse Gesetze und Praktiken ihre tatsächliche Umsetzung. Und dann die Gewissensfreiheit
– wer zum Evangelium kommen will, hat keine freie Wahl dazu und muss Schikanen fürchten,
auch für seine Familie. Hier wünschen wir uns ein Wachstum im Respekt der vollen Menschenrechte.
Gleichzeitig verurteilt die katholische Kirche aber auch deutlich jede Art von Abwerben
von Gläubigen einer anderen Religion.”
Seit den siebziger Jahren schon
dringe der „politische Islam” im Nahen Osten immer weiter vor, analysierte Patriarch
Naguib:
„Vor allem in der arabischen Welt bedeutet das eine Bedrohung fuer
die Christen. Da wird versucht, alle Bürger auf ein islamisches Lebensmodell zu verpflichten,
manchmal auch mit Gewalt. Das ist eine Bedrohung für alle, und wir müssen diese extremistischen
Strömungen gemeinsam bekämpfen!”
Schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts
verliessen viele Christen den Nahen Osten – aus politischen wie wirtschaftlichen Gründen.
Heute seien der Nahostkonflikt, der Krieg im Irak und das Vordringen des islamischen
Fundamentalismus die Hauptgründe fuer einen starken christlichen Exodus.
„Die,
die gehen, sind vor allem die jungen Leute, die gut Ausgebildeten und die Wohlhabenden.
Damit gehen der Kirche und dem Land die wertvollsten Ressourcen verloren.”
Man
müsse doch irgendwie Wege finden, um die Christen zum Bleiben im Ursprungsland ihres
Glaubens zu bewegen, überlegte der katholische Koptenführer. Gleichzeitig stimme es
aber auch, dass die Ausgewanderten viel Geld in ihre Heimat und an ihre Ursprungskirche
schickten. Wenn in einigen Ländern der Region die Zahl der Christen trotz des Exodus
zunehme, dann liege das vor allem an Arbeitseinwanderern aus Afrika und Asien.
„Unbehagen
bei Christen”
Naguib würdigte die Beziehungen der katholischen Kirche
zum Judentum:
„Unsere Kirchen weisen Antisemitismus und Antijudaismus zurück.
Die Schwierigkeiten in den Beziehungen zwischen Arabern und Juden haben eher mit der
politisch konfliktiven Lage zu tun; wir unterscheiden zwischen religiöser und politischer
Realität.”
Und mit Blick auf die muslimische Welt:
„Der Islam
ist nicht uniform, er weist eine konfessionelle, kulturelle und ideologische Vielfalt
auf. Einige Schwierigkeiten im Verhältnis zwischen Christen und Moslems kommen daher,
dass die Moslems im allgemeinen nicht zwischen Religion und Politik unterscheiden.
Daher kommt es zu Unbehagen bei Christen, weil sie sich nicht als Bürger behandelt
fühlen, auch wenn sie in ihrem Land doch zuhause sind, und zwar schon länger als der
Islam. Wir brauchen eine Anerkennung, die von der Toleranz zur Gerechtigkeit und Gleichheit
übergeht!”
In diesem Zusammenhang müssten vor allem eine Reihe von Schulbüchern
umgeschrieben werden, regte Naguib an. Christen und Moslems muessten lernen, „als
Staatsbürger für das Gemeinwohl zusammenzuarbeiten”. Es sei dramatisch für die Christen,
dass in fast allen mehrheitlich islamischen Ländern der Islam Staatsreligion sei –
„und die Scharia eine entscheidende Quelle der Rechtsprechung”.
Bedenkliche
Gesichter in der Zuhörerschaft – aber in der Pause lockerte sich die Stimmung doch
merklich auf. Da wetteiferten die Synodenväter um einen Handschlag mit dem Papst und
ein kurzes Gespräch. Das bunte Gedränge liess ahnen, was dieser Bischofsgipfel auch
(oder sogar: vor allem) sein wird: eine bunte Kontaktbörse der Katholiken aus Nahost.