Er ist der dienstälteste Deutsche am Vatikan - und überhaupt der Kuriale mit der längsten
Zeit in einer römischen Leitungsfunktion. Am Donnerstag hat der Papst den altersbedingten
Rücktritt von Kurienkardinal Paul Joseph Cordes (76) angenommen. 30 Jahre lang war
er zunächst Vize-Präsident des Laienrates und dann Leiter des Caritas-Ministeriums
"Cor unum". Als Mitbegründer der Weltjugendtage hat er sich ebenso einen Namen gemacht
wie als Ko-Autor der ersten Enzyklika von Benedikt XVI. "Deus caritas est". Die
Annahme des Rücktrittsgesuchs von Kardinal Cordes zu diesem Zeitpunkt kam für manche
Beobachter überraschend. Denn in letzter Zeit blieben Kurienchefs meist bis zum 77.
Geburtstag im Amt. Freilich ist Cordes Mitglied in mehreren vatikanischen Kongregationen,
etwa der für die Mission, für den Klerus oder die Heiligsprechungsverfahren. Und so
dürfte er noch weitere Jahre eine wichtige Rolle in Rom als Kurienkardinal für die
Weltkirche spielen. Dass Benedikt XVI. seinem Landsmann auch persönlich verbunden
ist, zeigt die Tatsache, dass er ihn zum offiziellen Dienstende am Donnerstag in Privataudienz
empfing. Es war eher Zufall, dass der am 5. September 1934 im Sauerland geborene
Cordes nach Rom kam. Nach dem Studium in Münster und in Lyon und nach der Promotion
1971 bei dem zwei Jahre jüngeren Karl Lehmann war er zunächst Referent bei der Deutschen
Bischofskonferenz. Als im September 1978 der damalige Krakauer Erzbischof Karol Wojtyla
mit einer polnischen Bischofsdelegation Deutschland besuchte, wurde der junge Paderborner
Weihbischof Cordes zu dessen Begleitung abgestellt. Bei den langen Autofahrten quer
durch Deutschland lernten die beiden einander kennen und schätzen. Ein gutes Jahr
nach seiner Wahl rief Papst Johannes Paul II. Cordes als seinen ersten Deutschen nach
Rom. Hier machte sich der dynamische Kirchenmann bald einen Namen. Zum außerordentlichen
Heiligen Jahr 1983/84 organisierte er ein internationales Jugendtreffen. Es wurde
so erfolgreich, dass Johannes Paul II. daraus eine feste Institution machte, die inzwischen
die zahlenmäßig größte Kirchenveranstaltungen darstellt. Als Präsident von "Cor
unum" leitete der polyglotte Kirchenmann ab 1995 eine kleine, aber wichtige Vatikanbehörde
- die mal als Caritas-, mal als Entwicklungs- oder Krisen-Ministerium bezeichnet wird.
"Cor unum" koordiniert die Hilfsarbeit der katholischen Kirche, gibt ihr Impulse und
unterstreicht ihre christlichen Wurzeln. In dieser Mission reiste Cordes regelmäßig
in die Krisenherde und Katastrophenorte der Welt - aber auch in die Machtzentralen,
um Hilfe zu ermöglichen. Als erster Vatikanvertreter besuchte er Darfur, das Kosovo,
Ruanda, koordinierte er kirchliche Hilfe beim Tsunami in Südasien und anderen Katastrophen.
Er ging in Flüchtlingslager, traf Überlebende und Angehörige der Opfer und brachte
meist auch einen Scheck des Papstes zur Linderung der ersten Not mit. Dabei legt
Cordes grossen Wert darauf, dass katholische Entwicklungsarbeit nicht eine humanitäre
Hilfstätigkeit unter vielen anderen ist, sondern klare christliche Wurzeln und ein
klares christliches Profil haben muss. Dieses Anliegen verbindet ihn eng mit dem Papst,
dem er bei dessen erster Enzyklika zuarbeitete. Und nicht von ungefähr bat Benedikt
XVI. den "Cor-unum"-Chef im Sommer 2009, seine Sozialenzyklika "Caritas in veritate"
bei einer Pressekonferenz zu präsentieren. (kipa 07.10.2010)