Bei der brasilianischen
Präsidentschaftswahl hat die gemäßigte Linkspolitikerin Dilma Rousseff überraschend
einen Dämpfer erlitten. Das überrascht, da ihr alle Prognosen einen direkten Sieg
in der ersten Runde einräumten. Ob die Diskussion in der letzten Woche noch eine Rolle
gespielt hat, ist aber unklar. Es ging um christliche Werte bei den Kandidaten. Dilma
bekannte am Freitag bei der Taufe ihres Enkels, sie sei Katholikin und stehe zu den
Werten der Kirche. Marina Silva – die Kandidatin der Grünen – erklärte ihre Toleranz
gegenüber anderen Lebensformen. Nur der bekannt praktizierende Katholik Serra blieb
blass in dieser Schlussdebatte, so Experten. Die katholische Kirche spielt eine wichtige
Rolle bei den politischen Auseinandersetzungen. Davon ist auch der Länderreferent
für Brasilien beim katholischen Hilfswerk Adveniat überzeugt. Gegenüber Radio Vatikan
sagt Norbert Bolte:
„Wenn wir auf die zurückliegenden Jahre schauen und
nicht nur auf die acht Jahre von der Lula-Regierung, muss man sagen, dass die Kirche
stets kritisch die Politik beurteilt hat. Das gilt auch gegenüber den Regierungen.
Sie schaute genau hin, was mit den ärmeren Schichten gemacht wurde. Sie wird nun sicherlich
auch wieder die Finger in die Wunde legen, dort wo es noch Probleme gibt. Dazu gehört
u.a. die Agrarreform, die von der Kirche seit Jahrzehnten gefordert wird. Brasilien
befindet sich im agrarpolitischen Sinn in der Kolonialzeit. Hier ist dringend Bedarf,
etwas zu tun. Ein weiteres Problemfeld ist die Bildungsreform. Das Schulsystem hat
zu große Defizite. Hier müssen Änderungen her.“
Eine von der katholischen
Kirche getragene Bürgerinitiative hatte im Juni sogar die Regeln für die Wahlen geändert.
Kandidaten mit einer Verurteilung in den letzten drei Jahren sind demnach vom Wahlprozess
ausgeschlossen. Norbert Bolte:
„Im Zusammenhang mit den Wahlen in Brasilien
ist es wichtig, dass wir nicht nur die Präsidentschaftswahlen wahrnehmen. Es standen
ja noch weitere Ämter zur Wahl. Da sind die Gouverneure, die Land- und Bundesabgeordnete
und d.h. in Brasilien herrscht nun eine große Aufbruchstimmung. Die Medien sind ganz
stark durch dieses Ereignis bestimmt.“