2010-10-02 14:28:34

Nigeria: 50 Jahre Unabhängigkeit


RealAudioMP3 Das Thema Einigkeit gibt in diesen Tagen nicht nur in Deutschland Grund zu Staatsfeierlichkeiten. Auch die ehemals britische Kolonie Nigeria begeht am 1. Oktober eine Jubiläumsfeier: für 50 Jahre Unabhängigkeit. Papst Benedikt XVI. hatte die nigerianische Bevölkerung vor diesem Hintergrund zum Einsatz für Demokratie und Frieden aufgerufen. In seinem Schreiben an den nigerianischen Präsidenten Goodluck Jonathan heißt es, das Ziel müsse eine gerechte Gesetzgebung und eine umfassende Entwicklung des Landes sein. Der Papst weist damit auf die prekäre Lage hin, die besonders die arme Bevölkerung im parlamentarisch unabhängigen Nigeria betrifft. Ernst Sagemüller ist Berater der nigerianischen Bischofskonferenz. 50 Jahre Unabhängigkeit - das ist für ihn eine Paradoxie.

„Nigeria ist theoretisch unabhängig, aber de facto natürlich noch nicht, weil Fremdgelder hier vieles bestimmen. Ein Beispiel: Das gesamte Elektrizitätsnetz funktioniert nicht. Täglich haben wir bis zu sieben Stunden Stromsperren, dann muss der Generator angeworfen werden. Dieser aber gehört einer starken Lobby, die von England und über China gesteuert wird.“

Wirtschaftsmächte aus aller Welt haben in Nigeria großen Einfluss. Das liegt vor allem daran, dass die Regierung korrupt ist. Was wo und warum in Nigeria politisch vorgeht, weiß keiner so genau, meint Sagemüller. Im Februar 2011 stehen in dem westafrikanischen Land wieder Wahlen an. Neben dem amtierenden Präsidenten bewerben sich auch zwei ehemalige Diktatoren. Zu regeln gäbe es viel. Den alten Konflikt zwischen dem Norden und Süden des Landes, zwischen der jeweils christlichen und islamischen Mehrheit etwa. Bis heute sind die Kämpfe nicht ausgetragen und auch nicht immer richtig verstanden worden, sagt Ernst Sagemüller.

"Viele von den Medien als religiös gekennzeichnete Konflikte sind in Wirklichkeit keine religiösen Konflikte, sondern Rassen- oder Landkonflikte. Die Engländer haben keine Urkunden darüber ausgestellt, wem welche Parzelle Land gehört. Die Viehherdentreiber lassen ihre Herden einfach quer über die Äcker stampfen. Die Äcker gehören nämlich meistens den Christen, welcher Schattierung auch immer, und die Herdenmänner sind meistens Muslime."

Und so entsteht ein Kreislauf der Vergeltung. Die Zahl der religiösen Gruppen in Nigeria ist so hoch, dass man sie einzeln gar nicht mehr definieren kann. Neben den christlichen Kirchen und dem Islam gibt es unzählige Neugründungen wie die afrikanischen Pfingstkirchen, die regelmäßig zum Kreuzzug aufrufen. Besonders Sekten machen die religiöse Unruhe bis heute komplett.

"Die bestorganisierte Struktur im kirchlichen Bereich ist in der Tat die katholische Kirche, weil sie einfach ein übergreifendes Werk hat, und die tun da gute und versöhnliche Dinge. Die Priester können ohne Bodyguards in jeden Teil des Landes fahren, weil die sagen "Father, thank you for making peace last year here". Allen anderen traut man nicht."

50 Jahre Unabhängigkeit in Nigeria - das ist ein Prozess, der in Zukunft noch zu Ende gebracht werden muss. Bis heute fehlt den Nigerianern noch das Bewusstsein, dass Freiheit auch einheitlich gelebt werden muss.

"Das erste was sie brauchen ist politische Stabilität, die demokratische Strukturen entwickelt und garantiert. Das zweite ist eine Reduzierung der mafiösen und korrupten Strukturen. Drittens die gerechtere Verteilung der unendlichen Ressourcen . Das Vierte wäre vielleicht eine spirituelle Filterung."
(rv 02.10.2010 jv)








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