2010-09-30 13:06:40

Afrika: Die Dunkelziffer ist groß


Das Thema Sklaverei ist keines, das mit den geschlossenen Buchdeckeln von Onkel Toms Hütte oder Spartakus zur Seite gelegt werden kann. Sklaverei gibt es noch. Und die wehrlosen Opfer der Unterdrückung sind allzu häufig Kinder. Die Zahl der Kindersklaven geht in mehrere Millionen – die Dunkelziffer ist groß. Das Phänomen der Zwangsarbeit bei Kindern gibt es weltweit. In Afrika betrifft es besonders die Waisenkinder von HIV-Infizierten. Im Senegal, an der Elfenbeinküste, in Nigeria, Tschad oder Kenia – das Problem der weitergereichten Kinder, die zur Arbeit gezwungen werden, erstreckt sich über den Kontinent. Anne Preckel berichtet.
Als seien Kinder nicht genug gestraft, wenn sie ihre Eltern verlieren. In Wirklichkeit fängt in vielen Teilen Afrikas das Leiden von Waisenkindern bei den Adoptiveltern erst richtig an. Selbst wenn es die eigenen Onkel(s) und Tanten sind, die das Kind aufnehmen – oft können auch die ihren neuen Zöglingen nichts als Armut bieten. Stefanie Frels vom Kindermissionswerk „Die Sternsinger“:

„Es ist ja ein Irrglaube zu hoffen, dass da wo vier Kinder schon nicht satt werden, dass da noch ein fünftes und ein sechstes satt wird, geschweige denn es geht zur Schule. Ich denke, diese Familien nehmen die Kinder zwar oft, zum einen aus sozialer Verpflichtung heraus. Zum anderen gibt es dann auch welche, die sagen „Wir nehmen das zwar mit, das Kind, aber wir wollen auch etwas dafür haben... oder wir wollen etwas davon haben.“

Am besten Bares. Denn die eigene Not ist doch den meisten am Nächsten. Etwas tun, aber es nicht tun können – das ist ein falsch verstandenes Hilfebedürfnis, sagt Stefanie Frels. Gegen Geld vom Staat versprechen die neuen Eltern diesem eine Schulbildung und ein gutes Leben für das Kind – eingehalten wird davon selten etwas. Der Alltag der Adoptivkinder sieht ganz anders aus.

„Im günstigsten Fall Haushaltsarbeit. Das heisst, die ersetzen die Kinderfrau, die Putzhilfe. Die stehen morgens vor allen auf, putzen, kochen, kümmern sich um das Baby. Also niemand hat ein schlechtes gewissen, wenn er morgens um fünf eine sechsjährige das Holz oder Wasser holen lässt. Im schlechtesten Fall müssen sie eben außerhalb des Haushaltes arbeiten, in der eigenen Landwirtschaft oder eben auf Großfarmen, Kaffee-, Teeplantagen, Blumenplantagen und dann eben im Bereich der Prostitution.“

Die Crux an der Sache mit der Adoption: Gerade die finanzielle Unterstützung vom Staat für Adoptiveltern, damit es den Kindern dort besser geht, macht das Problem größer. In Kenya und Südafrika zum Beispiel kriegen Adoptiv- oder Pflegeeltern Geld vom Staat dafür, dass sie ein Kind aufnehmen. Die Beträge sind gestaffelt nach: Halbwaisenkind, Vollweisenkind und Waisenkind mit HIV-positiv. Eine sichere Geldquelle. Die Verlockung zum Missbrauch ist groß. Hilfsorganisationen, wie das Kindermissionswerk, übernehmen das, was den staatlichen Institutionen fehlt: Die Arbeit mit und bei den Menschen.

„Programme, die diese Adoptivfamilien finanziell unterstützen sind ganz wichtig. Parallel zu der finanziellen Unterstützung muss es eben auch eine soziale Komponente geben. Zum einen um eine gewisse Kontrolle auszuüben, zu sehen, dass die Kinder adäquat versorgt werden. Zum anderen aber auch um diesen Familien eine gewisse Unterstützung zu bieten, wie sie mit den Kindern umzugehen haben. Denn das sind ja zum Teil schwer traumatisierte Kinder.“

Schliesslich ist nicht immer der Tod der eigenen Eltern Schuld. Erwachsene kaufen auch Kinder von noch lebenden Eltern, damit die den Broterwerb der Familie übernehmen können. Eine Kosten-Nutzen-Frage. Die Ware: Das Kind. Beamte zur Kontrolle – wie in Europa in den Jugendämtern – fehlen. Es sind zu wenige, zu schlecht bezahlt. Die Zeit der Staatsbeamten gehört oftmals dem Nebenerwerb. Eine offizielle Adoption ist zwar auch in afrikanischen Ländern ein bürokratischer Akt. Aber eben nicht korruptionsfrei, sagt Stefanie Frels.

„Das heißt, die Menschen, die sich ein Kind aneignen wollen, um davon finanziell zu profitieren, die müssen eigentlich nur an geeigneter Stelle hier und da ein bisschen Geld hinterlassen. Und das ist wirklich nicht viel, wir reden von keinen großen Summen. Und dann gehört ihnen das Kind. Und umgekehrt wehrt sich das Kind nicht, weil sie froh sind, dass sie irgendwo Anschluss haben.“
 
(rv 30.09.2010 jv







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