Das Thema Sklaverei ist keines, das mit den geschlossenen Buchdeckeln von Onkel Toms
Hütte oder Spartakus zur Seite gelegt werden kann. Sklaverei gibt es noch. Und die
wehrlosen Opfer der Unterdrückung sind allzu häufig Kinder. Die Zahl der Kindersklaven
geht in mehrere Millionen – die Dunkelziffer ist groß. Das Phänomen der Zwangsarbeit
bei Kindern gibt es weltweit. In Afrika betrifft es besonders die Waisenkinder von
HIV-Infizierten. Im Senegal, an der Elfenbeinküste, in Nigeria, Tschad oder Kenia
– das Problem der weitergereichten Kinder, die zur Arbeit gezwungen werden, erstreckt
sich über den Kontinent. Anne Preckel berichtet. Als seien Kinder nicht genug gestraft,
wenn sie ihre Eltern verlieren. In Wirklichkeit fängt in vielen Teilen Afrikas das
Leiden von Waisenkindern bei den Adoptiveltern erst richtig an. Selbst wenn es die
eigenen Onkel(s) und Tanten sind, die das Kind aufnehmen – oft können auch die ihren
neuen Zöglingen nichts als Armut bieten. Stefanie Frels vom Kindermissionswerk „Die
Sternsinger“:
„Es ist ja ein Irrglaube zu hoffen, dass da wo vier Kinder
schon nicht satt werden, dass da noch ein fünftes und ein sechstes satt wird, geschweige
denn es geht zur Schule. Ich denke, diese Familien nehmen die Kinder zwar oft, zum
einen aus sozialer Verpflichtung heraus. Zum anderen gibt es dann auch welche, die
sagen „Wir nehmen das zwar mit, das Kind, aber wir wollen auch etwas dafür haben...
oder wir wollen etwas davon haben.“
Am besten Bares. Denn die eigene Not
ist doch den meisten am Nächsten. Etwas tun, aber es nicht tun können – das ist ein
falsch verstandenes Hilfebedürfnis, sagt Stefanie Frels. Gegen Geld vom Staat versprechen
die neuen Eltern diesem eine Schulbildung und ein gutes Leben für das Kind – eingehalten
wird davon selten etwas. Der Alltag der Adoptivkinder sieht ganz anders aus.
„Im
günstigsten Fall Haushaltsarbeit. Das heisst, die ersetzen die Kinderfrau, die Putzhilfe.
Die stehen morgens vor allen auf, putzen, kochen, kümmern sich um das Baby. Also niemand
hat ein schlechtes gewissen, wenn er morgens um fünf eine sechsjährige das Holz oder
Wasser holen lässt. Im schlechtesten Fall müssen sie eben außerhalb des Haushaltes
arbeiten, in der eigenen Landwirtschaft oder eben auf Großfarmen, Kaffee-, Teeplantagen,
Blumenplantagen und dann eben im Bereich der Prostitution.“
Die Crux an
der Sache mit der Adoption: Gerade die finanzielle Unterstützung vom Staat für Adoptiveltern,
damit es den Kindern dort besser geht, macht das Problem größer. In Kenya und Südafrika
zum Beispiel kriegen Adoptiv- oder Pflegeeltern Geld vom Staat dafür, dass sie ein
Kind aufnehmen. Die Beträge sind gestaffelt nach: Halbwaisenkind, Vollweisenkind und
Waisenkind mit HIV-positiv. Eine sichere Geldquelle. Die Verlockung zum Missbrauch
ist groß. Hilfsorganisationen, wie das Kindermissionswerk, übernehmen das, was den
staatlichen Institutionen fehlt: Die Arbeit mit und bei den Menschen.
„Programme,
die diese Adoptivfamilien finanziell unterstützen sind ganz wichtig. Parallel zu der
finanziellen Unterstützung muss es eben auch eine soziale Komponente geben. Zum einen
um eine gewisse Kontrolle auszuüben, zu sehen, dass die Kinder adäquat versorgt werden.
Zum anderen aber auch um diesen Familien eine gewisse Unterstützung zu bieten, wie
sie mit den Kindern umzugehen haben. Denn das sind ja zum Teil schwer traumatisierte
Kinder.“
Schliesslich ist nicht immer der Tod der eigenen Eltern Schuld.
Erwachsene kaufen auch Kinder von noch lebenden Eltern, damit die den Broterwerb der
Familie übernehmen können. Eine Kosten-Nutzen-Frage. Die Ware: Das Kind. Beamte zur
Kontrolle – wie in Europa in den Jugendämtern – fehlen. Es sind zu wenige, zu schlecht
bezahlt. Die Zeit der Staatsbeamten gehört oftmals dem Nebenerwerb. Eine offizielle
Adoption ist zwar auch in afrikanischen Ländern ein bürokratischer Akt. Aber eben
nicht korruptionsfrei, sagt Stefanie Frels.
„Das heißt, die Menschen,
die sich ein Kind aneignen wollen, um davon finanziell zu profitieren, die müssen
eigentlich nur an geeigneter Stelle hier und da ein bisschen Geld hinterlassen. Und
das ist wirklich nicht viel, wir reden von keinen großen Summen. Und dann gehört ihnen
das Kind. Und umgekehrt wehrt sich das Kind nicht, weil sie froh sind, dass sie irgendwo
Anschluss haben.“ (rv 30.09.2010 jv)