Nahost-Synode: Neue Hoffnung für Christen im Orient?
Einen neuen Aufbruch für das Christentum im Nahen Osten erhofft sich der aus Kairo
stammende und in Rom und Beirut lehrende Jesuit und Islamwissenschaftler P. Samir
Khalil Samir von der anstehenden Nahost-Synode in Rom. Auf Einladung von Papst Benedikt
XVI. werden vom 10. bis 24. Oktober Delegierte der sieben katholischen Kirchen des
Orients zusammenkommen: Geladen sind Vertreter des lateinischen Patriarchats von Jerusalem,
der chaldäisch-katholischen Kirche, der koptisch-katholischen Kirche, der Maronitischen
Kirche, der syrisch-katholischen Kirche, der melkitischen griechisch-katholischen
Kirche sowie der armenisch-katholischen Kirche.
Zusätzlich werden auch Beobachter
der nicht-katholischen Kirchen des Nahen Ostens sowie auch einige Vertreter von Islam
und Judentum an den Beratungen teilnehmen. Insgesamt werde die Synode rund 230 Delegierte
umfassen, so P. Samir, der federführend an der inhaltlichen Vorbereitung der Synode
beteiligt war.
P. Samir war Hauptreferent und Ehrengast der Jahrestagung der
"Initiative Christlicher Orient" (ICO) am Montag und Dienstag in Salzburg. Im Gespräch
mit "Kathpress" wies er auf die dramatische Situation für die Christen im Nahen Osten
hin, für die es um "Sein oder Nicht-Sein" gehe. Schon im Vorbereitungspapier ("Lineamenta")
zur Synode, das im Jänner 2010 veröffentlicht (und von P. Samir redaktionell verantwortet)
wurde, sind die drängendsten Fragen für die Kirchen im Nahen Osten angeführt, so etwa
die mangelnde Religionsfreiheit, ein wachsender islamischer Fundamentalismus und die
anhaltende Auswanderung der Christen. Zugleich bekräftigt das Dokument den Willen
zu einer stärkeren ökumenischen Zusammenarbeit sowie zur Zusammenarbeit mit moderaten
Muslimen.
Nach zahlreichen Kommentaren aus den Ostkirchen, die von P. Samir
und seinem Team eingearbeitet wurden, veröffentlichte Papst Benedikt XVI. im Juni
im Rahmen seiner Zypern-Reise schließlich das Arbeitspapier ("Instrumentum Laboris"),
das die in den Lineamenta angesprochenen Themen vertieft und als Arbeitsgrundlage
für die Beratungen der Synode dient. Das Motto der Synode lautet: "Die Katholische
Kirche im nahen Osten: Gemeinschaft und Zeugnis. Die Gemeinde der Gläubigen war ein
Herz und eine Seele. (Apg 4,32)"
"Gemeinsam am Frieden bauen"
Der
Exodus der Christen aus dem Nahen Osten müsse endlich gestoppt werden, sonst sei das
Christentum in 50 Jahren so gut wie ganz verschwunden, schlug P. Samir Alarm. Dazu
brauche es aber endlich Frieden. Dabei sei klar, dass es ohne eine Lösung des Konflikts
zwischen Israel und Palästina in der gesamten Region des Nahen Ostens keinen Frieden
geben werde. P. Samir: "Alle zusammen, Christen, Muslime und Juden, müssen wir am
Frieden bauen, denn der Friede ist die Grundvoraussetzung für jede Entwicklung."
Der
Jesuit kritisierte weiters, dass es - mit bedingter Ausnahme im Libanon - keine wirklich
demokratischen politischen Systeme und auch keine Religionsfreiheit in der Region
gebe: "Dass ich meine Religion frei wählen und auch ändern kann, ist ein grundlegendes
Menschenrecht, das in islamischen Ländern aber nicht gegeben ist." Zudem sei seit
Mitte der 1970er Jahre eine deutliche Radikalisierung des Islam zu beobachten. Die
Folge: Christen seien vielfältigen Diskriminierungen und auch Verfolgungen ausgesetzt.
Vor allem die Jugend habe keinerlei Perspektiven im eigenen Land. Da die Christen
in der Regel ein höheres Bildungsniveau als die Muslime hätten und vielfach auch Verwandte
im Westen, sei die Auswanderung ein logischer Schritt.
Die Situation sei dramatisch,
die Lösungsmöglichkeiten begrenzt, so Samir: "Wir können uns in ein christliches Ghetto
zurückziehen. Dann werden wir sterben, wenn auch langsam; oder wir wandern aus in
den Westen - oder aber: Wir bleiben und versuchen dieses Bleiben als Mission, als
Dienst an den anderen zu begreifen."
Kooperation der Kirchen verstärken
Die
Kirchen könnten es sich dabei nicht länger leisten, konfessionell getrennte Wege zu
gehen, betonte P. Samir. Eine verstärkte Zusammenarbeit, etwa in pastoralen Angelegenheit
sei zunächst zwischen den katholischen Ostkirchen, in einem zweiten Schritt auch darüber
hinaus zwischen allen christlichen Kirchen notwendig. Samir: "Wir wollen zusammen
Christen sein für andere."
Einen Schlüssel für die Zukunft der Christen im
Nahen Osten sieht P. Samir in der Hebung des allgemeinen Bildungsniveaus. Hier komme
den Christen eine wichtige Rolle zu. Eigene konfessionelle Eliteschulen, auch wenn
sie für andere Konfessionen und Religionen grundsätzlich offen stünden, würden aber
nicht ausreichen. Es gelte vielmehr, gemeinsam mit Muslimen Bildungsprogramme für
die breite Masse umzusetzen. Selbiges gelte auch für das Gesundheitswesen. P. Samir:
"Wir brauchen Schulen und Krankenhäuser, nicht nur für uns Christen sondern für alle
Menschen."
Die kommende Synode verstehe er in diesem Sinn auch nicht als Projekt,
um Wege zum Überleben aufzuzeigen, sondern um "voll zu leben". Er hoffe, das auch
gut gewillte Muslime diese Botschaft der Synode hören werden und zur Zusammenarbeit
mit den Christen bereit seien.
Schlüsselrolle der europäischen Muslime
Eine
Schlüsselrolle kommt laut P. Samir den Muslimen in Europa zu. Es müsse gelingen, die
westliche Kultur, die sich etwa in den Menschenrechten ausdrücke, mit dem islamischen
Glauben zu harmonisieren. Dies könnte dann Vorbild für die muslimische Welt sein.
Freilich sei das ein langer Prozess, räumte der Jesuit ein und sprach von vielen Jahrzehnten.
Persönlich kenne er aber eine Reihe von Muslimen, die versuchten, "ein guter Muslim
und zugleich ein guter Europäer zu sein". Der Islam brauche eine spirituelle Interpretation,
so P. Samir: "Die Menschen sehen sich nach Spiritualität und Freiheit."
P.
Samir wurde 1938 in Kairo geboren und trat 1955 in den Jesuitenorden ein. Er ist Professor
am Päpstlichen Orientalischen Institut in Rom und an der St. Joseph Universität in
Beirut. Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Tätigkeit sind die Beziehungen zwischen
Christentum und Islam und die Erforschung der christlichen arabischen Literatur im
von ihm begründeten Forschungs- und Dokumentationsarchiv CEDRAC in Beirut.
Winkler:
Kooperation der Kirchen an der Basis
Zu P. Samirs Mitarbeitern bei der
Redaktion der Synoden-Vorbereitungspapiere gehörte auch der Salzburger Kirchenhistoriker
und Ostkirchenexperte Prof. Dietmar Winkler. Er wird auch als Experte an der Nahost-Synode
teilnehmen. Im Gespräch mit "Kathpress" zeigte sich Winkler zuversichtlich, dass es
auf der Synode gelingen werden, bei den einzelnen Kirchen das Bewusstsein zu schärfen,
dass eine stärkere Zusammenarbeit dringend notwendig ist. Das wäre schon ein großer
Erfolg für die 14-tägigen Beratungen. Diese Zusammenarbeit dürfe freilich nicht auf
gelegentliche freundschaftliche Zusammentreffen zwischen Bischöfen und Patriarchen
beschränkt bleiben sondern müsse sich vor allem auch an der Basis in den Pfarren realisieren.
Als
mögliche Kooperationsfelder nannte Winkler u.a. die Ausbildung der Kleriker, den Religionsunterricht
oder auch die Erarbeitung von christlicher arabischer Literatur, die den christlichen
Glauben leicht verständlich auch für Muslime darstellt.
Die bedrohte Situation
der christlichen Kirchen im Orient werde im Westen immer noch viel zu wenig wahrgenommen,
bemängelte Winkler. Er erhoffe sich von der Synode deshalb auch mehr öffentliche Aufmerksamkeit
für das orientalische Christentum.
Dabei sei die Situation in den einzelnen
Ländern durchaus unterschiedlich. Im Libanon seien die Christen durch ein verfassungsrechtlich
garantiertes Proporzsystem in einer eher guten Position, auch in Syrien könne sich
das kirchliche Leben relativ frei gestalten. Sehr schwer seien hingegen die Lebensbedingungen
für die christlichen Araber in Israel und Palästina und katastrophal stelle sich -
gesamt gesehen - die Situation der Christen im Irak dar.
Doch nicht nur die
politischen und wirtschaftlichen Bedingungen, unter denen Christen leben müssten,
seien sehr unterschiedlich, dies treffe auch auf die Beziehungen zwischen den einzelnen
Kirchen zu. So gebe es beispielsweise zwischen der syrisch-orthodoxen und der katholischen
Kirche recht gute Beziehungen, wesentlich schlechter sei hingegen das Verhältnis zwischen
der koptischen und der koptisch-katholischen Kirche in Ägypten.
Prof. Winkler
teilte im "Kathpress"-Gespräch P. Samirs Befund, dass das Christentum in 50 Jahren
im Orient so gut wie verschwunden sein wird. Wenn die derzeitige Entwicklung sich
so fortsetze, sei dies ein realistisches Szenario. Noch sei es aber nicht zu spät,
der Entwicklung eine andere Richtung zu geben.
(Kathpress-Hintergrundbericht
von Georg Pulling 28.09.2010)