Mit kurzer Hose in die Basilika von Altötting oder Mariazell? Nein, davon hält der
Papst nicht so viel. Das wird in einem Brief zum Thema Wallfahrt deutlich, den er
an diesem Montag veröffentlicht hat. Er richtet sich an Wallfahrts-Seelsorger, die
sich ab diesem Montag in Santiago de Compostela treffen.
Man solle doch bitte
dafür Sorge tragen, „dass die Besucher nie vergessen, dass Wallfahrtsorte heilige
Orte sind, damit sie sie mit Ehrfurcht, Respekt und Anstand betreten“, so Papst Benedikt.
Das ist deutlich. Und später fällt im gleichen Text, glücklicherweise in anderem Zusammenhang,
eine etwas harte Formulierung: „Tatsächlich hat der Pilger im Unterschied zum Vagabunden,
dessen Schritte kein bestimmtes endgültiges Ziel haben, immer ein Ziel, auch wenn
er sich dessen manchmal nicht bewusst sein mag.“ Das ist ein klares päpstliches Machtwort
gegen Touristen, die gerne auch mal mit einem Eis in der Hand schnell in den römischen
Petersdom hineinlaufen würden. Immerhin erwähnt Benedikt aber auch die Anziehungskraft
heiliger Stätten auf „religiöse Touristen, von denen sich einige nicht selten in einer
schwierigen menschlichen und spirituellen Situation befinden, einer gelebten Glaubenspraxis
fern stehen und ein schwach ausgeprägtes Zugehörigkeitsgefühl zur Kirche haben“. An
sie alle wende sich Christus „voll Liebe und Hoffnung“. Tenor des Briefes bleibt dennoch:
Wallfahrtsorte gehören in erster Linie den Wallfahrern. Schließlich müsse doch „auch
der Pilger die Möglichkeit haben, den Herrn an den heiligen Stätten zu entdecken“.
Ohne dass ihm lauter Touristen in kurzen Hosen die Sicht versperren...
(rv
27.09.2010 sk)
Hier dokumentieren wir den Brief von Papst Benedikt in vollem
deutschem Wortlaut.
An die ehrwürdigen Brüder, Msgr. Antonio Maria Vegliò, Präsident
des Päpstlichen Rates der Seelsorge für Migranten und Menschen unterwegs, und
Msgr. Julián Barrio Barrio, Erzbischof von Santiago de Compostela
Aus Anlass
des Zweiten Weltkongresses der Wallfahrtsseelsorge und der Seelsorge an Wallfahrtsorten,
der vom 27. bis 30. September in Santiago de Compostela stattfindet, möchte ich Sie
alle herzlich grüßen. Ich grüße die ehrwürdigen Brüder im Bischofsamt, die Mitglieder
der ökumenischen Delegation, die Teilnehmer dieser wichtigen Tagung wie auch die zivilen
Autoritäten, die an der Vorbereitung des Kongresses mitgearbeitet haben. Mein ehrerbietiger
Gruß geht auch an Seine Majestät, den König von Spanien, der diese Initiative geehrt
hat, indem er den Ehrenvorsitz des Kongresses angenommen hat. Unter dem Thema:
«Da ging er mit hinein, um bei ihnen zu bleiben» (Lk 24,29), nach einem Auszug aus
dem Evangelium von den Emmausjüngern, bereiten Sie sich vor, die Bedeutung von Wallfahrten
zu heiligen Stätten als Äußerungen christlichen Lebens und Räumen der Evangelisierung
zu vertiefen. Mit Freude versichere ich die Kongressteilnehmer meiner geistlichen
Nähe, mit der ich sie in ihrer für das kirchliche Leben so wichtigen seelsorglichen
Tätigkeit anspornen und begleiten möchte. Ich selbst werde demnächst zum Grab des
Apostels Jakob, den "Freund des Herrn", pilgern. Bereits in Vergangenheit haben mich
meine Schritte immer wieder an Orte der Welt geleitet, zu denen die Gläubigen in großer
Zahl mit inbrünstiger Verehrung strömen. In dieser Beziehung war es seit Beginn meines
Pontifikats mein Wunsch, mein Amt als Nachfolger Petri mit der Einstellung eines Pilgers
zu erfüllen, der mit Hoffnung und Einfachheit auf den Wegen der Welt, mit der Heilsbotschaft
des Auferstandenen Christus auf den Lippen und im Herzen, unterwegs ist und seine
Brüder im Glauben festigt (vgl. Lk 22,32). Als nachdrückliches Zeichen für dieses
Sendungsverständnis ist auf meinem Wappen die Pilgermuschel abgebildet. In unserer
Zeit, in der wir, mehr denn je, aufgerufen sind, die Welt zu evangelisieren, kann
der Reichtum, der aus Wallfahrten zu heiligen Stätten erwächst, nicht genug betont
werden. An erster Stelle wegen ihrer großen Anziehungskraft, die sie auf eine wachsende
Zahl von Gläubigen und religiösen Touristen ausüben, von denen sich einige nicht selten
in einer schwierigen menschlichen und spirituellen Situation befinden, einer gelebten
Glaubenspraxis fern stehen und ein schwach ausgeprägtes Zugehörigkeitsgefühl zur Kirche
haben. An sie alle wendet sich Christus voll Liebe und Hoffnung. Der Wunsch nach Glück,
der in der Seele des Menschen wohnt, findet in ihm eine Antwort, mit ihm erhält das
menschliche Leiden einen Sinn. Mit seiner Gnade lassen sich auch die edelsten Absichten
verwirklichen. So wie Simeon Christus im Tempel begegnete (vgl. Lk 2,25-35), muss
auch der Pilger die Möglichkeit haben, den Herrn an den heiligen Stätten zu entdecken. Zu
diesem Zweck soll dafür Sorge getragen werden, dass die Besucher nie vergessen, dass
Wallfahrtsorte heilige Orte sind, damit sie sie mit Ehrfurcht, Respekt und Anstand
betreten. In dieser Weise kann das Wort Christi, des lebendigen Sohnes Gottes, in Klarheit erklingen und die Geschichte von seinem Tod und von
seiner Auferstehung, dem Fundament unseres Glaubens, in seiner ganzen Fülle verkündet
werden. Besondere Sorge muss andererseits der Aufnahme der Pilger gewidmet werden,
wobei, unter anderem, die Würde und Schönheit des Heiligtums als Abbild der "Wohnung
Gottes unter den Menschen" (Offb 21,3) betont werden sollte; weiter den individuellen
und gemeinschaftlichen Zeiten und Orten des Gebets sowie den
Frömmigkeitsformen. Gleicherweise wird man nie genug betonen können, dass die Wallfahrtsorte
Leuchttürme der Nächstenliebe sein sollen, indem sie sich durch konkrete Werke der
Solidarität und Barmherzigkeit und die ständige Bereitschaft zum Zuhören hingebungsvoll
der Schwächsten annehmen, dass man ganz besonders dafür sorgen soll, dass die Gläubigen
das Sakrament der Versöhnung empfangen und in würdevoller Weise an der Eucharistiefeier
teilnehmen können, welche Mittelpunkt und Höhepunkt der gesamten Seelsorgetätigkeit
an einem Wallfahrtsort ist. So wird in augenfälliger Weise sichtbar werden, dass die
Eucharistie nicht nur Nahrung des Pilgers ist, sondern auch ein "Sakrament
Gottes, der uns auf dem Weg nicht allein lässt, sondern sich an unsere Seite stellt
und uns die Richtung weist" (Homilie zum Fronleichnamsfest, 22. Mai 2008). Tatsächlich
hat der Pilger im Unterschied zum Vagabunden, dessen Schritte kein bestimmtes endgültiges
Ziel haben, immer ein Ziel, auch wenn er sich dessen manchmal nicht bewusst sein mag.
Und dieses Ziel ist kein anderes, als Gott durch Christus zu begegnen, in dem all
unsere Sehnsüchte eine Antwort finden. Daher kann die Eucharistie zu Recht als Höhepunkt
der Wallfahrt betrachtet werden. Als "Gottes Mitarbeiter" (1 Kor 3,9)
ermuntere ich Sie alle, die sich dieser schönen Aufgabe widmen, mit ihrer seelsorglichen
Arbeit bei den Pilgern die Kenntnis und Nachahmung Christi zu fördern, der heute wie
gestern an unserer Seite geht, mit seinem Wort unser Leben erhellt und in
der Eucharistie mit uns das Brot des Lebens teilt. In dieser Weise werden die Wallfahrten
zu heiligen Stätten zu einer guten Gelegenheit, um bei den Besuchern den Wunsch zu
stärken, mit anderen die wunderbare Erfahrung zu teilen, sich von Gott geliebt zu
wissen und als Botschafter dieser Liebe in der Welt zu wirken. Mit diesen Gefühlen
vertraue ich die Früchte dieses Kongresses der Fürsprache der Heiligsten Jungfrau
Maria und dem Apostel Jakob an und bete zu Jesus Christus,
«Weg, Wahrheit und Leben» (Joh 14,6), dem ich alle anheim gebe, die sich auf der Pilgerschaft
des Lebens befinden und auf der Suche nach seinem Antlitz sind:
Herr Jesus
Christus, Pilger von Emmaus, der du aus Liebe mit uns unseren Weg gehst, auch
wenn wir aus Niedergeschlagenheit und Trauer manchmal nicht erkennen, dass du bei
uns bist. Du bist der Ruf, der unseren Glauben belebt. Du bist das Licht, das
unsere Hoffnung reinigt. Du bist die Kraft, die unsere Liebe entzündet. Lehre
uns, dich zu erkennen im Wort, im Haus und am Tisch, wo das Brot des Lebens geteilt
wird, wie im großherzigen Dienst am leidenden Menschen. Und wenn es dunkel wird,
Herr, hilf uns zu sagen: "Bleib bei uns". Amen.
Von Herzen erteile ich allen
den erbetenen Apostolischen Segen als Unterpfand reicher himmlischer Gnaden.