2010-09-25 12:13:43

Dialog von Wien: Experte gegen zu hohe Erwartungen


RealAudioMP3 Vor zu hohen Erwartungen an den aktuellen katholisch-orthodoxen Dialog hat der Münsteraner Ostkirchen- und Ökumene-Experte Thomas Bremer gewarnt. Die Delegierten zur zwölften Vollversammlung der katholisch-orthodoxen Dialogkonferenz ringen derzeit im Wiener Kardinal König-Haus um eine gemeinsame Darstellung der Position des Papstes in der ungeteilten Kirche im ersten Jahrtausend. Zahlreiche Dokumente aus dem ersten Jahrtausend seien vorhanden, würden von Ost- und Westkirche aber unterschiedlich gedeutet, meinte Bremer dazu im Gespräch mit „kathpress“. Die orthodoxe Kirche gehe zwar auch - wie die katholische Kirche - davon aus, dass dem Bischof von Rom (Papst) eine Art „Ehrenprimat“ zugekommen war und er darüber hinaus zuweilen Appellationsinstanz in strittigen Fragen auch für die Ostkirchen war. Juristische Vollmachten seien damit aber nicht verbunden gewesen. Von römisch-katholischer Seite werde hingegen die Appellationsinstanz auch in Richtung juristischer Vollmachten gedeutet.

Klar sei, dass der Primatsanspruch des Bischofs von Rom im Verlauf des ersten Jahrtausends an Bedeutung zugenommen habe. Dabei hatte der Papst aber zu keiner Zeit jene Position in der Gesamtkirche inne, die er heute in der römisch-katholischen Kirche einnimmt. Die strittige Frage rund um das Papstamt bewege sich letztlich im Spannungsfeld zweier Pole. Auf der einen Seite stehe das Prinzip der bischöflichen Kollegialität und Synodalität, auf der anderen das Prinzip des Primats, das davon ausgeht, dass es in jedem Kollegium auch einen Vorsitzenden mit Vorrangstellung geben muss. Erstes Prinzip werde von der Orthodoxie stärker betont, zweites von der katholischen Kirche. Die entscheidende Frage sei, so Bremer, ob sich orthodoxe und katholische Seite auf eine vermittelnde Position einigen können.

Schon auf der Vollversammlung der Dialogkonferenz in Ravenna 2007 hatte die orthodoxe Seite anerkannt, dass der Primas auf der universalen Ebene der Kirche gemäß altkirchlicher Tradition der Bischof von Rom ist. Die katholische Seite stimmte andererseits zu, dass das Prinzip des Primats immer mit dem synodalen Prinzip verbunden ist, eine Autonomie der Teilkirchen also gewahrt bleibt. Bremer warnte allerdings davor, das Ravenna-Dokument zu hoch zu bewerten. Es bedeute nicht, dass die Orthodoxie damit auch nur annähernd das Papstamt in seiner heutigen Form anerkannt habe. Außerdem gebe es auch innerhalb der Orthodoxie Spannungen und Widerstände gegen die Ökumene.

Ein weiteres gravierendes Problem im katholisch-orthodoxen Dialog bedeute – vor allem seit dem Fall der Berliner Mauer vor zwanzig Jahren – die Existenz der katholischen (unierten) Ostkirchen. Einerseits seien sich alle Orthodoxen einig, dass die Union kein rechtmäßiges Mittel sein kann. Andererseits seien die verschiedenen Kirchen aber unterschiedlich davon betroffen. Das größte Konfliktpotenzial gebe es in der Ukraine und in Rumänien. Im Nahen Osten hätte sich hingegen eine relativ unproblematische Beziehung zwischen der Orthodoxie und der griechisch-katholischen Kirche entwickelt. Die von mancher Seite geäußerte Ansicht, die unierten Ostkirchen könnten eine Art „Brückenfunktion“ zwischen West- und Ostkirche darstellen, hält Bremer für nicht realistisch. Für die katholische Kirche sei die Situation schwierig, weil Rom einerseits Wert auf die ökumenischen Beziehungen zur Orthodoxie legt, andererseits aber auch solidarisch zu den katholischen Ostchristen stehen wolle.

(kap 25.10.2o1o sk)







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