Dialog von Wien: Experte gegen zu hohe Erwartungen
Vor zu hohen Erwartungen
an den aktuellen katholisch-orthodoxen Dialog hat der Münsteraner Ostkirchen- und
Ökumene-Experte Thomas Bremer gewarnt. Die Delegierten zur zwölften Vollversammlung
der katholisch-orthodoxen Dialogkonferenz ringen derzeit im Wiener Kardinal König-Haus
um eine gemeinsame Darstellung der Position des Papstes in der ungeteilten Kirche
im ersten Jahrtausend. Zahlreiche Dokumente aus dem ersten Jahrtausend seien vorhanden,
würden von Ost- und Westkirche aber unterschiedlich gedeutet, meinte Bremer dazu im
Gespräch mit „kathpress“. Die orthodoxe Kirche gehe zwar auch - wie die katholische
Kirche - davon aus, dass dem Bischof von Rom (Papst) eine Art „Ehrenprimat“ zugekommen
war und er darüber hinaus zuweilen Appellationsinstanz in strittigen Fragen auch für
die Ostkirchen war. Juristische Vollmachten seien damit aber nicht verbunden gewesen.
Von römisch-katholischer Seite werde hingegen die Appellationsinstanz auch in Richtung
juristischer Vollmachten gedeutet.
Klar sei, dass der Primatsanspruch des
Bischofs von Rom im Verlauf des ersten Jahrtausends an Bedeutung zugenommen habe.
Dabei hatte der Papst aber zu keiner Zeit jene Position in der Gesamtkirche inne,
die er heute in der römisch-katholischen Kirche einnimmt. Die strittige Frage rund
um das Papstamt bewege sich letztlich im Spannungsfeld zweier Pole. Auf der einen
Seite stehe das Prinzip der bischöflichen Kollegialität und Synodalität, auf der anderen
das Prinzip des Primats, das davon ausgeht, dass es in jedem Kollegium auch einen
Vorsitzenden mit Vorrangstellung geben muss. Erstes Prinzip werde von der Orthodoxie
stärker betont, zweites von der katholischen Kirche. Die entscheidende Frage sei,
so Bremer, ob sich orthodoxe und katholische Seite auf eine vermittelnde Position
einigen können.
Schon auf der Vollversammlung der Dialogkonferenz in Ravenna
2007 hatte die orthodoxe Seite anerkannt, dass der Primas auf der universalen Ebene
der Kirche gemäß altkirchlicher Tradition der Bischof von Rom ist. Die katholische
Seite stimmte andererseits zu, dass das Prinzip des Primats immer mit dem synodalen
Prinzip verbunden ist, eine Autonomie der Teilkirchen also gewahrt bleibt. Bremer
warnte allerdings davor, das Ravenna-Dokument zu hoch zu bewerten. Es bedeute nicht,
dass die Orthodoxie damit auch nur annähernd das Papstamt in seiner heutigen Form
anerkannt habe. Außerdem gebe es auch innerhalb der Orthodoxie Spannungen und Widerstände
gegen die Ökumene.
Ein weiteres gravierendes Problem im katholisch-orthodoxen
Dialog bedeute – vor allem seit dem Fall der Berliner Mauer vor zwanzig Jahren – die
Existenz der katholischen (unierten) Ostkirchen. Einerseits seien sich alle Orthodoxen
einig, dass die Union kein rechtmäßiges Mittel sein kann. Andererseits seien die verschiedenen
Kirchen aber unterschiedlich davon betroffen. Das größte Konfliktpotenzial gebe es
in der Ukraine und in Rumänien. Im Nahen Osten hätte sich hingegen eine relativ unproblematische
Beziehung zwischen der Orthodoxie und der griechisch-katholischen Kirche entwickelt.
Die von mancher Seite geäußerte Ansicht, die unierten Ostkirchen könnten eine Art
„Brückenfunktion“ zwischen West- und Ostkirche darstellen, hält Bremer für nicht realistisch.
Für die katholische Kirche sei die Situation schwierig, weil Rom einerseits Wert auf
die ökumenischen Beziehungen zur Orthodoxie legt, andererseits aber auch solidarisch
zu den katholischen Ostchristen stehen wolle.