Eine positive Zwischenbilanz
ziehen die Teilnehmer der laufenden zwölften Dialogtagung der katholischen und der
orthodoxen Kirche in Wien. Es gebe eine große gegenseitige Lernbereitschaft unter
den Kirchen, so der Tenor einer Pressekonferenz mit Kardinal Christoph Schönborn,
Erzbischof Kurt Koch (der den erkrankten Leiter der katholischen Kommission, Kardinal
Walter Kasper, vertritt) sowie dem Leiter der orthodoxen Delegation, Metropolit Ioannis
(Zizoulas) von Pergamon. Gegenstand der noch bis Sonntag dauernden Tagung ist die
Frage, wie der Primat des Bischofs von Rom im ersten Jahrtausend, also vor der Trennung
von orthodoxer und katholischer Kirche, gelebt wurde. Diskutiert wird diese Frage
im Wiener Kardinal König-Haus von einer rund dreißigköpfigen Kommission für den theologischen
Dialog zwischen der katholischen und orthodoxen Kirche.
Auch wenn es noch
keine konkret fassbaren Ergebnisse gebe, so habe das Studium der historischen Quellen
bereits gezeigt, dass es in der Praxis tatsächlich eine gelebte Vorrangstellung Roms
unter den fünf klassischen Sitzen (Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien und Jerusalem)
im ersten Jahrtausend gegeben habe, wie dies das Dokument von Ravenna (2007) bereits
festgehalten habe. Erzbischof Koch und Metropolit Ioannis unterstrichen, dass die
Gespräche die unbedingte Zuordnung von Synodalität und dem Primat sichtbar gemacht
haben. „Es gibt keinen Ersten (protos) ohne das Prinzip der Synodalität und keine
Synodalität ohne den Ersten“, so Ioannis. Das Quellenstudium habe gezeigt, dass dieses
Prinzip der „Wechselseitigkeit von Primat und Synodalität“ tatsächlich im ersten Jahrtausend
zwischen den Kirchen gelebt wurde. Erzbischof Koch räumte zu dieser Frage ein, dass
die katholische Kirche ihre Stärke in der Ausfaltung des Primatsgedankens habe, die
Orthodoxie hingegen die Synodalität stärker hervorhebe. „Ich gebe zu, dass die katholische
Kirche bei der Synodalität Nachholbedarf hat“, so Koch. Ökumene bedeute jedoch immer
ein gegenseitiges Voneinander-Lernen.
Als wesentliche „Zukunftsfrage“ bezeichnete
Koch die Frage nach dem Modell der angestrebten kirchlichen Einheit. Dazu seien noch
weitere Klärungen gerade auf Seiten der zahlreichen autokephalen Kirchen notwendig.
„Wir werden einander offen sagen müssen, was wir uns für ein Modell an Kircheneinheit
vorstellen“. Dies könne jedoch nicht ein monolithisches Einheitsmodell sein, das über
bestehende kulturelle Unterschiede einfach hinwegsieht. Diese gelte es auch zukünftig
zu pflegen und als Bereicherung der Kirche zu verstehen, waren sich Koch und Ioannis
einig.
Ioannis räumte seinerseits ein, dass die Autokephalie bei der Suche
nach einem gemeinsamen Einheitsverständnis tatsächlich „ein Problem“ darstelle – „insbesondere,
wenn die Autokephalie mit nationalistischen Aspekten einhergeht“. Zuversichtlich zeigte
sich Ioannis in diesem Zusammenhang zur Frage nach einem gemeinsamen panorthodoxen
Konzil. „Ich bin froh, sagen zu können, dass wir gute Fortschritte in Richtung eines
solchen Konzils machen, und ich hoffe, dass wir sehr bald in der Lage sein werden,
ein solches einzuberufen.“ Zur Fortsetzung des Dialogs sagte Ioannis, dass man vermutlich
als nächstes den Fokus wieder stärker auf theologische Fragen legen werde. Er hoffe,
dass die nächste Vollversammlung der Kommission in zwei Jahren stattfinden werde.
Dies hänge jedoch nicht zuletzt von den Fortschritten und Ergebnissen der laufenden
Tagung ab. Ein abschließendes Dokument werde es voraussichtlich nicht geben, jedoch
ein gemeinsames Kommunique. - Die Dialogtagung endet am Wochenende mit zwei feierlichen
Gottesdiensten - zum einen am Samstag, 18 Uhr, mit einem Pontifikalamt im Wiener Stephansdom,
zum anderen am Sonntag, 10 Uhr, mit einem Gottesdienst in der griechisch-orthodoxen
Kathedrale am Fleischmarkt.