Österreich: Orthodoxe ringen um innerkirchliche Strukturfragen
In Wien ringen seit
Montag die Mitglieder der katholisch-orthodoxen Dialogkommission auf ihrer nunmehr
bereits zwölften Vollversammlung über ein gemeinsames Verständnis des Papstamtes,
wie es im ersten Jahrtausend vorhanden war. Die vorangegangenen Vollversammlungen
zeigten, dass ein nachhaltiger Erfolg der Beratungen nicht zuletzt davon abhängen
wird, ob es der Orthodoxie gelingt, innerkirchliche Probleme und Strukturfragen zu
lösen. Dazu zählen die Stellung des Ökumenischen Patriarchen innerhalb der Orthodoxie
sowie damit verbundene Fragen der orthodoxen Kirchenstrukturen.
Der russisch-orthodoxe
Bischof Hilarion – er ist inzwischen Leiter des Außenamtes des Moskauer Patriarchats
– hatte schon bei der Vollversammlung 2006 in Belgrad mit einer Attacke gegen den
Patriarchen von Konstantinopel für Unmut gesorgt. 2007 hatte er schließlich am zweiten
Tag mit dem Rest der russisch-orthodoxen Delegation die Vollversammlung in Ravenna
verlassen. Damit protestierte man gegen die Teilnahme der „Estnischen Apostolischen
Kirche“ an den Beratungen. Diese wird von der Russisch-Orthodoxen Kirche nicht anerkannt.
Die Spannungen rund um die „Estnische Apostolische Kirche“ verdeutlichen das Kernproblem
der Orthodoxie: Aufgrund der gesellschaftspolitischen Umwälzungen des 19. und vor
allem 20. Jahrhunderts mit der Entstehung neuer Staaten und großen Migrationsbewegungen
sieht sich die orthodoxe Kirche gezwungen, ihre traditionelle jurisdiktionelle Einteilung
zu reformieren.
Auch ohne russisch-orthodoxe Unterschrift verabschiedeten
die orthodoxen und katholischen Delegierten in Ravenna schließlich am 13. Oktober
2007 das öffentlich viel beachtete „Ravenna-Dokument“. Darin stimmten beide Seiten
überein, dass Rom in der Ordnung der ungeteilten Kirche des ersten Jahrtausends „die
erste Stellung einnahm und dass der Bischof von Rom deshalb der Erste unter den Patriarchen
war“. Inhaltlich kritisierte Hilarion später am Ravenna-Papier die Bemerkung, wonach
die Kirchen des Ostens nach dem Schisma von 1054 ihre Konzilien „in Gemeinschaft mit
dem Sitz von Konstantinopel“ einberufen hätten. Das stilisiere den Ökumenischen Patriarchen
auf inakzeptable Weise zu einem „Papst des Ostens“, so die Argumentation der Russisch-Orthodoxen
Kirche. Konstantinopel wies diesen Vorwurf umgehend zurück. Die Patriarchen oder Erzbischöfe
der einzelnen orthodoxen Kirchen stehen nicht unter der Jurisdiktion des Ökumenischen
Patriarchen.
Das Ziel der Konferenz in Wien ist es also, das Verhältnis von
päpstlicher Vorrangstellung und der Selbständigkeit der einzelnen Teilkirchen, wie
dies im ersten Jahrtausend in Theorie und Praxis verwirklicht war, zu ergründen. Von
einem solchen Befund erhoffen sich beide Seiten eine Grundlage, auf der Perspektiven
für ein zukünftiges Primatsmodell entwickeln könnten, das für die katholische wie
orthodoxe Kirche akzeptabel ist. Doch bis dahin scheint es noch ein weiter Weg zu
sein, den die Kirchen überdies erst seit der Vollversammlung von Ravenna mit einem
gewissen Elan in Angriff genommen haben. Dazu sagt der Vorsitzende der Wiener Diözesankommission
für ökumenische Fragen, Rudolf Prokschi:
„Die sichtbare Einheit, die sich
ausdrückt in dem gemeinsamen Abendmahl, muss unser Ziel sein. Da spüre ich immer deutlicher,
dass man kritisch diese starre Haltung von Seiten der Orthodoxie aber auch von Seiten
der katholischen Kirche hinterfragen muss. Wir können jetzt nur eines sagen: wir sind
noch nicht so weit. Für mich ist die Frage, wann wird man auf diese Aussage genügend
antworten können.“