Seliger Gerhard Hirschfelder – ein Mann gegen den Strom
Wohl kein anderes
Jahrhundert hat so viele Märtyrer erlebt wie das Zwanzigste. Unter der Barbarei der
Nationalsozialisten wurde Widerstand mit dem Tode bestraft. Einer von ihnen war Gerhard
Hirschfelder (1907-1942). Er wurde am Sonntag in Münster selig gesprochen. Der neue
Selige steht für viele christliche Frauen und Männer, die tapfer gegen den Strom schwammen.
Allein
12.000 katholische Priester gerieten während der Nazi-Zeit in Konflikt mit dem NS-Regime.
Viele nahmen für ihren Glauben Folter und Tod auf sich. Der aus der schlesischen Grafschaft
Glatz stammende Kaplan Gerhard Hirschfelder habe Zivilcourage und Tapferkeit bewiesen.
Das sagte in seiner Predigt zur Seligsprechungsfeier der Kölner Kardinal Joachim Meisner.
Für die vertriebenen Schlesier aus der Grafschaft Glatz bedeute die Seligsprechung
zugleich eine Anerkennung ihrer auch im Münsterland sichtbaren Heimat- und Kirchentreue.
Längst seien neue Verbindungen nach Polen und Tschechien gewachsen. Der Glaube verbinde
und versöhne die Völker, so Meisner
Schwieriges Seelsorgefeld Nach
den Worten Meisners sei Hirschfelder in der Hitlerzeit ein äußert schwieriges Seelsorgefeld
zugewiesen worden. Er war für die Jugendseelsorge in der schlesischen Grafschaft Glatz
zuständig. Damals gehörte die Grafschaft zum Erzbistum Prag. Die von der NS-Ideologie
bedrängten jungen Menschen hätte ihn alle Vorsicht und Angst gegenüber den Machthabern
vergessen lassen. Von Hirschfelder stammt der nazi-kritische Satz: „Wer der Jugend
den Glauben aus dem Herzen reißt, ist ein Verbrecher.“ Damit habe sich Hirschfelder
„im Totaleinsatz“ vor die Jugend gestellt und damit sei er „wirklich ein Zeuge des
Evangeliums“, betonte der Kardinal.
Verehrung in Münster Hirschfelder
wird in Münster besonders verehrt, weil die Stadt Sitz der Apostolischen Visitatur
für die Katholiken der Grafschaft Glatz ist. Sie hatten 1998 den Seligsprechungsprozess
für den Priester beantragt. Das Bistum Münster übernahm die Führung des Verfahrens.
Konzelebranten in dem Gottesdienst waren unter anderen Münsters Bischof Felix Genn,
Bischof Ignacy Dec aus dem polnischen Swidnica (Schweidnitz) und der Prager Erzbischof
Dominik Duka. In einem „Wort zur Seligsprechung“ würdigte Genn Hirschfelder als „Hoffnungsträger“
und „Brückenbauer zwischen Deutschen, Polen und Tschechen“. Duka nannte ihn im Interview
der münsterischen Bistumszeitung „Kirche und Leben“ eine „beeindruckende charismatische
Persönlichkeit“ und einen „mutigen Kämpfer für die Freiheit“.
Wer
war Gerhard Hirschfelder? Als Sohn einer alleinstehenden Mutter wird Hirschfelder
1907 in Glatz, dem heutigen polnischen Klodzko, geboren. Es belastet ihn zeitlebens
schwer, unehelich und ohne Vater aufgewachsen zu sein. Dennoch wird dem späteren Kaplan
„ein fröhliches Naturell, eine offene Herzlichkeit und eine überaus große Freundlichkeit“
nachgesagt. Hirschfelder wird 1932 in Breslau zum Priester geweiht, ein Jahr später
übernimmt Hitler die Macht in Deutschland.
Für Hirschfelder beginnt eine schwere
Zeit. Seine Veranstaltungen überschneiden sich zum Teil mit denen der nationalsozialistischen
Jugendarbeit. Dem Priester gelingt es dennoch, junge Christen an sich zu binden und
sie von der Hitlerjugend fernzuhalten. Der Staatsmacht ist der Geistliche damit ein
Dorn im Auge. Seine Predigten werden bespitzelt, Gruppenstunden mit Jugendlichen überwacht,
die Wohnung durchsucht. Um den Priester der Kontrolle der Nazis zu entziehen, versetzt
ihn der Generalvikar der Grafschaft Glatz 1939 schließlich nach Habelschwerdt, das
heutige Bystrzyca Klodzka in Polen.
Wegen seines guten Drahtes zu jungen Menschen
wird Hirschfelder aber wenige Monate später zum Diözesanjugendseelsorger ernannt -
und gerät damit erneut ins Blickfeld der Nazis. 1941 wird der Kaplan schließlich verhaftet
und im gleichen Jahr in das Konzentrationslager nach Dachau überführt. Dort stirbt
er 1942 völlig entkräftet im Alter von 35 Jahren. Seine Urne wird in Tscherbeney,
dem heutigen polnischen Ort Czermna nahe der tschechischen Grenze, beigesetzt. Dort
hatte Hirschfelder sieben Jahre lang als Geistlicher gewirkt.
Für seinen Einsatz
als überzeugter Widerstandskämpfer wird Hirschfelder bis heute von Deutschen, Polen
und Tschechen gleichermaßen verehrt. Für die Seligsprechung sind in den drei Ländern
rund 10.000 Unterschriften gesammelt worden. Viele sehen in Hirschfelder einen „Brückenbauer“
zwischen den Nationen.