2010-09-20 09:21:44

Papst an britische Bischöfe – seine Ansprache im Volltext


RealAudioMP3 Am Sonntag Nachmittag hat sich Papst Benedikt in Birmingham mit den Bischöfen von England, Wales und Schottland getroffen. Hier finden Sie seine Rede in vollem Wortlaut.
Meine lieben Mitbrüder im Bischofsamt!
Dies war ein Tag großer Freude für die katholische Gemeinschaft auf diesen Inseln. Der
selige John Henry Newman, wie wir ihn nun nennen dürfen, wurde zur Ehre der Altäre erhoben
als Beispiel heldenhafter Treue zum Evangelium und als Fürsprecher für die Kirche in diesem
Land, das er liebte und dem er so gut diente. Hier, genau in dieser Kapelle, gab er 1852 dem
neuen Selbstvertrauen und der neuen Lebendigkeit der katholischen Gemeinschaft in England
und Wales nach der Wiedererrichtung der Hierarchie Ausdruck, und seine Worte könnten ebenso
für Schottland ein Vierteljahrhundert später angewandt werden. Seine Seligsprechung heute
erinnert uns an die dauernde Tätigkeit des Heiligen Geistes, der Gaben der Heiligkeit unter den
Menschen in Großbritannien hervorruft, so daß von Ost nach West und von Nord nach Süd zur
Ehre des Namens Gottes Lobpreis und Dank dargebracht werden mag.
Ich danke Kardinal O’Brien und Erzbischof Nichols für ihre Worte, und dabei kommt mir
in Erinnerung, wie ich Euch alle vor kurzem in Rom zu den Ad-limina-Besuchen Eurer
jeweiligen Bischofskonferenzen begrüßen konnte. Wir sprachen damals über einige der
Herausforderungen, vor denen Ihr bei der Führung der Menschen im Glauben steht, insbesondere
im Hinblick auf die drängende Notwendigkeit, das Evangelium in einer stark säkularisierten
Umgebung von neuem zu verkünden. Im Laufe meines Besuchs ist deutlich geworden, wie groß
hier unter den Briten der Durst nach der Guten Nachricht Jesu Christi ist. Ihr wurdet von Gott
dazu auserwählt, um ihnen das lebendige Wasser des Evangeliums darzubieten und sie zu
ermutigen, ihre Hoffnungen nicht auf leere Verlockungen dieser Welt zu setzen, sondern auf die
feste Zusicherung der kommenden. Während Ihr das Kommen des Reiches verkündet, das
Hoffnung für die Armen und Bedürftigen, für die Kranken und Alten, die Ungeborenen und die
Vernachlässigten verheißt, seht zu, die lebensspendende Botschaft des Evangeliums in ihrer
Fülle darzulegen, einschließlich jener Elemente, welche weitverbreitete Annahmen der heutigen
Kultur in Frage stellen. Wie Ihr wißt, wurde kürzlich der Päpstliche Rat für die Neuevangelisierung
der Länder alter christlicher Tradition gegründet, und ich möchte Euch ermutigen, von
seinen Diensten Gebrauch zu machen, wenn Ihr die vor Euch liegenden Aufgaben angeht.
Außerdem verfügen viele der neuen kirchlichen Bewegungen über ein besonderes Charisma zur
Evangelisierung, und ich weiß, daß Ihr weiter nach geeigneten und wirksamen Möglichkeiten
sucht, sie in die Sendung der Kirche einzubinden.
Seit Eurem Besuch in Rom haben politische Veränderungen im Vereinigten Königreich die
Aufmerksamkeit auf die Auswirkungen der Finanzkrise gelenkt, die bei unzähligen Einzelpersonen
und Familien so viel Entbehrung verursacht hat. Das Schreckgespenst der Arbeitslosigkeit
breitet seinen Schatten über das Leben vieler Menschen aus, und die langfristigen Kosten für die
unklugen Investitionspraktiken in jüngster Zeit sind allzu offensichtlich geworden. Unter diesen
Umständen wird die Großzügigkeit, die die britischen Katholiken auszeichnet, zusätzlich gefragt
sein, und ich weiß, daß Ihr beim Aufruf zur Solidarität mit den Bedürftigen eine führende
Position einnehmen werdet. Die prophetische Stimme der Christen spielt eine wichtige Rolle,
um ein Schlaglicht auf die Bedürfnisse der Armen und Benachteiligten zu werfen, die in der
Verteilung der begrenzten Mittel so leicht übersehen werden können. In ihrem Lehrdokument
Choosing the Common Good [Das Gemeinwohl wählen] haben die Bischöfe von England und
Wales unterstrichen, wie wichtig es ist, die Tugenden im öffentlichen Leben zu üben. Die
heutigen Umstände bieten einen guten Anlaß, diese Botschaft zu bekräftigen, ja die Menschen
zu ermuntern, vor dem Hintergrund eines zunehmenden Zynismus selbst gegenüber der
Möglichkeit eines tugendhaften Lebens in jedem Bereich ihres Lebens nach höheren moralischen
Werten zu streben.
Ein anderes Thema, das in den letzten Monaten viel Aufmerksamkeit erregt hat und das die
moralische Glaubwürdigkeit der Kirchenführer ernsthaft untergräbt, ist der beschämende
Mißbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Priester und Ordensleute. Bei vielen
Gelegenheiten habe ich über die tiefen Wunden gesprochen, die dieses Verhalten verursacht –
vor allem bei den Opfern, aber auch in der Vertrauensbeziehung, die zwischen Priestern und
Menschen, zwischen den Priestern und ihren Bischöfen und zwischen den kirchlichen
Autoritäten und der Öffentlichkeit herrschen sollte. Ich weiß, Ihr habt ernsthafte Schritte
unternommen, um diese Situation zu beheben, um zu gewährleisten, daß Kinder wirkungsvoll
vor Schaden geschützt werden, und um richtig und transparent mit Beschuldigungen umzugehen,
wenn sie erhoben werden. Ihr habt öffentlich Euer tiefes Bedauern bekannt über das, was
vorgefallen ist, und über die oft unzulänglichen Vorgehensweisen, wie dies in der Vergangenheit
angegangen wurde. Euer wachsendes Bewußtsein für das Ausmaß von Kindesmißbrauch in der
Gesellschaft, seine verheerenden Auswirkungen und die Notwendigkeit, für eine angemessene
Unterstützung der Opfer zu sorgen, sollte als Anstoß dazu dienen, das, was Ihr daraus gelernt
habt, mit der breiten Öffentlichkeit zu teilen. Ja, welchen besseren Weg könnte es zur
Wiedergutmachung dieser Sünden geben, als zu versuchen in demütiger Haltung des Mitgefühls
die Kinder zu erreichen, die anderswo weiter Mißbrauch erleiden? Unsere Pflicht zur Sorge
gegenüber jungen Menschen verlangt nicht weniger.
Während wir über die menschliche Schwäche nachdenken, die diese tragischen Ereignisse
so überdeutlich offenbaren, werden wir daran erinnert, daß wir ein Leben höchster Integrität,
Demut und Heiligkeit leben müssen, wenn wir überzeugende christliche Führungspersonen sein
sollen. Der selige John Henry Newman schrieb einmal: „Ach, daß Gott den Geistlichen
gewährte, ihre Schwäche als sündige Männer zu spüren, und den Menschen, mit ihnen zu fühlen,
sie zu lieben und für ihre Zunahme in allen guten Gnadengaben zu beten“ (Sermon, 22. März
1829). So bete ich darum, daß unter den Gnaden dieses Besuchs es dazu kommt, daß die
christlichen Führungskräfte sich verstärkt ihrer prophetischen Berufung, die sie empfangen
haben, widmen und die Menschen das große Geschenk des Weihepriestertums neu wertschätzen.
Das Gebet um Berufungen wird dann von selbst aufsteigen, und wir können darauf vertrauen,
daß der Herr antworten wird, indem er Arbeiter sendet, um die reiche Ernte einzubringen, die
er im ganzen Vereinigten Königreich vorbereitet hat (vgl. Mt 9,37-38). In dieser Hinsicht freue
ich mich, daß ich in Kürze die Gelegenheit haben werde, die Seminaristen von England,
Schottland und Wales zu treffen und ihnen meine Gebete zu versichern, da sie sich darauf
vorbereiten, ihre Rolle beim Einbringen dieser Ernte zu spielen.
Zum Schluß möchte ich über zwei bestimmte Themen zu Euch sprechen, die Euren
bischöflichen Dienst in der jetzigen Zeit betreffen. Das eine ist die bevorstehende Veröffentlichung
der neuen Übersetzung des Römischen Meßbuchs. Ich möchte diese Gelegenheit
wahrnehmen, um Euch allen für Euren mit großer Sorgfalt geleisteten Beitrag bei der
gemeinsamen Arbeit zur Revision und Genehmigung der Texte zu danken. Dies erweist den
Katholiken in der ganzen englischsprachigen Welt einen ungeheueren Dienst. Ich ermutige euch
nun, die Gelegenheit zu nutzen, welche die neue Übersetzung für eine gründliche Katechese über
die Eucharistie und eine erneuerte Andacht bei der Art und Weise ihrer Feier bietet. „Je
lebendiger der eucharistische Glaube im Gottesvolk ist, um so tiefer ist dessen Teilnahme am
kirchlichen Leben durch eine überzeugte Unterstützung der Sendung, die Christus seinen
Jüngern aufgetragen hat“ (Sacramentum caritatis, 6). Das andere Thema habe ich im Februar mit
den Bischöfen von England und Wales angesprochen, als ich Euch bat, bei der Umsetzung der
Apostolischen Konstitution Anglicanorum coetibus großzügig zu sein. Diese sollte als eine
prophetische Geste gesehen werden, die positiv zur Entwicklung der Beziehungen zwischen
Anglikanern und Katholiken beitragen kann. Sie hilft uns, das letzte Ziel jeglicher ökumenischer
Aktivität anzupeilen: die Wiederherstellung der vollen kirchlichen Gemeinschaft im Rahmen des
gegenseitigen Austauschs von Gaben unseres jeweiligen spirituellen Erbes zur Bereicherung für
uns alle. Laßt uns unaufhörlich weiter beten und arbeiten, um den freudigen Tag schneller
herbeizuführen, an dem dieses Ziel verwirklicht werden kann.
Mit diesen Betrachtungen danke ich Euch herzlich für Eure Gastfreundschaft in den
vergangenen vier Tagen. Euch alle und die Menschen, denen Ihr dient, empfehle ich der
Fürsprache der heiligen Andreas, David und Georg und erteile Euch, dem Klerus, den
Ordensleuten und den Gläubigen in England, Schottland und Wales gerne meinen Apostolischen
Segen.







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