2010-09-18 11:48:56

Der Papst in der Westminster Hall: Kernsätze aus seiner Rede


RealAudioMP3 In der traditionsreichen „Westminster Hall“ unmittelbar neben dem Londoner Parlament hat sich Papst Benedikt am Freitag Abend mit dem Diplomatischen Corps, Politikern, Wissenschaftlern und Wirtschaftsführern getroffen. Hier finden Sie die Kernsätze aus seiner Grundsatzrede.

„An diesem historischen Ort denke ich an den heiligen Thomas Morus, den großen englischen Gelehrten und Staatsmann, der von Gläubigen wie von Nichtglaubenden wegen seiner Rechtschaffenheit bewundert wird, mit der er seinem Gewissen folgte. Das Dilemma, vor dem Thomas Morus in diesen schwierigen Zeiten stand, war die stets aktuelle Frage nach dem Verhältnis zwischen dem, was dem Kaiser gebührt, und dem, was Gott gebührt.

Wenn die den demokratischen Abläufen zugrundeliegenden moralischen Prinzipien auf nichts Soliderem als dem gesellschaftlichen Konsens beruhen, dann wird die Schwäche dieser Abläufe allzu offensichtlich; darin liegt die wahre Herausforderung der Demokratie. Es geht um folgende zentrale Frage: Wo finden wir die ethische Grundlage für politische Entscheidungen? Die katholische Lehrtradition sagt, daß die objektiven Normen für rechtes Handeln der Vernunft zugänglich sind, ohne daß dazu ein Rückgriff auf die Inhalte der Offenbarung nötig wäre. Dementsprechend besteht die Rolle der Religion in der politischen Debatte nicht so sehr darin, diese Normen zu liefern, als ob sie von Nichtgläubigen nicht erkannt werden könnten. Noch weniger geht es darum, konkrete politische Lösungen vorzuschlagen, was gänzlich außerhalb der Kompetenz der Religion liegt. Es geht vielmehr darum, auf der Suche nach objektiven moralischen Prinzipien zur Reinigung und zur Erhellung der Vernunftanstrengung beizutragen... Ohne die Korrekturfunktion der Religion kann die Vernunft den Gefahren einer Verzerrung anheimfallen, wenn sie zum Beispiel von Ideologien manipuliert wird.

Die Religion ist, anders gesagt, für die Gesetzgeber nicht ein Problem, das gelöst werden muß, sondern ein äußerst wichtiger Gesprächspartner im nationalen Diskurs. In diesem Zusammenhang komme ich nicht umhin, meine Besorgnis zu äußern, daß die Religion und besonders das Christentum in einigen Bereichen zunehmend an den Rand gedrängt werden, auch in Ländern, die großen Wert auf Toleranz legen. Das sind besorgniserregende Zeichen einer Mißachtung nicht nur der Rechte gläubiger Menschen auf Gewissens- und Religionsfreiheit, sondern auch der legitimen Rolle der Religion im öffentlichen Leben.

Ich möchte auch besonders erwähnen, daß die gegenwärtige Regierung die Verpflichtung übernommen hat, daß Großbritannien ab 2013 0,7 Prozent seines nationalen Einkommens für Entwicklungshilfe ausgeben wird. Die Welt wurde Zeuge der enormen Mittel, die Regierungen zur Rettung von Finanzinstitutionen aufbringen konnten, von denen man geglaubt hat, sie seien „zu groß zum Scheitern“. Die ganzheitliche Entwicklung der Völker dieser Welt ist gewiß nicht weniger wichtig: Das ist eine Aufgabe, die die Aufmerksamkeit der Welt verdient und die fürwahr „zu groß zum Scheitern“ ist.

(rv 18.09.2010 sk)








All the contents on this site are copyrighted ©.