„Liebe Brüder und Schwestern in Christus! „Das Reich Gottes ist euch nahe!“ (Lk 10,9).
Mit diesen Worten aus dem Evangelium, das wir eben gehört haben, begrüße ich euch
alle ganz herzlich im Herrn. Wahrhaftig ist das Reich des Herrn bereits in unserer
Mitte! In dieser Eucharistiefeier, in der die Kirche in Schottland sich vereint mit
dem Nachfolger Petri um den Altar versammelt, laßt uns erneut unseren Glauben an Christi
Wort und unsere Hoffnung auf seine Verheißungen bekräftigen – eine Hoffnung, die nie
enttäuscht. Ich grüße herzlich Kardinal O’Brien und die schottischen Bischöfe; ich
danke besonders Erzbischof Conti für seine freundlichen Worte zur Begrüßung in eurem
Namen; und ich möchte meine tiefe Dankbarkeit für die Arbeit ausdrücken, welche die
britische und die schottische Regierung sowie die Glasgower Stadtväter geleistet haben,
um dieses Ereignis zu ermöglichen. Das heutige Evangelium erinnert uns daran, daß
Christus fortfährt, seine Jünger in die Welt zu senden, um die Ankunft seines Reiches
zu verkünden und seinen Frieden in die Welt zu bringen, indem sie Haus für Haus, Familie
für Familie, Stadt für Stadt damit beginnen. Ich bin als Bote jenes Friedens zu euch,
den geistlichen Kindern des heiligen Andreas, gekommen und möchte euch im Glauben
des Petrus bestärken (vgl. Lk 22,32). Mit einer gewissen inneren Ergriffenheit begrüße
ich euch unweit des Ortes, an dem mein lieber Vorgänger Papst Johannes Paul II. vor
fast dreißig Jahren mit euch die Messe feierte und von der größten Menschenmenge willkommen
geheißen wurde, die sich jemals in der schottischen Geschichte versammelt hat. Vieles
ist seit diesem historischen Besuch in Schottland und in der Kirche in diesem Land
geschehen. Mit großer Zufriedenheit stelle ich fest, daß der Aufruf von Papst Johannes
Paul II. an euch, Hand in Hand mit euren Mitchristen voranzugehen, zu größerem Vertrauen
und zu größerer Freundschaft mit den Mitgliedern der Church of Scotland, der Scotish
Episcopal Church und anderen geführt hat. Ich möchte euch ermutigen, auch weiterhin
mit ihnen zu beten und zu arbeiten für den Aufbau einer helleren Zukunft für Schottland,
die auf unserem gemeinsamen christlichen Erbe basiert. In der heutigen ersten Lesung
haben wir den heiligen Paulus gehört, wie er die Römer ermahnt anzuerkennen, daß wir
als Glieder Christi einander zugehören (vgl. Röm 12,5), und in gegenseitiger Achtung
und Liebe zu leben. In diesem Geist begrüße ich die ökumenischen Vertreter, die uns
mit ihrer Anwesenheit beehren. In dieses Jahr fällt der vierhundertfünfzigste Jahrestag
des Reformations-Parlamentes, aber auch der hundertste Jahrestag der Weltmissions-Konferenz
in Edinburgh, die weithin als die Geburtsstunde der modernen ökumenischen Bewegung
angesehen wird. Laßt uns Gott danken für die in ökumenischer Verständigung und Zusammenarbeit
liegende vielversprechende Hoffnung auf ein geeintes Zeugnis für Gottes rettende Wahrheit
in der heutigen schnellebigen Gesellschaft. Unter den unterschiedlichen Gaben,
die der heilige Paulus für den Aufbau der Kirche aufzählt, ist die des Lehrens (vgl.
Röm 12,7). Die Verkündigung des Evangeliums war immer begleitet von der Achtung für
das Wort: das inspirierte Wort Gottes und die Kultur, in der dieses Wort Wurzeln schlägt
und blüht. Hier in Schottland denke ich an die drei mittelalterlichen Universitäten,
die in diesem Land von den Päpsten gegründet wurden, einschließlich der Saint Andrews
University, die auf das sechshundertjährige Jubiläum ihrer Gründung zugeht. In den
letzten dreißig Jahren haben sich die katholischen Schulen, unterstützt von den zivilen
Behörden, der Herausforderung gestellt, einer größeren Anzahl von Schülern eine umfassende
Ausbildung zu bieten, und das hat den jungen Menschen nicht nur auf dem Weg geistigen
und menschlichen Wachstums geholfen, sondern ihnen auch den Zugang zum beruflichen
und öffentlichen Leben verschafft. Das ist ein Zeichen großer Hoffnung für die Kirche,
und ich ermutige die katholischen Fachkräfte, Politiker und Lehrer Schottlands, niemals
ihre Berufung aus den Augen zu verlieren, ihre Begabungen und Erfahrungen in den Dienst
des Glaubens zu stellen und dabei die moderne schottische Kultur auf allen Ebenen
einzubeziehen. Die Evangelisierung der Kultur ist um so wichtiger in unserer Zeit,
in der eine „Diktatur des Relativismus“ droht, die unveränderliche Wahrheit über das
Wesen des Menschen, seine Bestimmung und sein höchstes Gut zu verdunkeln. Es gibt
jetzt Bestrebungen, den religiösen Glauben aus dem öffentlichen Diskurs auszuschließen,
ihn zu privatisieren oder ihn sogar als Bedrohung der Gleichheit und der Freiheit
darzustellen. Tatsächlich aber ist Religion eine Garantie für echte Freiheit und Achtung,
da sie uns dazu führt, jeden Menschen als Bruder oder Schwester zu betrachten. Aus
diesem Grund appelliere ich besonders an euch gläubige Laien, entsprechend eurer in
der Taufe begründeten Berufung und Sendung nicht nur öffentlich Vorbilder im Glauben
zu sein, sondern euch auch für die Förderung der Weisheit und der Sichtweise des Glaubens
in der Öffentlichkeit einzusetzen. Die Gesellschaft braucht heute klare Stimmen, die
unser Recht betonen, nicht in einem Dschungel selbstzerstörerischer und willkürlicher
Freiheiten zu leben, sondern in einer Gesellschaft, die für das wahre Wohl ihrer Bürger
sorgt und ihnen angesichts ihrer Schwäche und Unsicherheit Wegweisung und Schutz bietet.
Habt keine Angst, diesen Dienst an euren Brüdern und Schwestern wie auch für die Zukunft
eurer geliebten Nation auf euch zu nehmen. Der heilige Ninian, dessen Fest wir
heute feiern, fürchtete sich nicht, eine einsame Stimme zu sein. In den Fußstapfen
der Jünger, die unser Herr vor ihm aussandte, war Ninian einer der allerersten katholischen
Missionare, die ihren britischen Zeitgenossen die gute Nachricht von Jesus Christus
brachten. Seine Missionskirche in Galloway wurde ein Zentrum für die erste Evangelisierung
dieses Landes. Dieses Werk wurde später vom heiligen Mungo, dem Patron Glasgows, und
von anderen Heiligen weitergeführt, zu deren größten wohl der heilige Kolumban und
die heilige Margareta gehören. Von ihnen inspiriert, haben sich über viele Jahrhunderte
hin zahlreiche Männer und Frauen dafür eingesetzt, euch den Glauben zu überbringen.
Bemüht euch, dieser großen Tradition würdig zu sein! Laßt euch durch den Aufruf des
heiligen Paulus in der ersten Lesung immer neu anspornen: „Laßt nicht nach in eurem
Eifer, laßt euch vom Geist entflammen und dient dem Herrn! Seid fröhlich in der Hoffnung,
geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet!“ (Röm 12,11-12). Nun möchte ich
ein spezielles Wort an die Bischöfe von Schottland richten. Liebe Brüder, ich möchte
euch in der Hirtensorge für die Katholiken Schottlands ermutigen. Wie ihr wißt, gilt
eine eurer ersten pastoralen Pflichten euren Priestern (vgl. Presbyterorum Ordinis,
7) und ihrer Heiligung. Wie sie für die katholische Gemeinde ein alter Christus sind,
so seid ihr es für sie. Lebt in eurem brüderlichen Dienst an euren Priestern die Liebe,
die von Christus ausgeht, in Vollkommenheit, indem ihr mit ihnen allen zusammenarbeitet,
besonders mit denjenigen, die wenig Kontakt zu ihren Mitbrüdern haben. Betet mit ihnen
um Berufungen, daß der Herr der Ernte Arbeiter in seine Ernte sende (vgl. Lk 10,2).
Genauso wie die Eucharistie die Kirche bildet, ist das Priestertum zentral für das
Leben der Kirche. Setzt euch persönlich dafür ein, eure Priester zu einer Gruppe von
Männern heranzubilden, die andere anspornen, sich ganz und gar dem Dienst des allmächtigen
Gottes zu widmen. Tragt Sorge auch für eure Diakone, deren Dienstamt in besonderer
Weise dem der Bischöfe zugeordnet ist. Seid ihnen ein Vater und ein Ratgeber in Heiligkeit,
und ermuntert sie, in der Ausübung ihrer Sendung als Verkünder, zu der sie berufen
wurden, an Kenntnis und Weisheit zuzunehmen. Liebe Priester von Schottland, ihr
seid zur Heiligkeit berufen und dazu, dem Volk Gottes zu dienen, indem ihr euer Leben
in Einklang mit dem Geheimnis des Kreuzes des Herrn gestaltet. Verkündet das Evangelium
mit lauterem Herzen und reinem Gewissen. Gebt euch Gott allein hin, und ihr werdet
für junge Männer zu einem leuchtenden Vorbild eines heiligen, einfachen und frohen
Lebens werden: Sicher werden dann diese ihrerseits den Wunsch hegen, sich euch in
eurem zielstrebigen Dienst am Volk Gottes anzuschließen. Möge das Beispiel des heiligen
John Ogilvie in seiner Hingabe, Selbstlosigkeit und Tapferkeit euch alle inspirieren.
Ähnlich möchte ich euch, die Mönche, die Nonnen und alle Ordensleute Schottlands,
ermuntern, ein Licht auf einem Berggipfel zu sein durch ein authentisches christliches
Leben in Gebet und Tat, das auf leuchtende Weise die Kraft des Evangeliums bezeugt. Zum
Schluß möchte ich noch ein Wort an euch, liebe junge Katholiken Schottlands, richten.
Ich möchte euch dringend ans Herz legen, ein Leben zu führen, das des Herrn (vgl.
Eph 4,1) und euer selbst würdig ist. Viele Versuchungen stehen euch Tag um Tag vor
Augen – Drogen, Geld, Sex, Pornographie, Alkohol –, von denen die Welt euch vorgaukelt,
sie brächten Glück, doch diese Dinge sind zerstörerisch und zwiespältig. Nur eines
ist dauerhaft: die Liebe, die Jesus Christus persönlich zu einem jeden von euch hat.
Sucht ihn, lernt ihn kennen und liebt ihn, dann wird er euch befreien von der Sklaverei
gegenüber der verlockenden, aber oberflächlichen Existenz, für die die heutige Gesellschaft
so häufig wirbt. Legt ab, was wertlos ist, und lernt von eurer eigenen Würde als Kinder
Gottes. Im heutigen Evangelium bittet Jesus uns, um Berufungen zu beten: Ich bete
darum, daß viele von euch Jesus kennen und lieben lernen und durch diese Begegnung
dahin gelangen, sich ganz Gott hinzugeben, besonders diejenigen unter euch, die zum
Priestertum und zum Ordensleben berufen sind. Dies ist der Ruf, den Gott jetzt an
euch richtet: Die Kirche heute ist eure! Liebe Freunde, noch einmal drücke ich
meine Freude darüber aus, diese Messe mit euch zu feiern. Gern versichere ich euch
meines Gebetes in der alten Sprache eures Landes: Sìth agus beannachd Dhe dhuibh uile;
Dia bhi timcheall oirbh; agus gum beannaicheadh Dia Alba. Gottes Frieden und Segen
sei mit euch allen; Gott umgebe euch; und Gott segne das schottische Volk!“