Frankreich: Burka-Verbot beschlossen

Mit überwältigender Mehrheit hat der Senat in Paris ein Burka-Verbot beschlossen. Es gilt für öffentliche Straßen und Plätze; die Entscheidung fiel am Dienstag Abend nach fünfstündiger Debatte mit 246 Ja-Stimmen und nur einer Nein-Stimme. Schon im Juli hatte auch die „Assemblée Nationale“ mit großer Mehrheit gegen die Burka gestimmt – auch wenn das neue Gesetz weniger als 2.000 Frauen in Frankreich betrifft.

Einen Monat hat der Verfassungsrat noch Zeit, das neue Burka-Verbot zu prüfen – doch wird er im beschlossenen Text kaum etwas Anstößiges finden, denn das Gesetz kommt ganz ohne die Worte „Frauen“, „Moslem“ oder „Schleier“ aus. Damit ist Frankreich voraussichtlich das erste europäische Land, in dem ein Burka-Verbot in Kraft treten wird. Das Gesetz soll erst in sechs Monaten gelten, um den Betroffenen Zeit zu geben, sich ans Neue zu gewöhnen. Die Initiative ging von Präsident Nicolas Sarkozys Partei UMP aus; Frauen, die mit Burka in der Öffentlichkeit gesehen werden, sollen 150 Euro zahlen und/oder einen Staatsbürgerkurs besuchen. Moslem-Führer in Frankreich betonen, dass die Verschleierung nichts mit dem Islam zu tun hat. Allerdings sei das neue Gesetz dazu angetan, die Moslems im Land zu stigmatisieren. Frankreich hat mit fünf Millionen die größte islamische Gemeinschaft eines westeuropäischen Landes. Der Soziologieprofessor Raphael Liogier aus Aix-en-Provence glaubt, dass Frankreich derzeit seine Identitätskrise „auf die Moslems abwälzt“.

In den Stunden, in denen der Senat das Burka-Verbot debattierte, wurden eine Metro-Station und der Eiffelturm in Paris wegen Bombendrohungen evakuiert. Zur aufgeheizten politischen Stimmung in Frankreich trägt auch die laufende Sicherheitsoffensive der Regierung bei, die sich vor allem gegen Roma aus Rumänien und Bulgarien richtet. Die EU-Kommission kündigt wegen der Massenabschiebungen von Roma ein so genanntes Vertragsverletzungsverfahren gegen Frankreich an; Justizkommissarin Vivane Reding fühlt sich durch die Räumungen von Roma-Lagern in Frankreich an den Nazionalsozialismus erinnert. „Ich dachte, dass Europa so etwas nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr würde durchmachen müssen.“ Dass Paris entgegen all seinen Beteuerungen gezielt gegen Roma vorgeht, läßt sich einem Runderlass an Präfekten entnehmen: Das Schreiben des Innenministeriums wurde jetzt veröffentlicht.

(afp 15.09.2010 sk)