2010-09-03 16:35:26

Pizzaballa: „Frieden ist nicht allein Frage politischer Pakte“


RealAudioMP3 Die katholische Kirche begrüßt Ehud Baraks Vorschlag einer Teilung Jerusalems. Im Kontext der israelisch-palästinensischen Friedensverhandlungen in Washington hat diese Idee für Aufsehen gesorgt – der Vorschlag kam vom israelischen Verteidigungsminister kurz vor Beginn der Verhandlungen. Demnach sollten die arabischen Viertel Jerusalems an die Palästinenser abgetreten werden. Weiter solle es für die Jerusalemer Altstadt, den Ölberg und die Davidstadt ein spezielles Regime mit besonderen Zuständigkeiten geben. Die Franziskanerkustodie in Jerusalem, die für die Katholische Kirche über die Heiligen Stätten wacht, ist im Großen und Ganzen damit einverstanden, erklärt der Kustos, Pater Pierbattista Pizzaballa, im Interview mit Radio Vatikan.
„Eine solche Lösung können wir mit Vorsicht als positiv bezeichnen, weil sie zu einer stabileren Situation beitragen würde. Der Ostteil der Stadt wird momentan von Israel verwaltet; diese Verwaltung wird jedoch durch keinen Staat und keine Regierung anerkannt. Diese Uneindeutigkeit ist wiederholt Quelle von Spannungen. Der Ostteil der Stadt würde mit einer solchen Übereinkunft juristisch Stabilität bekommen – auch, was das normale Leben dort betrifft.“ 
Das Zusammenleben der Religionen dürfe eine solche Lösung jedoch nicht belasten, unterstreicht Pizzaballa. Es dürfe ja auch nicht um eine physische Teilung der Stadt gehen.

„Es ist wichtig, dass diese administrative Teilung den aktuellen Charakter der Stadt, das heißt das Zusammenleben der drei monotheistischen Religionen nicht verändert – das ist ja das Hauptmerkmal der heiligen Stadt Jerusalem. Die Teilung darf nicht physisch sein, sondern nur administrativ. Was also den Alltag der Christen, Juden und Moslems betrifft: Diese Religionen müssen weiter hier zusammenleben.“  
Der Heilige Stuhl hatte in der Vergangenheit einen Sonderstatus für Jerusalem ins Auge gefasst. Wie verhält sich der nun zum Vorstoß des israelischen Außenministers? Dazu Pater Pizzaballa:

„Die Idee eines Sonderstatus für Jerusalem, wie sie der Heilige Stuhl in der Vergangenheit geäußert hat, ist meiner Meinung nach nicht im Widerspruch zur von Minister Barak genannten Aufteilung der Stadt Jerusalem zu sehen. Der Heilige Stuhl bezog sich bei diesem Vorschlag ja vor allem auf die Heiligen Stätten und den heiligen Bereich der Stadt. Dieser Art „Sonderstatus“, der jetzt im Gespräch ist, jedoch noch bisher nicht weiter definiert wurde, kann meiner Meinung nach absolut kompatibel mit den Indikationen des Heiligen Stuhls sein. Wir sind derzeit noch in der Phase allgemeiner Erklärungen, die auf allen Seiten großen Interpretationsspielraum lassen. Man muss dann im Konkreten sehen, was sowohl der Heilige Stuhl als auch Minister Barak mit Sonderstatus“ meinen.“  
Baraks Vorschlag sei an sich nicht neu, so der Kustos. Allerdings kam er zu diesem Zeitpunkt auch für Pater Pizzaballa unerwartet:

„Denn Israel hat ja in den vergangenen Jahren in der Jerusalem-Frage immer wieder absolute Unzugänglichkeit demonstriert, das wundert also etwas. Man muss jetzt sehen, ob Baraks Vorstoß abgesprochen war, oder ob es sich nur um seine eigene, isolierte Meinung handelt.“ 
Papst Benedikt XVI. und Israels Staatspräsident Schimon Peres bekundeten in dieser Woche ihre Hoffnung auf einen erfolgreichen Abschluss der Friedensgespräche. Ein entsprechendes Abkommen müsse den „legitimen Wünschen der beiden Völker“ gerecht werden und bessere Lebensbedingungen für alle Bevölkerungsgruppen garantieren. Offen sei etwa die Frage der Flüchtlinge, des Siedlungsbaus und der Jerusalemer Grenzgebiete, führt Pater Pizzaballa im Gespräch mit uns aus. Allerdings sei der Weg zu dauerhaftem Frieden im Heiligen Land nicht allein Frage von politischen Abmachungen zwischen Palästinensern und Israelis, erinnert der Kustos:

„Es gibt auch viel zu tun im Bereich der Bildung und Information – auch über die Massenmedien. Wir müssen eine Kultur der Empfänglichkeit und des Friedens aufbauen, in der beide Seiten sich gegenseitig anerkennen: Die rechtmäßigen Palästinenser müssen Israel als legitim anerkennen, und das rechtmäßige Israel muss den Palästinensern das Recht zusprechen, im eigenen Land zu leben. Die Öffentlichkeit hier tut sich noch schwer, solche Bejahungen zu machen, die uns im Westen leicht von den Lippen gehen. Diese Fragen gehen hier in die Tiefe.“ 
(rv 03.09.2010 pr)







All the contents on this site are copyrighted ©.