Pizzaballa: „Frieden ist nicht allein Frage politischer Pakte“
Die katholische Kirche
begrüßt Ehud Baraks Vorschlag einer Teilung Jerusalems. Im Kontext der israelisch-palästinensischen
Friedensverhandlungen in Washington hat diese Idee für Aufsehen gesorgt – der Vorschlag
kam vom israelischen Verteidigungsminister kurz vor Beginn der Verhandlungen. Demnach
sollten die arabischen Viertel Jerusalems an die Palästinenser abgetreten werden.
Weiter solle es für die Jerusalemer Altstadt, den Ölberg und die Davidstadt ein spezielles
Regime mit besonderen Zuständigkeiten geben. Die Franziskanerkustodie in Jerusalem,
die für die Katholische Kirche über die Heiligen Stätten wacht, ist im Großen und
Ganzen damit einverstanden, erklärt der Kustos, Pater Pierbattista Pizzaballa, im
Interview mit Radio Vatikan. „Eine solche Lösung können wir mit Vorsicht als
positiv bezeichnen, weil sie zu einer stabileren Situation beitragen würde. Der Ostteil
der Stadt wird momentan von Israel verwaltet; diese Verwaltung wird jedoch durch keinen
Staat und keine Regierung anerkannt. Diese Uneindeutigkeit ist wiederholt Quelle von
Spannungen. Der Ostteil der Stadt würde mit einer solchen Übereinkunft juristisch
Stabilität bekommen – auch, was das normale Leben dort betrifft.“ Das Zusammenleben
der Religionen dürfe eine solche Lösung jedoch nicht belasten, unterstreicht Pizzaballa.
Es dürfe ja auch nicht um eine physische Teilung der Stadt gehen.
„Es ist
wichtig, dass diese administrative Teilung den aktuellen Charakter der Stadt, das
heißt das Zusammenleben der drei monotheistischen Religionen nicht verändert – das
ist ja das Hauptmerkmal der heiligen Stadt Jerusalem. Die Teilung darf nicht physisch
sein, sondern nur administrativ. Was also den Alltag der Christen, Juden und Moslems
betrifft: Diese Religionen müssen weiter hier zusammenleben.“ Der Heilige
Stuhl hatte in der Vergangenheit einen Sonderstatus für Jerusalem ins Auge gefasst.
Wie verhält sich der nun zum Vorstoß des israelischen Außenministers? Dazu Pater Pizzaballa:
„Die
Idee eines Sonderstatus für Jerusalem, wie sie der Heilige Stuhl in der Vergangenheit
geäußert hat, ist meiner Meinung nach nicht im Widerspruch zur von Minister Barak
genannten Aufteilung der Stadt Jerusalem zu sehen. Der Heilige Stuhl bezog sich bei
diesem Vorschlag ja vor allem auf die Heiligen Stätten und den heiligen Bereich der
Stadt. Dieser Art „Sonderstatus“, der jetzt im Gespräch ist, jedoch noch bisher nicht
weiter definiert wurde, kann meiner Meinung nach absolut kompatibel mit den Indikationen
des Heiligen Stuhls sein. Wir sind derzeit noch in der Phase allgemeiner Erklärungen,
die auf allen Seiten großen Interpretationsspielraum lassen. Man muss dann im Konkreten
sehen, was sowohl der Heilige Stuhl als auch Minister Barak mit Sonderstatus“ meinen.“
Baraks Vorschlag sei an sich nicht neu, so der Kustos. Allerdings kam er
zu diesem Zeitpunkt auch für Pater Pizzaballa unerwartet:
„Denn Israel hat
ja in den vergangenen Jahren in der Jerusalem-Frage immer wieder absolute Unzugänglichkeit
demonstriert, das wundert also etwas. Man muss jetzt sehen, ob Baraks Vorstoß abgesprochen
war, oder ob es sich nur um seine eigene, isolierte Meinung handelt.“ Papst
Benedikt XVI. und Israels Staatspräsident Schimon Peres bekundeten in dieser Woche
ihre Hoffnung auf einen erfolgreichen Abschluss der Friedensgespräche. Ein entsprechendes
Abkommen müsse den „legitimen Wünschen der beiden Völker“ gerecht werden und bessere
Lebensbedingungen für alle Bevölkerungsgruppen garantieren. Offen sei etwa die Frage
der Flüchtlinge, des Siedlungsbaus und der Jerusalemer Grenzgebiete, führt Pater Pizzaballa
im Gespräch mit uns aus. Allerdings sei der Weg zu dauerhaftem Frieden im Heiligen
Land nicht allein Frage von politischen Abmachungen zwischen Palästinensern und Israelis,
erinnert der Kustos:
„Es gibt auch viel zu tun im Bereich der Bildung und
Information – auch über die Massenmedien. Wir müssen eine Kultur der Empfänglichkeit
und des Friedens aufbauen, in der beide Seiten sich gegenseitig anerkennen: Die rechtmäßigen
Palästinenser müssen Israel als legitim anerkennen, und das rechtmäßige Israel muss
den Palästinensern das Recht zusprechen, im eigenen Land zu leben. Die Öffentlichkeit
hier tut sich noch schwer, solche Bejahungen zu machen, die uns im Westen leicht von
den Lippen gehen. Diese Fragen gehen hier in die Tiefe.“ (rv 03.09.2010 pr)