2010-09-01 16:15:44

Vor 100 Jahren: Antimodernisteneid


RealAudioMP3 Vor genau 100 Jahren, am 1. September 1910, veröffentlichte Papst Pius X. den so genannten Antimodernisteneid. Alle angehenden Priester mussten von da an in einem feierlichen Akt vor ihrer Weihe die geltende kirchliche Lehre bejahen und moderne Formen der Theologie ablehnen.

Das „Sammelbecken aller Häresien“ war der Modernismus für Papst Pius X. Die Anhänger dieser Strömung waren dafür, das Lehramt mit den damaligen neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft zu verbinden. Was das heißt, erklärt der deutsche Kirchenhistoriker Johannes Grohe von der Päpstlichen Universität Santa Croce in Rom.

„Es hat viel zu tun mit dem Eindringen der historisch-kritischen Methoden in die Bibelwissenschaft. Hier spielt eine Vorreiterwolle der liberale Protestantismus. Das wird dann auch in der Katholischen Kirche rezipiert. Man spielt Offenbarung gegen geschichtliche Wirklichkeit aus, das gilt auch für die Kirche nur als Glaubensinstitution, nicht aber als historisch wirklich von Christus gegründete Gemeinschaft. Im Großen und Ganzen dreht es sich immer um diese Frage: Wie ist eigentlich unser Glaube grundgelegt.“

Der Eid ist der Endpunkt eines erbitterten, jahrzehntelangen Kampfes gegen den Modernismus. Das schlug sich im Tonfall nieder, der scharf und kompromisslos war. „Ich nehme an alles und jedes Einzelne, was vom irrtumslosen Lehramt der Kirche bestimmt, aufgestellt und erklärt ist, besonders die Hauptstücke ihrer Lehre, die unmittelbar den Irrtümern der Gegenwart entgegen sind“, beginnt die lange Formel. Inhaltlich besagte der Antimodernisteneid aber nichts Neues, sagt Grohe.

„Aber man könnte sagen, hier wird die Lehrentwicklung zusammengefasst, auf den Punkt gebracht und verbindlich vorgelegt. Ziel des Eides war es, allen Priestern und in der Lehre Stehenden eine ausdrückliche feierliche Zustimmung vorzuschreiben, und man wollte auf jene, die sich nicht offen gegen die Lehren des 1. Vatikanums oder gegen die Enzykliken von Papst Pius ausgesprochen hatten, die sogenannten Kryptomodernisten, dazu veranlassen, jetzt Farbe zu bekennen.“

Innerhalb der Kirche wurde der Antimodernisteneid von einigen befürwortet, von anderen als notwendiges Übel anerkannt. Viele aber, zumal im deutschen Sprachraum, sahen darin die Wissenschaftlichkeit theologischer Forschung grundsätzlich in Frage gestellt. So wurde für Deutschland ein Kompromiss ausgehandelt: Professoren mussten den Eid nicht ablegen, es sei denn, sie waren gleichzeitig Seelsorger. Andernorts kam es nach der Einführung der Eidesformel auch zu unangenehmen Erscheinungen wie Bespitzelungen. Johannes Grohe:

„Da gab es zwischen 1909 und 1921 die Priestergemeinschaft „Sodalitium pianum“, die haben mit einem großen Eifer, ja Übereifer Modernisten gesucht und angezeigt. Das hat die Atmosphäre sehr vergiftet. In Mailand gab es etwa den großen Reformbischof Andrea Carlo Ferrari. Er wurde über Jahre als Modernist verdächtigt und angezeigt, später dann aber von Pius X. und Benedikt XV. rehabilitiert, und nicht nur das: Johannes Paul II. hat Ferrari 1987 selig gesprochen. Er gilt in manchen Dingen, etwa in der aktiven Beteiligung der Laien am kirchlichen Leben, als einer der Vorläufer des II. Vatikanischen Konzils.“

Was den Stein des Anstoßes betrifft, die historisch-kritische Bibelexegese, so ist sie heute längst an allen katholischen Fakultäten unverzichtbar.

„Wir haben inzwischen gelernt, dass die Kirchengeschichte die historisch-kritische Methode braucht – insofern gehen wir Hand in Hand mit Kollegen der Profanwissenschaften. Aber das Objekt, mit dem wir uns beschäftigen, die Kirche Gottes, betrachten wir im Licht des Glaubens als eine Stiftung Jesu Christi. Aber es ist mittlerweile viel friedlicher als Anfang des Jahrhunderts.“

Der Antimodernisteneid hielt sich bis 1967, als Papst Paul VI. ihn nach den Entscheidungen des II. Vatikanischen Konzils abschuf. Knapp 30 Jahre später, im Jahr 1989, führte Papst Johannes Paul II. einen neuen Treueid für alle jene ein, die in der Kirche leiten oder lehren. Der scharfe Ton des Antimodernisteneides wird nicht wiederholt, doch enthält die aktuelle Schwurformel neben dem „normalen“ Glaubensbekenntnis etwa den Satz „Fest glaube ich auch alles, was im geschriebenen oder überlieferten Wort Gottes enthalten ist und von der Kirche als von Gott geoffenbart zu glauben vorgelegt wird, sei es durch feierliches Urteil, sei es durch das ordentliche und allgemeine Lehramt.“ Blieb der neue Treueid unwidersprochen? Nicht ganz.

„In Deutschland hat es in akademischen Kreisen doch auch Widerstand gegeben, denken wir an die Kölner Erklärung, wo man in Maßnahmen dieser Art eine Bevormundung durch Rom, wie man dann gerne sagt, gesehen hat. Aber vergessen wir nicht: Es handelt sich darum, dass Menschen, die Verantwortung für die Kirche in Lehre oder Leitung übernehmen, dass sie sich eindeutig und verbindlich zur Lehrtradition der Kirche bekennen.“

Dem Entstehen von Irrlehren kann man zwar mit keiner Schwurformel vorbeugen, so der Kirchenhistoriker Grohe, man kann aber gleichsam die „Geschäftsbedingungen“ klar machen.

„Natürlich wird es nie ein menschliches Mittel geben, mit dem man Häresien einfach vermeiden kann. Es gehört zum Weg der Kirche durch die Zeit, dass sie den Glauben, den sie von Jesus Christus empfangen und durch die Apostel vermittelt bekommen hat, immer wird verteidigen müssen. Wir werden nie eine Zeit erleben, in der der glaube der Kirche unangefochten ist. Maßnahmen greifen dann immer bis zu einem bestimmten Punkt, können aber nie die Heiligkeit und Festigkeit der Lehre garantieren. Sie allein garantieren nicht, dass Kopf und Herz der einzelnen immer bei Gott und der Lehre der Kirche sind. Aber sie können gewissermaßen das Vorfeld klären.“
(rv/kna 01.09.2010 gs)








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