Wieder einmal eine
hoffnungsvolle Nachricht aus dem Geburtsort des Völkerapostels Paulus: Die Kirche
in Tarsus im Süden der Türkei soll der Christlichen Minderheit des Landes wieder als
Kirche zur Verfügung stehen. Das regte der Leiter der türkischen Religionsbehörde,
Ali Bardakoglu, in der vergangenen Woche an. Bisher dient die Kirche im Geburtsort
des großen Theologen der frühen Christenheit nur als Museum und steht für religiöse
Veranstaltungen nicht zur Verfügung. Allemal ein wichtiges Signal für die christliche
Minderheit in Kleinasien, sei dieser Vorstoß, meint der Kölner Kardinal Joachim Meisner
im Gespräch mit dem Domradio. Es ist jedoch nicht das erste Mal, das ein solcher Vorschlag
aus dem türkischen Religionsamt kommt – kein Grund zu allzu großer Euphorie also:
„Ich
bin schon mehrfach durch Versprechungen hoher türkischer Autoritäten mit Hoffnung
erfüllt worden, die sich dann als trügerisch erwiesen. Ich bleibe aber bei dem urchristlichen
Grundsatz: „sperare contra spem“, also „gegen die Hoffnung zu hoffen“, auf dass die
mittelalterliche Kirche in Tarsus uns Christen zurückgegeben wird.“
Interessanter
als die Forderung selbst ist vielleicht die Begründung, mit der Bardakoglu sich für
eine Wiedereröffnung der Kirche einsetzt: Gerade im Zusammenhang mit dem Schweizer
Minarettverbot sollte die Türkei ein Zeichen setzen und allen religiösen Minderheiten
die Freiheit in der Ausübung ihres Glaubens gewährleisten, so der Chef der Religionsbehörde.
Doch
auch hinter dieser Begründung steckt ein wenig politisches Kalkül – das meint jedenfalls
der Türkei-Experte des katholischen Hilfswerkes missio, Otmar Oehring. Für ihn steht
der erneute Vorstoß im Zusammenhang mit den Beitragsverhandlungen der Türkei zur EU.
Doch wie ist überhaupt die Lage der Christen in der Türkei? Das fragten unsere Kollegen
vom domradio den Türkei-Spezialisten Oehring:
„Die Lage der Christen ist
insgesamt natürlich viel besser, als sie noch vor zehn oder zwanzig Jahren war. Da
gibt es überhaupt keinen Vergleich. Aber verglichen mit den islamischen Ländern in
der Umgebung der Türkei, insbesondere in der arabischen Welt, in Syrien, im Libanon
und auch anderen Ländern, ist die Lage der Christen in der Türkei weiterhin sehr angespannt.
Es gibt einerseits natürlich Möglichkeiten wie in der westlichen Welt, z.B. Religionswechsel,
aber das ist eine mehr theoretische Möglichkeit. Auf der anderen Seite, wenn es um
die Religionsausübung der Christen und insbesondere auch die Organisation, die Selbstverwaltung
der Kirchen in der Türkei geht, muss man ganz klar sagen: Von Religionsfreiheit in
der Türkei kann sicher keine Rede sein.“
Vor knapp drei Monaten wurde der
Vorsitzende der türkischen Bischofskonferenz, Luigi Padovese, ermordet. Hinter dem
Mord standen zwar keine politischen oder religiösen Motive, aber trotzdem: Für die
rund 100.000 Christen wäre es ein bedeutender Schritt, meint der Kölner Erzbischof
Meisner:
„Nach den sehr traurigen Nachrichten der letzten Jahre über die
Situation der Christen in der Türkei ist die jüngste Meldung wie ein Silberstreif
am Himmel. Es wäre ein Signal für die ganze Welt! Da Paulus in Tarsus geboren wurde,
ist der Ort mit der Person des Völkerapostels unauflöslich verbunden. Damit würde
ein positives Zeichen auch an unsere Gesellschaft in Deutschland gesendet, wo den
türkischstämmigen Mitbürgern muslimischen Glaubens immer wieder nahegelegt wird, sie
mögen sich für dieselben Rechte der Religionsfreiheit in ihrem Ursprungsland einsetzen,
wie sie in Deutschland und in Europa allgemein gelten.“
Andererseits: Wenn
sich die Lage der türkischen Christen in ihrer Gesamtheit nicht verändert, dann bleibt
auch die Wiedereröffnung der Paulus-Kirche nichts als ein Tropfen auf den heißen Stein,
erklärt Otmar Oehring von missio:
„Im Grunde genommen ist das eine kleine
Angelegenheit im Vergleich mit dem, was die Kirchen und die nicht-muslimischen Minderheit
in der Türkei eigentlich vom Staat erwarten. Sie erwarten, dass sie anerkannt werden,
dass sie als Kirchen oder Religionsgemeinschaften so funktionieren können, wie das
bei uns auch möglich ist und in der Türkei auch möglich sein müsste, weil die Türkei,
wie die BRD, die europäischen Menschenrechtskonvention unterzeichnet, sie ist also
dort auch Gesetz geworden. Damit müsste im Grunde genommen den Christen, Juden und
allen anderen Religionsgemeinschaften, natürlich auch dem Islam, volle Religionsfreiheit
zugebilligt werden. Das ist nicht der Fall. Wenn man jetzt hergeht und sagt: „Öffne
doch eine Kirche“, welche auch immer das sein mag. Dann ist es zwar schön, wenn diese
Kirche geöffnet wird, das kann auch aus historischen, kirchengeschichtlichen Gründen
von ganz großer Bedeutung sein, insbesondere natürlich im Fall der Pauluskirche in
Tarsus. Es ändert aber an der grundsätzlichen Problematik nichts.“