Bei der verheerenden
Flutkatastrophe in Pakistan steht das Schlimmste womöglich erst noch bevor: Weil es
im Norden des Landes in den letzten Tagen wieder geregnet hat, rollt nun eine zweite
Flutwelle durch die zentralpakistanische Provinz Punjab und weiter nach Süden. Die
Fluten lassen den Fluss Chenab anschwellen und könnten trotz aller Schutzmaßnahmen
die Metropole Multan treffen: Dort leben viereinhalb Millionen Menschen. Die Vereinten
Nationen rufen die internationale Gemeinschaft zu Soforthilfen in Höhe von umgerechnet
350 Millionen Euro auf. Immerhin - trotz erheblicher Schwierigkeiten wegen der zu
großen Teilen zerstörten Infrastruktur gelangt jeden Tag mehr Hilfe zu den Flutopfern.
Caritas international, das Hilfswerk der deutschen Caritas sagt, dass sich innerhalb
von von vier Tagen die Spendeneingänge verfünffacht haben - auf jetzt 230.000 Euro.
Reinhard Würkner ist Asien-Experte des Deutschen Caritasverbandes. Er hat
den Eindruck, dass die Flut in Pakistan bei den Menschen im Westen weniger Betroffenheit
auslöst als etwa das Erdbeben in Haiti vor sieben Monaten. Das liege wohl vor allem
an den Fernsehbildern:
„Erdbeben ist eigentlich immer schrecklicher als
eine Flut. Das kommt anders rüber, die eingestürzten Häuser... Man kann auch nahe
heran gehen – im Gegensatz zur Flut in Pakistan zum Beispiel, wo’s aufgrund der mittlerweile
kaputten Verkehrsverbindungen wenig Zugang gibt. Inzwischen bekommen wir aus Pakistan
zwar Bilder aus der Luft, die aus Hubschraubern gemacht werden, aber das vermittelt
natürlich einen ganz anderen Eindruck als ein Erdbeben wie Haiti oder ähnliches.“
Viele
Hilfswerke sind daran gewöhnt, nach Überschwemmungen in armen Ländern zu helfen. Aber
Pakistan stellt sie vor ganz besondere Schwierigkeiten – und das hat geografische
Gründe:
„Man muss sich vorstellen, Pakistan hat fünf große Flüsse. Der
längste ist der Indus mit über 1.500 Kilometern. Angenommen, die haben ein Einzugsgebiet
(oder ein Überschwemmungsgebiet) von zwei, drei Kilometern rechts und links - dann
haben Sie Tausende von Quadratkilometern, die unter Wasser stehen und die man nicht
einfach so versorgen kann. Das Problem ist nicht so sehr die Überschwemmung, sondern
das Problem ist die geographische Ausgedehntheit der ganzen Geschichte. Bei den meisten
Überschwemmungen in der Vergangenheit (auch in Indien zum Beispiel gibt’s jedes Jahr
Überschwemmungen) ist es relativ lokal begrenzt. Das heißt, man hat zwar von mir aus
einige hundert Quadratkilometer, die unter Wasser stehen, aber es ist alles nahe beieinander
und man kann da wirklich von verschiedenen Seiten Hilfe leisten.“
Weitere
Hürden für die Helfer: die kaputte Infrastruktur und die instabile Sicherheitslage
in Pakistan.
„Die Sicherheitslage gerade für Ausländer ist alles andere
als gut. Was dazu führt, dass sich also Europäer tunlichst nicht in bestimmten Gegenden
blicken lassen. Gerade der Norden ist ja aufgrund des hohen Taliban-Aufkommens ein
so genannter „Hot Spot“, also eine Problemzone. Nicht von ungefähr haben dort auch
islamistische Gruppen das Heft wieder ergriffen und versuchen, aus der ganzen Sache
Kapital zu schlagen, indem sie eben – sei’s auch nur klein, aber doch immerhin –als
Zeichen der Solidarität Dinge verteilen und den Leuten vermitteln oder vermitteln
wollen, dass sie sozusagen besser sind als die Regierung, die sie hängen lässt.“