Sicherheitsverwahrung
– dieses Wort steht für eine heftige Debatte, die Deutschland in diesen Tagen wieder
einmal heimsucht. Soll man etwa Sexualstraftäter, bei denen man nach ihrer Entlassung
einen Rückfall befürchten muss, „für immer wegsperren“? Im Interview mit dem Kölner
Domradio meint der Tübinger Moraltheologe Franz-Josef Bormann, man müsse bei der emotional
heftigen Debatte „verschiedene Ebenen unterscheiden“. „Zuerst einmal die rein
gesetzestechnische Frage: Hier kann man grundsätzlich sagen, dass die Sicherungsverwahrung
nur als letztes Mittel überhaupt in Betracht kommt. Und man muss überlegen, wie das
rechtsstaatlich zu beurteilen ist. Das Bundesverfassungsgericht hat zu Recht darauf
hingewiesen, dass zumindest ein generelles Verbot der nachträglichen Sicherungsverwahrung
nicht überzeugend ist.“ Die zweite Frage sei eine rechtspolitische: „Gehen
wir mit den Schwerkriminellen richtig um?“ Und die dritte Frage sei die moralische
Dimension: „Wie kann man die Persönlichkeitsrechte straffälliger Bürger mit den legitimen
Sicherheitsinteressen der Gesellschaft in Ausgleich bringen?“ Da falle es schon auf,
dass das christliche Verständnis von Neubeginn und Versöhnung derzeit in der Diskussion
gar keine Rolle spiele. „Wenn man bedenkt, dass die bundesrepublikanische Gesellschaft
immerhin zu zwei Dritteln aus getauften Christen unterschiedlicher Konfessionen besteht,
müsste man eigentlich erwarten, dass der Gedanke von Vergebung, Versöhnung, Neubeginn
auch im Horizont christlicher Ethik berücksichtigt und bedacht würde. Das ist aber
keineswegs der Fall, was sehr bedauerlich ist. Das ist sicher ein Manko in der öffentlichen
Diskussion!“
Aus Bormanns Sicht haben Straftäter das Recht auf eine Chance
zur Resozialisierung: Strafe sei schließlich „kein Selbstzweck“. „Der straffällig
gewordene Bürger ist auch mehr als nur ein Straftäter, er bleibt Mensch und ist weiterhin
Träger von Grundrechten und Menschenwürde. Der Blick muss auf jeden Fall über die
Straftat hinaus in die Zukunft, auf ein wieder normales Leben gerichtet werden. Es
soll wieder ein normales, rechtskonformes Leben ermöglicht werden.“ Ein normales
Leben – auch für einen entlassenen Vergewaltiger? Für viele Eltern ist genau das eine
Horror-Vorstellung. Sie wehren sich vielerorts, mit Mahnwachen etwa. Eine Idee, die
in diesem Zusammenhang zirkuliert, ist der so genannte Internet-Pranger. Für Bormann
ist das aber „eine relativ populistische Idee“: „Ob das funktionieren würde,
ob das überhaupt ein wirksames Instrument zur Befriedigung der legitimen Sicherheitsinteressen
der Bevölkerung wäre, das sei einmal dahingestellt, aber auf jeden Fall würden auch
noch weitere Funktionen mit einem solchen Instrument mit realisiert. Man spricht ja
auch von einer Einladung zum Missbrauch, man würde dem allgemeinen Voyeurismus Tür
und Tor öffnen, man würde Freiraum für Denunziationen bis hin zur Menschenjagd schaffen.
Eine weitere Funktion, die ich für ganz besonders problematisch halte, wäre die Einladung
zur Selbstjustiz. Im Mittelalter war es ja durchaus so, dass der an den Schandpfahl,
an den Pranger gestellte Täter auch von den vorübergehenden Bürgern öffentlich geschmäht
und mit Gegenständen beworfen werden durfte. Da ist es ganz deutlich, dass die Grenze
zur Selbstjustiz fließend würde...“ (domradio 13.08.2010 sk)