2010-08-13 11:05:58

D: „Vergebung nicht berücksichtigt“


RealAudioMP3 Sicherheitsverwahrung – dieses Wort steht für eine heftige Debatte, die Deutschland in diesen Tagen wieder einmal heimsucht. Soll man etwa Sexualstraftäter, bei denen man nach ihrer Entlassung einen Rückfall befürchten muss, „für immer wegsperren“? Im Interview mit dem Kölner Domradio meint der Tübinger Moraltheologe Franz-Josef Bormann, man müsse bei der emotional heftigen Debatte „verschiedene Ebenen unterscheiden“.
„Zuerst einmal die rein gesetzestechnische Frage: Hier kann man grundsätzlich sagen, dass die Sicherungsverwahrung nur als letztes Mittel überhaupt in Betracht kommt. Und man muss überlegen, wie das rechtsstaatlich zu beurteilen ist. Das Bundesverfassungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass zumindest ein generelles Verbot der nachträglichen Sicherungsverwahrung nicht überzeugend ist.“
Die zweite Frage sei eine rechtspolitische: „Gehen wir mit den Schwerkriminellen richtig um?“ Und die dritte Frage sei die moralische Dimension: „Wie kann man die Persönlichkeitsrechte straffälliger Bürger mit den legitimen Sicherheitsinteressen der Gesellschaft in Ausgleich bringen?“ Da falle es schon auf, dass das christliche Verständnis von Neubeginn und Versöhnung derzeit in der Diskussion gar keine Rolle spiele.
„Wenn man bedenkt, dass die bundesrepublikanische Gesellschaft immerhin zu zwei Dritteln aus getauften Christen unterschiedlicher Konfessionen besteht, müsste man eigentlich erwarten, dass der Gedanke von Vergebung, Versöhnung, Neubeginn auch im Horizont christlicher Ethik berücksichtigt und bedacht würde. Das ist aber keineswegs der Fall, was sehr bedauerlich ist. Das ist sicher ein Manko in der öffentlichen Diskussion!“

Aus Bormanns Sicht haben Straftäter das Recht auf eine Chance zur Resozialisierung: Strafe sei schließlich „kein Selbstzweck“.
„Der straffällig gewordene Bürger ist auch mehr als nur ein Straftäter, er bleibt Mensch und ist weiterhin Träger von Grundrechten und Menschenwürde. Der Blick muss auf jeden Fall über die Straftat hinaus in die Zukunft, auf ein wieder normales Leben gerichtet werden. Es soll wieder ein normales, rechtskonformes Leben ermöglicht werden.“
Ein normales Leben – auch für einen entlassenen Vergewaltiger? Für viele Eltern ist genau das eine Horror-Vorstellung. Sie wehren sich vielerorts, mit Mahnwachen etwa. Eine Idee, die in diesem Zusammenhang zirkuliert, ist der so genannte Internet-Pranger. Für Bormann ist das aber „eine relativ populistische Idee“:
„Ob das funktionieren würde, ob das überhaupt ein wirksames Instrument zur Befriedigung der legitimen Sicherheitsinteressen der Bevölkerung wäre, das sei einmal dahingestellt, aber auf jeden Fall würden auch noch weitere Funktionen mit einem solchen Instrument mit realisiert. Man spricht ja auch von einer Einladung zum Missbrauch, man würde dem allgemeinen Voyeurismus Tür und Tor öffnen, man würde Freiraum für Denunziationen bis hin zur Menschenjagd schaffen. Eine weitere Funktion, die ich für ganz besonders problematisch halte, wäre die Einladung zur Selbstjustiz. Im Mittelalter war es ja durchaus so, dass der an den Schandpfahl, an den Pranger gestellte Täter auch von den vorübergehenden Bürgern öffentlich geschmäht und mit Gegenständen beworfen werden durfte. Da ist es ganz deutlich, dass die Grenze zur Selbstjustiz fließend würde...“
(domradio 13.08.2010 sk)







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