Pakistan: „Lage noch weit schlimmer als in den Medien dargestellt“
„Die Bilder in den
Medien spiegeln nur einen Bruchteil der Trümmer wider, vor denen die Menschen in Pakistan
jetzt stehen.“ Das sagt die Katastrophenhilfe-Chefin der Caritas Österreich, Sabine
Wartha. In Pakistan habe ein ganzes Land seine gesamte Infrastruktur verloren: „Brunnen
sind verseucht, Straßen abgerutscht, Brücken weggeschwemmt, die Ernte ist komplett
vernichtet.“ Wie Wartha im Gespräch mit der Nachrichtenagentur kathpress berichtet,
war durch die Flutkatastrophe in Pakistan die Lebensgrundlage der Bevölkerung auf
einmal einfach „weg“: „Viele konnten sich nur mit dem retten, was sie am Leib getragen
haben. Ohnehin schon gezeichnet von ihrer Armut und früheren Katastrophen stehen sie
jetzt vor dem absoluten Nichts.“ Die Betroffenen bräuchten langfristig Unterstützung,
um sich wieder selbst ernähren zu können.
„Wir stehen täglich in Kontakt mit
Partnern und Organisationen an Ort und Stelle“, so Wartha. „Es gibt eine Caritas Pakistan,
die aufgrund der vielen Katastrophen, die das Land heimsuchen, schon über viel Erfahrung
verfügt. Sie verteilt, was die Menschen derzeit zum Überleben brauchen.“ Dazu gehörten
u. a. Wasserreinigungstabletten, Notzelte, Hygieneartikel, Lebensmittel und Trinkwasser:
„Es gibt ja zwar überall Wasser, aber kein Trinkwasser“. Auch medizinische Zentren
seien eingerichtet worden.
Die Hilfsorganisation versorgt einige Tausend Familien,
„die Zahl der Betroffenen steigt täglich, weil sich die Situation nicht verbessert
hat“. Auch Mitarbeiter der holländischen und der US-Caritas sind im Helfer-Netzwerk
vereint. „Eine Mitarbeiterin der amerikanischen Caritas hat mir gestern berichtet,
sie habe noch nie so schmutziges Wasser gesehen. Es ist unvorstellbar, in welcher
Situation die Menschen hier leben und überleben müssen“. Vor allem litten die Betroffenen
darunter, dass sie ihre Häuser verlassen mussten: Auf bloßer Erde, von Wasser umgeben,
müssten sie die Nächte verbringen.
„Die Verteilung von Hilfsgütern ist immer
eine schwierige Aufgabe“, erklärt Wartha. Es sammelten sich meist Hunderte, Tausende
Menschen, die vielleicht schon tagelang auf Hilfe gewartet haben: „Meiner Erfahrung
nach sind die Menschen trotz ihrer Misere sehr geduldig“. Die Helfer im Hochwassergebiet
hätten bereits viele Katastrophen erlebt: „Aber so problematisch waren die Bedingungen
noch nie, weil so ein Großteil der Infrastruktur völlig zerstört ist“, so Wartha.
Dies stelle die Mitarbeiter vor enorme logistische Herausforderungen; die Helfer arbeiteten
unter extremen Druck, Hilfsgüter rechtzeitig zu den Betroffenen bringen zu können.
Rund 14 Millionen Menschen seien von der Katastrophe betroffen; das Überleben
von etwa sechs Millionen Menschen sei von der Soforthilfe abhängig. „Es ist Urlaubszeit,
und Pakistan scheint für viele Menschen weit weg zu sein, aber wir brauchen dringend
Spenden, um lokal arbeiten und Hilfsgüter einkaufen zu können“, appelliert die Katastrophenhilfe-Chefin
an die Hilfsbereitschaft der Österreicher. „Viele Einheimische kennen Hochwasser ja
aus eigener Erfahrung, es ist eine entsetzliche Situation.“
Die Vereinten Nationen
haben die internationale Gemeinschaft um Soforthilfen in Höhe von umgerechnet 350
Millionen Euro für die Flutopfer in Pakistan gebeten. Anderenfalls drohe eine zweite
Welle von Todesopfern durch Krankheit und Hungersnöte, sagte UNO-Nothilfekoordinator
John Holmes in New York. Die UNO rechnet mit Schäden von mehreren Milliarden Dollar
für die Landwirtschaft, in der fast jeder zweite Beschäftigte in Pakistan arbeitet.