2010-08-12 11:42:39

Afghanistan: Die meisten Opfer sind Frauen und Kinder


RealAudioMP3 Die meisten Opfer des Krieges in Afghanistan sind Frauen und Kinder. Das geht aus einem neuen UNO-Bericht hervor. In den ersten sechs Monaten 2010 sind über 1.200 Afghanen gewaltsam ums Leben gekommen: Das ist ein Anstieg um ein Viertel um Vergleich zum gleichen Zeitraum im Vorjahr. Der Schwede Staffan de Mistura ist seit März UNO-Sondergesandter in Afghanistan. Er sagt im Gespräch mit uns:

„Es ist schwindelerregend zu sehen, wie dieser Konflikt immer mehr zivile Todesopfer fordert. Wir sprechen von 3.268 getöteten oder verletzten Zivilisten im letzten halben Jahr. 71 Prozent von ihnen wurden von den Taliban verletzt oder aber umgebracht. Dass die meisten Opfer Frauen und Kinder sind – mit diesem Befund hatten wir nicht gerechnet. In den letzten sechs Monaten gab es 55 Prozent mehr getötete oder verletzte Kinder – meist ging das auf das Konto der Taliban, aber in einigen Fällen auch auf das der Nato-Luftangriffe. Man muss sagen, dass die Nato wirklich viel tut, um die so genannten Kollateralschäden einzudämmen. Die Zahl der Opfer von Luftschlägen ist um ca. 64 Prozent gesunken. Das zeigt, dass unser Druck und der Druck der öffentlichen Meinung Wirkung gezeigt hat.“

Aber warum richtet sich der Taliban-Terror immer mehr gegen die afghanische Zivilbevölkerung? Haben die Extremisten ihre Strategie geändert?

„Es gibt verschiedene Analysen dazu. Wahrscheinlich wollen die Aufständischen, darunter vor allem die Taliban, der afghanischen Bevölkerung und der internationalen öffentlichen Meinung indirekt eine Botschaft zukommen lassen: Auch wenn Nato und reguläre afghanische Truppen den Druck auf die Taliban erhöhen (etwa indem bis zu 100.000 neue Soldaten aus dem Ausland hier ankommen), wollen sie mit spektakulären Aktionen zeigen, dass sie das Land in der Hand haben. Das sind isolierte, aber erschreckende Terrorakte.“

In diesen Zusammenhang zeichnet der UNO-Sondergesandte auch die Ermordung von acht christlichen Ärzten in Afghanistan am letzten Wochenende ein. Unter den Getöteten ist auch eine Deutsche.

„Das war eine kaltblütige Hinrichtung von Ärzten, die eine vorbildliche Arbeit leisteten: Einer von ihnen war der Vater einer Kollegin von mir. Er war seit dreißig Jahren hier im Land und führte bei Menschen, die zu erblinden drohten, Augenoperationen durch; oft ritt er auf einem Maultier, um die Dörfer zu erreichen. Das hat die Taliban nicht davon abgehalten, ihn zu erschiessen. Sie scheinen derzeit wirklich eine Tendenz zu haben, die Leute mit Terrorakten zu schockieren...“

Staffan de Mistura ist Nachfolger des umstrittenen norwegischen Diplomaten Kai Eide in Kabul. Er arbeitet seit fast vierzig Jahren bei der UNO, u.a. leitete er bis vor kurzem das Büro der Vereinten Nationen im Irak.

(rv 12.08.2010 sk)







All the contents on this site are copyrighted ©.