Afghanistan: Entsetzen über Mord an christl. Entwicklungshelfer
Im Nordosten Afghanistans
sind zehn Mitarbeiter der christlichen Hilfsorganisation „International Assistance
Mission“ (IAM) ermordet worden. Es handelt sich um Angehörige eines mobilen Augenarzt-Teams:
darunter eine deutsche Ärztin. Sowohl die Taliban wie die islamische Partei Hizb-e-Islami
haben sich zu dem Überfall bekannt. Eine Sprecherin der deutschen Bundesregierung
sprach von einem „feigen Mord“. Berlin dringe auf eine „gründliche Aufklärung der
Umstände“ und eine Bestrafung der Verbrecher. Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag,
Hans-Peter Friedrich, der am 6. August von einem Besuch Afghanistans zurückkehrte,
erklärte, dort herrschten kriegsähnliche Zustände. Jeden Tag gehe es „um das Leben
unserer Soldaten und der Angehörigen von Hilfsorganisationen“. Als Konsequenz des
Anschlags forderte er, mit aller Härte gegen Aufständische vorzugehen. Tief erschüttert
über die Tötung der Helfer zeigte sich auch der Fraktionschef von Bündnis 90/Die Grünen,
Jürgen Trittin. Dies zeige, wie weit Afghanistan von einer Stabilisierung entfernt
sei. Unterdessen hat die afghanische Polizei nach Informationen des britischen Fernsehsenders
BBC einen Fahrer des Ärzteteams verhaftet. Die örtliche Polizei mache Straßenräuber
für die Tat verantwortlich.
Wir haben mit dem Barnabitenmissionar P. Giuseppe
Moretti gesprochen, der verantwortlich ist für die kleine katholische Gemeinde in
Kabul. Seine Einschätzung:
„Derzeit bereitet sich das Land auf die Wahlen
im September vor. Mir scheint, dass die Taliban demonstrieren wollen, dass sie sich
gegen die Demokratisierung des Landes stemmen. In Kabul erscheint die Lage entspannt,
aber man merkt die Zunahme der Sicherheitsmaßnahmen.“ Der Seelsorger zeichnet
ein pessimistisches Bild von der Lage im Land:
„Viele Menschen sind ums
Leben gekommen, auf Seiten der Zivilbevölkerung, unter den afghanischen Soldaten und
auf Seiten der ausländischen Schutztruppen, aber um welchen Preis? Die Menschen haben
den Eindruck, dass die internationalen Hilfen nicht bei ihnen ankommen. Es fehlen
Schulen, Krankenhäuser. Die Löhne sind nicht gestiegen, dafür hat die Arbeitslosigkeit
zugenommen.“ Das Ärzteteam missachtete laut Polizeiangaben die Warnung von
Einheimischen vor Rebellen und campierte nach seinem Hilfseinsatz einige Tage in freier
Natur. Ein überlebender Afghane sei verschont worden, weil er Koranverse rezitiert
habe, als er erschossen werden sollte. Dadurch hätten ihn die Bewaffneten als gläubigen
Muslim identifiziert. Er sei in der von den Taliban dominierten Nachbarprovinz Nuristan
freigelassen worden. Die Opfer arbeiteten für die Augenklinik Noor in Kabul. Sie gehörten
zur christlichen Hilfsorganisation International Assistance Mission. IAM teilte am
Samstag auf seiner Homepage mit, die zehnköpfige Gruppe sei nach ihrer medizinischen
Arbeit in Nuristan auf dem Rückweg nach Kabul gewesen. Man hoffe, dass „diese Tragödie“
nicht dazu führe, dass IAM nach 44 Jahren im Land die Arbeit einstellen müsse. IAM
widersprach dem Vorwurf, die Ärzte hätten in dem muslimisch geprägten Land missioniert.