D: „Neue Chancen schaffen für Welt ohne Atomwaffen“
Die zwei großen Kirchen in Deutschland fordern dazu auf, „neue Chancen“ für eine „Welt
ohne Atomwaffen“ zu ergreifen. Die deutsche Regierung solle „sich dafür einsetzen,
sobald wie möglich mit multilateralen Verhandlungen über einen Vertrag zu beginnen,
der die überprüfbare Abschaffung der Atomwaffen transparent und konkret in einem festen
Zeitrahmen regelt.“
(pm 04.08.2010 sk)
Wir dokumentieren hier die
gemeinsame Erklärung des Präsidenten der deutschen Sektion von pax christi, Bischof
Heinz Josef Algermissen und des Friedensbeauftragten des Rates der Evangelischen Kirche
in Deutschland (EKD), Renke Brahms:
Zum 65. Mal jähren sich am 6. und 9.
August 2010 die atomaren Angriffe auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki.
Die Erinnerung an den Tod Hundertausender ist bis heute Mahnung an uns, jeden weiteren
Einsatz von Atomwaffen zu verhindern.
Gerade in diesem Jahr hat die Vision
einer Welt ohne Atomwaffen neue politische Bedeutung erlangt. Dazu beigetragen hat
nicht nur US-Präsident Obama mit seiner Prager Rede sondern auch ungezählte Menschen,
die sich im Vorfeld der Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag (=Nichtverbreitungsvertrag)
im Mai 2010 für die Abschaffung aller Atomwaffen eingesetzt haben. Millionen Unterschriften
aus aller Welt - darunter allein 14 Millionen aus Japan und aus Deutschland 25 000
unter dem Appell „Für eine Zukunft ohne Atomwaffen“ - sind Ausdruck des weltweit gemeinsamen
Traums einer neuen Wirklichkeit ohne Atomwaffen. Denn eine Welt ohne diese furchtbaren
Waffen ist keine Utopie, sondern eine konkrete Verpflichtung der Unterzeichner des
Nichtverbreitungsvertrages.
Solange Atomwaffen existieren, bestehen Gefahr
und Anreiz zu ihrer weiteren Verbreitung. Jede zivile Nutzung von Atomkraft birgt
das Risiko, dass für zivile Zwecke hergestelltes Material in waffenfähiges Material
umgewandelt wird. Militärstrategien, die Atomwaffen mit dem Ziel der Sicherheit und
Verteidigung oder als Machtfaktor einplanen, bremsen den Prozess der internationalen
nuklearen Abrüstung und Nichtverbreitung. Nur die Überwindung der nuklearen Abschreckung
durch die Ächtung aller Massenvernichtungsmittel und ihre vollständige Abrüstung kann
die Gefahr bannen, die von der Existenz dieser Waffen ausgeht.
Frieden braucht
Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit kann einzig erreicht werden, wenn internationale Vereinbarungen
streng eingehalten werden. Das ist auch die Basis für vertrauensbildende Maßnahmen
zugunsten globaler Sicherheit und weltweiter Nichtverbreitungspolitik. Dem werden
die Ergebnisse der diesjährigen Überprüfungskonferenz zum Nichtverbreitungsvertrag
nicht gerecht. Denn das Versprechen zur Abrüstung wurde wieder nicht eingelöst. Der
Erfolg, dass wieder ein gemeinsames Abschlussdokument zustande gekommen ist, bedeutet
vor allem die Rettung des Nichtverbreitungsvertrages an sich, aber noch keinen Fortschritt
für die in Artikel VI des Vertrages vor 42 Jahren vereinbarte Abrüstung. Das Fehlen
eines Zeitplanes für die Umsetzung der Aktionen, die das Abschlussdokument beschreibt,
ist das falsche Signal der Atomstaaten gegenüber der Mehrheit der Staaten, die sich
im Nichtverbreitungsvertrag auf den Verzicht auf Atomwaffen verpflichtet haben. Um
die Staaten, die technisch sofort zur nuklearen Rüstung in der Lage wären, weiterhin
von Atomwaffenprogrammen abzuhalten, müssten die Atomstaaten ihre Abrüstungsabsicht
endlich mit konkreten Zusagen untermauern. Zur Verhinderung von nuklearer Aufrüstung
und der Verbreitung von Atomwaffen reicht es nicht aus, längst vereinbartes erneut
zu bekräftigen.
Wichtige Zwischenschritte wie die Aufforderung zur Verringerung
der Rolle und Bedeutung von Atomwaffen in Sicherheitskonzepten und Strategien bleiben
im Abschlussdokument der Überprüfungskonferenz unverbindlich. Besonders enttäuschend
ist, dass eine Vereinbarung über den kurzfristigen Abzug amerikanischer Atomwaffen
aus nichtnuklear gerüsteten europäischen Staaten wie Deutschland ebenso fehlt wie
die Verpflichtung der Atomstaaten, die Modernisierung ihrer Arsenale zu beenden, die
Produktion militärisch nutzbaren Spaltmaterials einzustellen und die vorhandenen Vorräte
internationaler Kontrolle zu unterstellen.
Die internationale Staatengemeinschaft
steht jetzt vor der Herausforderung, für den Weg zur tatsächlichen Abschaffung der
Atomwaffen einen neuen Rahmen zu schaffen. Mit diesem Ziel haben sich 118 der 190
Staaten bei der Überprüfungskonferenz im Mai in New York für die Aufnahme von Verhandlungen
über eine Atomwaffenkonvention ausgesprochen. Vorbild dafür sind die Chemiewaffenkonvention
und der Vertrag von Ottawa zum Verbot von Antipersonenminen.
Die Bundesregierung
sollte diesen Weg unterstützen und sich dafür einsetzen, sobald wie möglich mit multilateralen
Verhandlungen über einen Vertrag zu beginnen, der die überprüfbare Abschaffung der
Atomwaffen transparent und konkret in einem festen Zeitrahmen regelt. Denn im Beginn
internationaler Verhandlungen über eine Atomwaffenkonvention liegt eine neue Chance,
die Gefahren, die von der Existenz nuklearer Massenvernichtungsmittel ausgehen, zu
bannen und diese Waffen vollständig abzuschaffen.