„Festa del Perdono“
– Fest des Verzeihens. Das wird jedes Jahr am 2. August in Assisi gefeiert. Es war
der heilige Franziskus selbst, der zu Beginn des 13. Jahrhunderts beim Papst (Honorius
III.) diesen kostenlosen Ablass der kleinen Leute erreichte. Bisher war der Ablass
eine Sache von Adligen oder Gutsituierten gewesen, die sich z.B. eine Reise ins Heilige
Land leisten konnten; jetzt aber konnten auch Arme und einfache Menschen im Ablass
einen großen Schritt auf Gott zu machen. Tausende von Pilgern waren deswegen am Montag
in Assisi und besuchten die dortige Portiunkula-Kapelle, in der der heilige Franziskus
seine letzten Lebensjahre verbrachte. Mit dem Ablasshandel der Lutherzeit, der den
„zeitlichen Nachlass der Sündenstrafen“ geradezu in Verruf brachte, hat das Glaubensfest
von Assisi nichts zu tun.
„Der Ablass ist eine kostenlose Initiative, mit der
Gott sich über die Sünder beugt, um sie zu retten“, erklärt der Erzbischof von Assisi,
Domenico Sorrentino. „Das war auch die Ursprungsidee des Franziskus: dem Bedürfnis
der Menschen nach Gottes Barmherzigkeit entgegenzukommen. Der Ablass von Assisi –
der „perdono“ – ist nur ein erster Schritt: Danach muss man ein erneuertes Leben in
Angriff nehmen.“
„Es ist sehr schön, zu sehen, wie Franziskus auf diese Idee
kam. Ich werde euch alle ins Paradies schicken, sagte er den Armen. Ich glaube, die
heutige Gesellschaft braucht die Erfahrung der Barmherzigkeit mehr denn je – der göttlichen
Barmherzigkeit, aber auch der der Menschen. Da geht es nicht einfach um ein vages
Gefühl der Solidarität, sondern um Hilfe für die Leidgeprüften und an den Rand Gestoßenen.
Das scheint mir von allergrößter Aktualität zu sein. Ich glaube, dafür ist auch diese
große Menge, die in diesen Tagen Assisi besucht, ein deutliches Zeichen.“
Die
„radikale Heiligkeit“ des heiligen Franziskus spreche auch noch die Menschen unserer
Zeit direkt an, beobachtet Erzbischof Sorrentino. Zu seiner „auf Jesus ausgerichteten,
evangeliumsgemäßen Radikalität“ führe auch der Portiunkula-Ablass. „Sobald das Geld
im Kasten klingt“? Nein – die Bedingungen sind ganz andere.
„Die Voraussetzungen
sind zutiefst spiritueller Art: Man muss zuerst in der Beichte um die Vergebung Gottes
gebeten und sie auch empfangen haben. Dann besucht man die Portiunkula-Kapelle oder
andere franziskanische bzw. Pfarrkirchen mit dieser Intention und nimmt an der Messfeier
teil. Und dann gibt es noch eine Bedingung, die wirklich entscheidend ist: die feste
Entschlossenheit, sich von der Sünde loszusagen und wirklich ein neues Leben zu beginnen.“
Er
hat schon viele Pilger erlebt, die wirklich an einem 2. August in Assisi ein neues
Leben angefangen haben – sagt Pater Saul Tambini, der Franziskaner, der sich hauptamtlich
um die Portiunkula-Kapelle kümmert.
„Als erstes denke ich da an mich selbst:
An einem 2. August vor ein paar Jahren habe ich eine Wende in meinem Leben erlebt.
Und immer wieder bekomme ich mit, dass Menschen, die aus ihrem Alltag „flüchten“ und
hier ihre Sünden bekennen, eine neue Drehung in ihr Leben hineinbekommen. Das ist
mehr als Emotion, das ist – christlich gesprochen – eine richtige Umkehr.“
„Im
Jahr 1937“ – so erzählt Pater Saul – war die Philosophin Simone Weil hier und berichtete
einem befreundeten Priester brieflich davon. Sie schrieb: „Ich habe in Assisi eine
kleine mittelalterliche Kirche gesehen, und da fühlte ich mich zum ersten Mal in meinem
Leben dazu gedrängt, hinzuknien.“ Damit begann für sie ein spirituell-mystischer Weg,
der diese ursprünglich jüdische Philosophin bis zur Bekehrung zum Christentum führte.
Ein ähnliches Erlebnis haben hier viele – sie fühlen eine Anwesenheit, die sie zum
Hinknien drängt. Und die Würde des Menschen und des Christen hat viel mit solchem
Hinknien zu tun...“