Seit fast einem Monat
geht es hin und her im wortreichen Konflikt zwischen der katholischen Kirche Venezuelas
und der Regierung des lateinamerikanischen Staates. Hauptakteure der Auseinandersetzung:
Der Erzbischof von Caracas, Kardinal Jorge Urosa Savino und Staatspräsident Hugo Chavez.
Ende Juni kritisierte Savino den Präsidenten und sagte, mittlerweile sei man „auf
dem Weg in die Diktatur“, Chavez führe das Land in den „marxistischen Totalitarismus“.
Der Präsident konterte, vor laufenden Kameras nannte er Urosa einen „Höhlenmensch“
und seines Amtes „unwürdig“. Seitdem schwelt der Konflikt, die Bandagen werden härter.
Kristina Kiauka sprach mit dem Länderreferenten der Konrad-Adenauer-Stiftung für Venezuela,
Georg Eickhoff, und fragte ihn, inwieweit es ein Konflikt zwischen zwei Männern, oder
schon zwischen zwei Staaten ist.
„Der Präsident hat dann im Verlauf dieser
Diskussion einen Außenminister angewiesen, den Vertrag mit dem Vatikan aus dem Jahr
1964 zu überprüfen. Es wird nicht damit gerechnet, dass da viel bei herauskommt, aber
das war natürlich nichts Freundliches gegenüber dem Vatikan. Außerdem gab es einige
Bemerkungen, dass der Vatikan keine legitime Vertretung der Christenheit sei. Das
ist ein theologisches ein gegen die Kirche und ihr Selbstverständnis gerichtetes Argument,
wonach derjenige die Kirche repräsentieren kann, der die Armen verteidigt. In seinem
Selbstverständnis ist das ist natürlich der Präsident selber, weshalb er sozusagen
„Kirche genug“ ist. Das ist alles hauptsächlich im Rahmen des Wahlkampfes zu sehen,
der gerade in Venezuela herrscht, d.h. im Vorfeld der Parlamentswahlen am 26. September
dieses Jahres.“
RV: Das heißt, das ganze ist nur ein Ablenkungsmanöver?
„Diese
Deutung hört man oft, allerdings muss man sagen, wenn man so hart herangeht, mit solchen
drastischen Schimpfworten einen Kardinal und die ganze Bischofskonferenz belegt, dann
hinterlässt das natürlich echte Schäden. Ein anderer Punkt, wo die Kirche dann auch
wirklich unter Druck gerät, ist der Umgang mit den katholischen Privatschulen, die
daran gehindert werden, die Inflation auszugleichen. So können sie ihre Lehrer nicht
mehr so bezahlen, wie das eigentlich angemessen wäre. Es gibt also schon echten Druck
auf die Kirche. Aber der Auslöser oder der Anlass ist der Wahlkampf.“
RV:
Wie sind denn bis jetzt die Reaktionen auf dieses Hin und Her zwischen den beiden
Seiten auf Seiten der Opposition, der Medien oder in der Bevölkerung?
„Die
katholische Kirche genießt sehr hohes Ansehen in Venezuela, auch als Faktor der Besonnenheit
und des Dialogs in der gegenwärtigen Situation, in der schwierigen Lage des Landes.
Deshalb gab es eine ganz breite Solidarität mit Kardinal Urosa, mit der Kirche in
ihrer Gesamtheit. Die Bischöfe haben einen Wahlhirtenbrief herausgegeben, in dem sie
auch noch einmal ihre Solidarität mit dem Kardinal ausdrücken. Als dieser Brief in
der Kirche, in der ich am Sonntag war, vorgelesen wurde, kam Applaus auf. Die Regierungsseite,
die Richter und alle Verfassungsorgane schließen sich den Aussagen des Präsidenten
an, das ist immer so. In der Presse ist das getrennt, da gibt es die regierungsfreundliche
Presse, die gegen den Kardinal ist, und die regierungskritische Presse, die für den
Kardinal ist. Die demokratischen Parteien haben sofort eine ganz klare Solidaritätsbekundung
mit dem Kardinal veröffentlicht.“
RV: Wie geht es vor allem nach dem Wahlkampf
weiter? Ist dann alles vorbei?
„Die Kirche hat eine klare Position gegen
das politische Projekt von Präsident Chavez. Man sagt, das sei ein Totalitarismus,
ein Marxismus, das sei Diktatur – oder ginge jedenfalls schrittweise immer mehr in
diese Richtung. So sagen das sowohl Kardinal Urosa, wie auch die gesamte Bischofskonferenz.
Der Konflikt ist so fundamental - er betrifft die Lehre der Kirche, er betrifft die
katholische Soziallehre - dass er bleiben wird, solange diese politische Orientierung
der Regierung bleiben wird. Es ist dann von beiden Seiten gefragt, ihn nicht eskalieren
zu lassen und ein friedliches Miteinander zu bewahren.“