Vatikan: Die Änderungen im Strafrecht im Einzelnen
Kurze Zusammenfassung der Veränderungen in den Normae de gravioribus delictis, die
der Kongregation für die Glaubenslehre vorbehalten sind Der neue Text der Normae
de gravioribus delictis (Normen über schwerwiegendere Straftaten), der im Anschluss
an die Entscheidung von Papst Benedikt XVI. vom 21. Mai 2010 modifiziert worden ist,
enthält verschiedene Veränderungen sowohl im Teil über die substantiellen Normen als
auch im Teil über die verfahrensrechtlichen Normen.
Die Veränderungen in den
Normen sind:
A) Im Anschluss an einige Vollmachten, die Papst Johannes Paul
II. der Kongregation für die Glaubenslehre gewährt und die später sein Nachfolger
Benedikt XVI. am 6. Mai 2005 bestätigt hat, wurden folgende Regelungen eingefügt:
1.
Das Recht, mit vorherigem Auftrag durch den Papst die Kardinäle, die Patriarchen,
die Gesandten des Apostolischen Stuhls, die Bischöfe und andere natürliche Personen
zu richten, die in den cann. 1405 § 3 CIC und 1061 CCEO genannt werden (Art. 1
§ 2). 2. Die Verlängerung der Verjährungsfrist der Strafverfolgung,
die nun zwanzig Jahre beträgt, wobei die Kongregation für die Glaubenslehre immer
das Recht hat, davon zu derogieren (Art. 7). 3. Die Vollmacht, das
Gerichtspersonal sowie die Anwälte und Prokuratoren von der Voraussetzung der Priesterweihe
und des Doktorats in Kirchenrecht zu dispensieren (Art. 15). 4. Die
Vollmacht, Rechtsakte im Fall der Übertretung von bloßen Verfahrensregelungen durch
untergeordnete Gerichte zu heilen, unbeschadet des Rechts auf Verteidigung (Art.
18). 5. Die Vollmacht, von einem Gerichtsprozess zu dispensieren, also
per decretum extra iudicium (durch ein außergerichtliches Dekret) vorzugehen:
In diesem Fall entscheidet die Kongregation für die Glaubenslehre nach einer Bewertung
des konkreten Tatbestandes von Fall zu Fall ex officio (von Amts wegen) oder
auf Antrag des Ordinarius oder des Hierarchen, wann sie gestattet, einen außergerichtlichen
Weg einzuschlagen (in jedem Fall muss für die Verhängung von unbefristeten Sühnestrafen
der Auftrag der Kongregation für die Glaubenslehre vorliegen) (Art. 21 § 2, 1
o). 6. Die Vollmacht, den Fall direkt dem Heiligen Vater für die
dimissio e statu clericali (Entlassung aus dem Klerikerstand) oder für die
depositio, una cum dispensatione a lege caelibatus (Absetzung zusammen
mit der Dispens von der Zölibatsverpflichtung) vorzulegen. Unbeschadet des Rechts
auf Verteidigung des Angeklagten, muss in diesem Fall klar sein, dass es sich um eine
extrem schwerwiegende Angelegenheit handelt und die in Frage stehende Straftat offenkundig
feststeht (Art. 21 § 2, 2 o). 7. Die Vollmacht,
an die höhere Entscheidungsinstanz der Ordentlichen Versammlung der Kongregation für
die Glaubenslehre zu rekurrieren, wenn Beschwerden gegen Verwaltungsmaßnahmen vorgebracht
werden, die von niedrigeren Instanzen der Kongregation im Zusammenhang mit reservierten
Straftaten vorgenommen oder approbiert worden sind (Art. 27).
B)Darüber hinaus sind im Text die nachfolgenden weiteren Veränderungen eingefügt
worden: 8. Hinzugefügt wurden die delicta contra fidem
(Straftaten gegen den Glauben), das sind Häresie, Apostasie und Schisma, für die vor
allem der Ordinarius ad normam iuris (nach Maßgabe des Gesetzes) zuständig
ist; dieser kann gerichtlich oder extra iudicium (außergerichtlich) in erster
Instanz vorgehen, unbeschadet des Rechts, an die Kongregation für die Glaubenslehre
zu appellieren oder zu rekurrieren (Art. 1 § 1 und Art. 2). 9. Bei
den Straftaten gegen die Eucharistie sind die Tatbestände der attentatio liturgicae
eucharistici Sacrificii actionis (Versuch der Feier des eucharistischen Opfers
ohne Priesterweihe) gemäß can. 1378 § 2, 1o CIC und das Vortäuschen derselben
gemäß can. 1379 CIC und can. 1443 CCEO nicht mehr in derselben Nummer behandelt; sie
werden nun getrennt berücksichtigt (Art. 3 § 1, 2o und
3 o). 10. Weiter bei den Straftaten gegen die Eucharistie
wurden in dem früher gültigen Text zwei Formulierungen gestrichen, nämlich “alterius
materiae sine altera” (die eine Gestalt ohne die andere) und “aut etiam utriusque
extra eucharisticam celebrationem” (oder auch beide außerhalb der Eucharistiefeier),
nun ersetzt durch “unius materiae vel utriusque” (einer oder beider Gestalten)
und “aut extra eam” (oder außerhalb der Eucharistiefeier) (Art. 3 § 2). 11.
Bei den Straftaten gegen das Sakrament der Buße wurden die Straftaten eingefügt,
die in can. 1378 § 2, 2o CIC (Versuch, die sakramentale Lossprechung
zu erteilen, obwohl dies nicht gültig möglich ist, oder die sakramentale Beichte
zu hören) und cann. 1379 CIC und 1443 CCEO (Vortäuschen der sakramentale Lossprechung)
genannt sind (Art. 4 § 1, 2 o und 3o). 12.
Hinzugefügt wurden die Tatbestände der indirekten Verletzung des Beichtgeheimnisses
(Art. 4 § 1, 5o) sowie die in übler Absicht erfolgte Beschaffung
und Verbreitung von sakramentalen Beichten (gemäß Dekret der Kongregation für die
Glaubenslehre vom 23. September 1988) (Art. 4 § 2). 13. Eingefügt
wurde der Straftatbestand der versuchten heiligen Weihe einer Frau gemäß der Regelung
des Dekrets der Kongregation für die Glaubenslehre vom 19. Dezember 2007 (Art.
5). 14. Bei den delicta contra mores (Straftaten gegen die Sitten)
wurde dem Minderjährigen eine volljährige Person, deren Vernunftgebrauch habituell
eingeschränkt ist, gleichgestellt. Dies gilt ausdrücklich nur für diese Straftat (Art.
6 § 1, 1 o). 15. Hinzugefügt wurde auch der Tatbestand
des Erwerbes, der Aufbewahrung und der Verbreitung pornographischer Bilder von Minderjährigen
unter 14 Jahrenin jedweder Form und mit jedwedem Mittel a clerico turpe
patrata (durch einen Kleriker in übler Absicht) (Art. 6 § 1, 2
o). 16. Geklärt wurde, dass die munera processui praeliminaria
(prozessvorbereitende Maßnahmen) von der Kongregation für die Glaubenslehre durchgeführt
werden können, aber nicht müssen (Art. 17). 17. Eingefügt wurde die
Möglichkeit, auch während der Voruntersuchung Vorsichtsmaßnahmen gemäß can. 1722 CIC
und can. 1473 CCEO zu treffen (Art. 19). (rv 15.7.2010 ord)