Milliardengewinn der Krankenkassen - Sparkurs im Gesundheitswesen?
„Haushaltsdefizit“
lautet das Stichwort, das derzeit die öffentlichen Debatten rund um das Thema Sparkurs
bestimmt – das trifft auf die EU-Länder ebenso zu wie auf den Vatikanstaat und zieht
noch weitere Kreise. Vor diesem Hintergrund ist es als kleine Sensation zu sehen,
dass die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland 2009 einen 1,4 Milliarden Euro
Überschuss erwirtschaftet haben. Die entsprechende Bilanz von diesem Mittwoch ruft
unterdessen alles andere als Euphorie hervor, zu präsent ist noch die Erinnerung an
vergangene Woche, als die Bunderregierung an das Verständnis ihrer Bürgerinnen und
Bürger dafür appellierte, in Punkto Gesundheit noch einmal tiefer in die Tasche greifen
zu müssen. Also Missmut und Verwunderung ob der Haushaltsbilanz der Krankenkassen.
Helene Maqua ist Sozialrechtsexpertin des Caritasverbandes und erklärt im Gespräch
mit dem Kölner Domradio, warum die Bilanz auch offenlegt, dass es im Gesundheitswesen
schon lange nicht mehr gerecht zugeht:
„Also ich bin völlig erschlagen von
der Summe, weil wir ja auf der anderen Seite immer die Einschränkungen der Krankenkassen
mitbekommen. Zum Beispiel können sich Familien, die ja sowieso eher am unteren Rande
des Einkommens liegen, kaum die Zusatzbeiträge zu den gesetzlichen Krankenkassen leisten.
Erst recht nicht die zusätzlichen Leistungen, die Ärzte dann noch außerhalb des Versicherungsschutzes
berechnen. Es kann nicht angehen, dass Menschen zu uns in die Beratung kommen, die
ihren Kindern keine ausreichende gesundheitliche Versorgung ermöglichen können. Es
kann auch nicht angehen, dass in der Familienpflege gespart wird: Auf der einen Seite
reden wir davon, junge Familien zu unterstützen, damit weniger Missbrauch an Kindern
passiert, auf der anderen Seite werden uns diese Gelder gestrichen und wird unsere
Arbeit unmöglich gemacht.“
Die Familien müssen folglich mehr im Blickpunkt
des Gesundheitswesens stehen. Ein Richtungswandel der Gesundheitspolitik sei nun überfällig,
folgert Maqua.
„Man sollte von den Plänen einer Gesundheitsreform erst einmal
Abstand nehmen. Man sollte eine neue Berechnung starten und auch die Wohlfahrtspflege
und die Caritas und die anderen Gesundheitsdienstleister mit ins Boot holen, die nicht
an dem System verdienen möchten, sondern die zur Hilfe der Patienten und der Menschen
in unserem Bistum und im Land da sind.“
Die Haltung der Krankenkassen selbst
zu ihrer Haushaltsbilanz sei zu überdenken, meint die Sozialrechtsexpertin. Das Argument,
dass die Wirtschaftskrise nächstes Jahr stärker zu spüren sei, dürfe nur bedingt gelten:
„Man
kann natürlich wenig gegen Sparmöglichkeiten sagen. Natürlich sind wir auch dafür,
dass die gesetzlichen Krankenkassen ihre Beiträge wirtschaftlich verwalten. Auf der
anderen Seite kann das aber nicht immer zu Lasten der Einrichtungen und Patienten
gehen. Wir müssen in unseren Einrichtungen ja auch Tarifsteigerungen, die im kommenden
Jahr anstehen, auffangen. Wenn wir das mit den existierenden Mitteln bewältigen müssen,
kann das nur zu Lasten der Qualität in den Einrichtungen gehen - und das heißt zu
Lasten der Patienten.”