Die französische Nationalversammlung
hat am Dienstag einen Gesetzentwurf zum völligen Verbot von Burka und Nikab gebilligt.
Die Abgeordneten stimmten am Dienstag in Paris mit 335 gegen 1 Stimme für das Verbot
des islamischen Ganzkörperschleiers in der Öffentlichkeit. Die meisten Sozialisten
und Kommunisten beteiligten sich nicht an der Abstimmung. Der Gesetzentwurf soll voraussichtlich
im September vom französischen Senat behandelt werden. Anne Preckel kommentiert.
Das
Burka-Verbot hat sich die französische Regierung buchstäblich auf die Fahnen geschrieben:
In den heißen Diskussionen um den Ganzkörperschleier kamen im Wahlkampf Fragen um
die nationale Identität und die französischen Werte mit auf den Tisch. Freiheit, Gleichheit,
Brüderlichkeit – klar, das wollen doch alle. Und tatsächlich gelang es der Regierungspartei
UMP, Kritiker selbst in den eigenen Reihen auf Linie zu bringen. So schloss sich der
parlamentarischen Entschließung gegen das Tragen des Ganzkörperschleiers im öffentlichen
Raum im Mai diesen Jahres bereits eine überwältigende Abgeordnetenmehrheit an, Sozialisten
inbegriffen. Mit der Abstimmung vom Dienstag ist eine weitere Hürde genommen: Sollte
der Entwurf im Herbst den Senat passieren, tritt das Verbot 2011 in Kraft.
„Weg
mit der Burka!“ Das klingt ähnlich wie vor sechs Jahren, als aus französischen Schulen
unter Protest zahlreicher Muslimen und Musliminnen die Kopftücher verbannt wurden.
Diese Verbote reihen sich ein in das Bestreben der französischen Regierung, jegliche
religiösen Symbole – wie auch etwa große Kreuze oder die jüdische Kippa – aus dem
öffentlichen Raum zu verbannen, sollten sie dort zu sehr auffallen. So wird dann das
geplante Burka-Verbot auch von der Mehrheit der Abgeordneten und Gesellschaft als
Schritt zu mehr Freiheit und zu einem besseren Zusammenleben gewertet – und in der
Politik darf die Rede von der Gleichberechtigung der Frau natürlich nicht fehlen.
Die
Bedenken von Kritikern, darunter Sozialisten und Religionsvertretern, sind allerdings
nicht von der Hand zu weisen. Sie sehen in dem möglichen Verbot einen Verstoß gegen
persönliche Rechte und schließlich gegen die Verfassung. Wäre es nicht ein unermessliches
Geschenk an Fundamentalisten, wenn das Gesetz durch das Verfassungsgericht oder den
Europäischen Menschenrechtsgerichtshof zu Fall gebracht würde? gibt der sozialistische
Abgeordnete Jean Glavany zu Bedenken. Seine Fraktion enthielt sich Dienstag der Abstimmung,
wenn sie auch grundsätzlich mit der Regierungspartei übereinstimme, „fundamentalistische
Verhaltensweisen wie das Tragen von Burka und Nikab zu verbieten“. Um letzte Zweifel
auszuräumen, hat die UMP einfach selbst die Prüfung des Gesetzes durch den Verfassungsrat
beantragt.
In Frankreich leben nur knapp 2.000 Burka-Trägerinnen. Wenn das
Gesetz im Frühjahr 2011 verbindlich werden sollte, winken ihnen beziehungsweise ihren
Ehemännern, Brüdern und Vätern saftige Strafen: Geldbußen zwischen 150 bis 30.000
Euro sowie der Besuch eines „Nachhilfekurses in Bürgerrecht“ sind vorgesehen. Die
Französischen Werte sind schließlich nicht billig zu haben, würde da vielleicht der
rechte Rand der Verfechter des Verbotes sagen. Dass ein Burka-Verbot einen Keil in
die Gesellschaft treiben könnte statt sie brüderlich zu vereinen, scheint kaum jemand
zu befürchten. Oder vielleicht nur einer: Der ehemalige UMP-Abgeordnete und Villepinist
Daniel Garrigue stimmte am Dienstag als einziger gegen das Burka-Verbot. Im Gespräch
mit der katholischen Tageszeitung „La Croix“ kritisierte er: „Um ein extremistisches
Verhalten zu bekämpfen, nimmt man das Risiko in Kauf, in eine totalitäre Gesellschaft
abzurutschen.“
Wir können gespannt sein, was der Europäische Menschenrechtsgerichtshof
zum französischen Burka-Verbot zu sagen hat – sollte er zur Frage angerufen werden.