Es wurde vertuscht,
verleugnet und verheimlicht – so urteilt die Journalistenvereinigung „Netzwerk Recherche
e.V.“ über die katholische Kirche in punkto Kommunikation und Aufklärung der Missbrauchsfälle.
Deshalb hat sie ihr den Preis „Die geschlossene Auster 2010“ verliehen. Der Pressesprecher
der Deutschen Bischofskonferenz hat den unbeliebten Preis am Wochenende in Hamburg
entgegengenommen. Warum, erklärt Matthias Kopp im Interview mit dem Kölner Domradio:
„Ich
habe meine Rede mit den Worten begonnen: Wenn ich jetzt Ihre Klischees als Journalisten
erfüllen würde, müsste ich diesen Preis eigentlich ablehnen. Aber wir haben ganz bewusst
entschieden, dass ich nach Hamburg gehe, um diese Chance zu nutzen und klarzumachen:
Ja, es hat in den vergangenen Monaten und auch Jahren Fehler gegeben. Aber wir wollen
uns diesen Fehlern stellen und auch schauen, was man besser machen kann. Und vor allen
Dingen war es mir wichtig, den Preis anzunehmen und deutlich zu machen: Die Auster
beherbergt eine Perle und damit viel Wertvolles. Ich glaube, dass die Kirche ganz
viel Wertvolles zu vermitteln hat, was wir auch aktiv tun.“
DBK-Sprecher
Kopp nimmt die Bewertung als „konstruktive Kritik“ aufzunehmen.
„Das ist
eine Chance für uns, aber auch eine ständige Mahnung. Das zeigt auch die Anerkennung,
die ich für die Bischofskonferenz der katholischen Kirche am Samstag in Hamburg für
mein Kommen erhalten habe, denn die meisten Preisträger der vergangenen Jahre sind
gar nicht erst dort erschienen, weil es sich ja um eine unbeliebte Auszeichnung handelt.
Aber auch dem Unbeliebten müssen wir uns stellen.“
Immer wieder wurde auch
in der Vergangenheit der Vorwurf laut, die Kirche stelle sich nicht den aktuellen
Fragen und Problemen der Gegenwart. Kopp warnt dagegen vor einer „fragmentarischen
Wahrnehmung“ der Kirche. Alle Bischöfe hätten sich schließlich mehrfach „tief beschämt
und erschüttert“ geäußert und um Vergebung gebeten, erinnert Kopp in Bezug auf die
Missbrauchsfälle. Und er räumt weiter ein:
„Natürlich sind neue Fragen zu
bedenken, z.B. in der Priesterausbildung und bei der Überarbeitung der Curricula -
es sind viele aktuelle Fragen, denen sich die Kirche stellt. Hier einfach pauschal
zu sagen, die Kirche würde nichts machen, entspricht einfach nicht der Wahrheit.“
Die
Kirche respektiere den Anspruch der Öffentlichkeit auf vollständige Informationen
nicht und widerspreche damit eigenen Wertepostulaten nach Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit,
teilte die Preisjury mit. Bei Aufarbeitung der Missbrauchsfälle würden nur Tatsachen
zugegeben, die sich nicht mehr leugnen ließen. Zudem habe die katholische Kirche recherchierende
Journalisten behindert. Kopp erinnert daran, dass die Kommunikationswege der Kirche
manchmal „etwas anders“ verliefen als in anderen Bereichen:
„Ich habe versucht,
deutlich zu machen, dass wir keine Aufsichtsräte haben, sondern Bischöfe, die in ihrer
Berufung und nach ihrer Ernennung, also ihrer Weihe, völlig autark und autonom handeln
wollen und sollen. In den Bistümern herrschen eigene Kommunikationsstrukturen. Wer
jetzt meint, die Kirchen mit Wirtschaftsunternehmen vergleichen zu können, der wird
bei uns keine Wirtschaftskommunikation wie in einem Unternehmen finden. Wir sind einfach
eine andere Institution als ein Wirtschaftsunternehmen oder eine politische Partei.
Deshalb sind auch manchmal die Regeln der Kommunikation andere.“
Als Institution
mit einem hohen medialen Interesse hoffe die Kirche nun ihrerseits auf die Fairness
der Journalisten:
„Das bedeutet faire Recherche, dass man uns nicht mit
Klischees und Vorurteilen behaftet, sondern uns auch eine Chance gibt, eine andere
Position bzw. unsere Position darzustellen. Deshalb bin ich am Wochenende zum Netzwerk
Recherche gegangen, weil ich die Chance hatte, dort eine Gegenrede zu halten. In den
meisten Fällen dieser Missbrauchsgeschichte haben wir auch einen durchaus fairen Umgang
mit den Medien erleben dürfen. Natürlich auch harte Konfrontationen, man ist uns hart
angegangen und hat hart recherchiert. Aber dieses Recherchieren muss auch weiterhin
fair bleiben. Dafür habe ich in Hamburg versucht zu werben.“
Die „Verschlossene
Auster“ ist ein Negativpreis „für Auskunftsverweigerer in Politik und Wirtschaft“.
Der seit 2002 verliehene Preis, eine Skulptur des Marburger Künstlers Ulrich Behner
aus reinem Schiefer, soll bei den Empfängern einen offeneren Umgang mit Presse und
Medien bewirken.