Die Kirche von Kuba feiert einen Verhandlungserfolg: 52 politische Gefangene werden
aus ihrer Haft entlassen. Bis zum Wochenende waren bereits 17 von ihnen auf freiem
Fuße, wie Angehörige und Vertreter des Vatikans in Havanna mitteilten. Sie sollen
Anfang dieser Woche nach Spanien ausgeflogen werden. Stimmen zu dem Verhandlungserfolg
von Vatikan-Sprecher Federico Lombardi und dem Politikwissenschaftler Bert Hoffmann
vom GIGA-Institut für Lateinamerika-Studien in Hamburg. Außerdem blickt Radio Vatikan
auf die Papstreise von Johannes Paul II. nach Kuba 1998 zurück:
„Libertad!” „Freiheit!“
Der Ruf der Damas de Blanco scheint endlich erhöht zu sein. Woche für Woche zogen
die Damen in weiß mit Gladiolen in den Händen durch Kubas Hauptstadt Havanna vor die
Kirche Santa Rita. So protestierten sie gegen die Inhaftierung ihrer Männer und Söhne.
An diesem Mittwoch hatte die Erzdiözese Havanna gute Neuigkeiten für die Frauen: Der
Karibikstaat wird 52 politische Häftlinge aus dem Gefängnis entlassen. Das ist das
Ergebnis eines gemeinsamen Treffens von Havannas Erzbischof Kardinal Jaime Ortega,
Präsident Raul Castro und dem spanischen Außenminister Miguel Angel Moratinos. Und
kurz darauf eine erste schöne Reaktion: Der Dissident Guillermo Farinas bricht seinen
Hungerstreik nach 135 Tagen ab. Er wollte mit der Nahrungsverweigerung die Freiheit
für kranke Mithäftlinge erreichen. Das sind wirklich gute Neuigkeiten meint Vatikansprecher
Federico Lombardi:
„Die offizielle Mitteilung des Erzbischofs von Havanna
über die Freilassung von mehr als 50 Häftlingen aus den kubanischen Gefängnissen,
die auch die Tageszeitung der kommunistischen Partei Kubas veröffentlichte, und der
Abbruch des Hungerstreiks des Journalisten Guillermo Farinas, sind die guten Neuigkeiten
von der Karibik-Insel, die wir seit einigen Wochen erwartet haben. Das sind bedeutende
Zeichen. Wir hoffen, dass sie auf einen stabilen Prozess hindeuten, hin zu einem Klima
des erneuerten Zusammenlebens in sozialer und politischer Hinsicht.“ Eine
entscheidende Rolle spielten in den Verhandlungen Havannas Erzbischof Ortega und der
Vorsitzende der Bischofskonferenz, Dionisio Garcia. Aber, das betont Lombardi, dies
sei nur möglich gewesen, da die katholische Kirche tief im kubanischen Volk verwurzelt
ist. Eine vom Volk getragene Kirche sei nun einmal der glaubwürdigste Vermittler.
Der Vatikan habe von Beginn an eine klare Position in den Verhandlungen eingenommen
und sich vor allem immer für eine Aufhebung des gegen Kuba verhängten Embargos ausgesprochen.
Die USA hatten mit dem Embargo auf die Errichtung der sozialistischen Republik 1961
geantwortet und der damit einhergehenden Enteignung von US-Betrieben.
„Seit
der Reise Johannes Paul II. bis hin zu den jüngsten Besuchen des Staatssekretärs,
Kardinal Tarcisio Bertone und Monsignore Dominque Mamberti, bis hin zu diplomatischen
Kontakten im Vatikan über die Situation auf Kuba, hat sich der Heilige Stuhl immer
gegen das Embargo ausgesprochen und sich damit solidarisch mit den Leiden des Volkes
gezeigt und auch bereit für die Unterstützung jedes konstruktiven Dialogs.“ In
seinem Wochenkommentar für Radio Vatikan zitiert Pater Lombardi Johannes Paul II..
„Auf
dass sich Kuba der Welt öffne und die Welt sich Kuba!“, rief Johannes Paul II während
seiner unvergesslichen Reise 1998. Mit Geduld sind wichtige Schritte in diese Richtung
getan worden. Wir wünschen alle, dass dieser Weg weiterführt.“ Die jüngsten
Meldungen aus Kuba bewertet der Politikwissenschaftler Bert Hoffmann vom GIGA-Institut
für Lateinamerika-Studien in Hamburg als einen ganz wichtigen Schritt in der Verhandlung
zwischen der Kirche, der Opposition und der Regierung in Havanna mit internationaler
Unterstützung.
„Die katholische Kirche in Kuba hat seit geraumer Zeit eine
Vermittlerrolle eingenommen, zwischen der Regierung und der politischen Opposition,
und es zeichnete sich ab, dass auch im Bereich der politischen Häftlinge Bewegung
in die Haltung der Regierung kommt. Man hat das vorher schon angekündigt, dass kranke
Häftlinge verlegt werden in Krankenhäuser, andere näher an ihre Familien heran und
es bahnte sich schon etwas an, dass es jetzt tatsächlich 52, also alle, die von der
Verhaftungswelle 2003 noch im Gefängnis waren, freigelassen werden sollen, das ist
sicherlich etwas mehr, als man unbedingt hätte erwarten können. Im Moment ist es noch
eine Ankündigung, es sind wohl fünf jetzt schon freigelassen worden, das wird sich
über einen Prozess von mehreren Wochen und Monaten noch hinziehen.“ Die 52
Amnestie-Kandidaten waren im März 2003 festgenommen worden. Innerhalb kurzer Zeit
wurden damals insgesamt 75 kubanische Regierungsgegner verhaftet und zu Gefängnisstrafen
zwischen sechs und 28 Jahren verurteilt. Die Aktion bekam von der Opposition den Namen
„Schwarzer Frühling“. Damals verschlechterte sich auch das Verhältnis zwischen den
Mitgliedsländern der EU und Kuba. Erst mit dem Führungswechsel in Kuba von Fidel Castro
hin zu Raul Castro wurde der Ton etwas entspannter. Hoffmann schreibt auch bei der
aktuellen Amnestie Raul Castro eine wichtige Rolle zu.
„Fidel Castro
ist nicht mehr die unsichtbare Macht hinter dem Thron, Raul Castro ist wirklich Regierungschef
und trifft Entscheidungen sehr viel pragmatischer als sein Bruder und ist auch sehr
darum bemüht als verlässlicher Verhandlungspartner international und national jetzt
auch wahrgenommen zu werden. Wirtschaftlich ist ganz klar, eine relativ dramatische
Situation der Regierung des Staates von Kuba der Hintergrund, warum man eine Aussöhnung
mit Teilen der Gesellschaft, auch mit der internationalen Gesellschaft sucht, das
Land kann sehr viel weniger importieren als vorher. Es gibt Versorgungsengpässe aller
Art und man ist da auch zum Beispiel mit Europa in einer wirtschaftlichen Besserung
der Beziehungen bemüht.“ Der Politikwissenschaftler hofft im Zuge der Amnestie-Ankündigung
auch auf ein Klima größerer Diskussionsmöglichkeit im Land. Denn das brauche der Staat.
Schließlich habe er auch nicht mehr die gleiche Legitimation wie noch vor 30 oder
40 Jahren. Trotz jüngster Zugeständnisse seitens Kubas bleibt Hoffmann skeptisch:
„Die
Gesetze und die Möglichkeiten des Staates neuerlich Leute auf Grund von Meinungsdelikten
zu verhaften, das bleibt bestehen, das sind Aspekte, die hierbei nicht vergessen werden
dürfen, aber trotzdem soll man diese Geste nicht kleinreden, das ist für die Gefangenen
natürlich persönlich sehr lebensbedeutend und aber auch politisch ist es ein ganz
wichtiges Zeichen, das der Staat zu Verhandlungslösungen bereit ist, um bestimmte
Sachen voranzubringen und ich denke, das ist sehr wichtig in der aktuellen Situation.“ Und
die Situation ist stark von dem mächtigen Nachbarn USA beeinflusst. Über eine Million
Kubaner leben in den Vereinigten Staaten. Darum setzt auch Havannas Erzbischof Ortega
große Hoffnungen in die US-Regierung. Auch Hoffmann meint, dass ein Auflockern der
Fronten hier noch entscheidender ist als in den Beziehungen zur Europäischen Union:
„Die Regierung Obama ist von sich aus auch sicherlich viel pragmatischer
als es die Vorgängerregierung unter Bush war. Das ist sehr viel weniger ideologisch
belastet und Obama hat ein paar Schritte eingeleitet. Dazu gehört, dass die Exil-Kubaner
ihren Familien auf der Insel wieder Geldsendungen schicken dürfen, dass sie besser
besuchen dürfen, das sind Vorschritte, die alleine machen noch keinen ganz großen
Wandel. Letztlich wird sich die Situation Kubas ganz stark daran entscheiden, ob sich
der Konflikt mit den USA in eine friedliche und pragmatische Richtung geht, ohne Revangegefühle
oder ob man weiter in der Frontstellung verharrt und dann auch vielleicht sehr massive
Konflikte eines Tages hat." Eine letzte große Amnestiewelle auf
Kuba hat es 1998 gegeben. Kurz nachdem Papst Johannes Paul II. dem Land einem Besuch
abgestattet hatte. Damals entließ die Regierung 299 Gefangene, darunter rund 100 politische
Häftlinge. Mit großen Ehren wurde Johannes Paul am Flughafen von Havanna am 21. Januar
empfangen und vier Tage später verabschiedet. Mit dabei war auch der damalige Regierungschef
Fidel Castro. Er hatte Johannes Paul II auf die Karibikinsel eingeladen. Der Papst
besuchte vier der elf Diözesen, feierte große Messen, besuchte Kranke und er wandte
sich zum Abschluss seiner Apostolischen Reise an die kubanischen Bischöfe:
„Das
kubanische Volk hofft und setzt großes Vertrauen in die Kirche. Das habe ich während
der vergangenen Tage beobachtet. Wohl wahr, einige der Erwartungen übersteigen die
spezifische Mission der Kirche, aber soweit wie möglich muss die Kirchengemeinschaft
sie alle in Betracht ziehen. Meine lieben Brüder, Ihr seid durch Eure Nähe zum Volk
privilegierte Zeugen dieser Erwartungen. Viele aus dem Volk vertrauen wahrhaft auf
Jesus Christus, den Sohn Gottes, und sie vertrauen auf seine Kirche, die auch angesichts
zahlreicher Schwierigkeiten immer treu bleibt.“ Johannes Paul II mahnte damals:
„Wenn
Wertmaßstäbe umgekehrt werden und Politik, Wirtschaft und soziale Unternehmungen nicht
mehr im Dienst der Menschen stehen, dann wird der Mensch mehr und mehr zu einem Mittel.
Er steht dann nicht mehr im Mittelpunkt aller dieser Aktivitäten, sondern er erfährt
ein essentielles Leid. Menschen werden dann nur noch als Verbraucher angesehen und
Freiheit versteht sich nur noch in einem sehr individuellen und reduzierten Sinne.
Keines dieser sozialen und politischen Modelle fördert ein Klima der Offenheit hin
zu einer Transzendenz der Person, die wirklich frei nach Gott sucht. Ich fordere Euch
darum auf, Eueren Dienst der Verteidigung und Förderung der menschlichen Würde fortzusetzen.“ Und
diese Aufforderung haben die Bischöfe Kubas sehr ernst genommen, wie die Meldungen
über die jüngste Amnestiewelle und regelmäßige Treffen mit der Regierung zeigen. Vielleicht
sind diese Worte noch Havannas Bischof Jaime Ortega gut in Erinnerung, mit denen sich
Johannes Paul II. verabschiedete:
„Meine lieben Brüder, zum Abschluss
dieser Überlegungen möchte ich Euch versichern, dass ich voller Hoffnung auf die Zukunft
nach Rom zurückkehre nachdem ich diese lebendige Kirche erleben durfte. Ich weiß um
das Ausmaß der Schwierigkeiten, denen Ihr gegenüber steht. Aber ich sehe auch Euren
tapferen Geist und Eure Fähigkeit diese Aufgabe anzunehmen. Voll Vertrauen fordere
ich Euch darum auf, Gesandte der Versöhnung zu werden. So dass die Leute, die Euch
vertrauen, die Probleme der Vergangenheit ablegen können und sich ausnahmslos einem
Weg der Versöhnung unter allen Kubanern nähern können. Wie Ihr alle sehr gut wisst,
Verzeihung ist vereinbar mit Gerechtigkeit. Die Zukunft dieses Landes muss auf Frieden
gebaut sein. Denn Friede ist die Frucht von angebotener und angenommener Gerechtigkeit
und Vergebung.“