Zdarsa im Wocheninterview – „Kirche bildet Anlaufpunkt“
Der künftige Bischof
von Augsburg, Konrad Zdarsa, hat die Katholiken in seiner neuen Diözese dazu aufgerufen,
die Streitigkeiten zu beenden. „Rechthaberei“, sagte Zdarsa im Gespräch mit der „Augsburger
Allgemeine“, stehe Christen schlecht zu Gesicht. Es sei jetzt an der Zeit, nach vorn
zu schauen. Und wie die Zukunft der Kirche aussehen soll, dazu hatte während des Kirchentages
in München Pater Bernd Hagenkord Gelegenheit, Bischof Zdarsa zu fragen. Seine erste
Frage lautete, in welche Richtung sich die Pastoral entwickeln werde.
„Ich
sprach jetzt vor kurzen erst mit einem der Domkapitulare und er sagte, dass unsere
Sicht auf die Sonntagsgottesdienstbesucher und viele unserer Urteile, die wir so als
Bilanzen ziehen, immer noch aus dem volkskirchlichen Denken schöpfen. Das werden wir,
die wir darin aufgewachsen sind, so schnell nicht ablegen. Aber ich denke, wir müssen
mehr den gegenwärtig gelebten Glauben sehen, und das auch mehr bewerten und darauf
auch mehr eingehen. Wie das so geht, weiß ich noch nicht. Sie sagten schon mit Recht,
dass es eine Flächendeckende Seelsorge nicht gibt. Bei den Gebieten in Brandenburg,
da können sie in der Früh schauen, wer nachmittags zum Kaffeetrinken kommt. Und da
gefällt mir eigentlich der Gedanke gut – unter anderen – dass man auch solche seelsorglichen
Zentren bilden kann, bzw. fördern sollte, die dann in die Weite ausstrahlen bzw. vor
Ort viele Möglichkeiten bieten. Ein großes umliegendes Gebiet, dass es - das das Wort
will ich eigentlich gar nicht sagen: versorgen gelte, für das es Aufmerksamkeit braucht,
nach wie vor. Hier kann Kirche immer wieder zeigen, dass sie da ist und auch entsprechend
einen Anlaufpunkt bildet.“
Zdarsa spricht von seinem Hintergrund im
Grenzland von Polen und Deutschland, von zweisprachigen Seelsorgern besonders für
die Jugend, aber auch von einer zunehmenden Entchristlichung, die der Osten Deutschlands
vielen anderen Teilen des Landes zeitlich voraus hat. Trotzdem sind wir so zögerlich,
von Mission oder Neuevangelisierung zu sprechen. Warum?
„Wissen
Sie, der Misskredit, in den das Wort missio, Mission, geraten ist, ist mir eigentlich
nicht ganz verständlich, denn es heißt ja nicht Überredung, es bezieht sich ja zunächst
gar nicht auf die Anderen, sondern es bezieht sich auf uns. Es heißt ja: „Sendung“.
Das bedeutet, wir sind mit diesem Wort angesprochen. Wir sollten uns das erst einmal
sagen, dass das unsere erste Aufgabe ist und genuine Aufgabe als Jüngerinnen und Jünger
Jesu. Aber ich könnte mir vorstellen, dass das allein durch die Präsenz von Katholiken
– Priestern, Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten – dass dadurch das Gespräch
möglich wird, und wenn es ein glaubwürdiges Auftreten ist, dann wird da auch zustande
kommen. Aber wissen sie, es braucht eben immer auch Menschen, die vor Ort beschäftigt
sind und die da sind, um sie zu gewinnen. Wir kämpfen ja auch mit dem demographischen
Problem und insofern gilt es auch für uns mit unseren geringen Mitteln, die Kräfte
so zu bündeln und so einzusetzen, dass wir auf der einen Seite das schultern können
und auf der anderen Seite die Menschen erreichen.“
Der Wandel der
Kirche ist ja keineswegs vorbei, auch im Westen und Süden des Landes, auch in seiner
neuen Diözese Augsburg wird sich Glaube und Kirche weiter verändern. Wenn er in die
Glaskugel schaut und ein wenig die Zukunft vorwegnimmt: wo steht die Kirche in 25
Jahren? Gibt es Hoffnung auf eine Besserung oder müssen wir uns mit dem einrichten,
was übrig bleibt?
„Dann mache ich mal ein Beispiel aus der Vergangenheit
und hoffe, mich damit nicht herauszureden: aber wenn sie etwa 1970, 1975 oder 1980
noch die Dinge angesprochen hätten, die dann 1989 tatsächlich geschehen sind, wissen
sie, was die Leute da gemacht hätten mit ihnen, wie die reagiert hätten? Wenn sogar
– und das habe ich oft gesagt – nichtgläubige Menschen glaubten, von einem Wundere
sprechen zu müssen, dann dürfen wir wohl erst recht immer wieder auf das Wunder warten.
Bzw. uns nicht so verhalten, dass wir sagen, wir machen als Letzte das Licht aus.
Sondern es geht nicht um Erfolg, es geht um Fruchtbarkeit, und sie wissen, es gibt
Bäume, es gibt Weinstöcke, die tragen erst sehr spät. Sie kennen auch das Sprichwort:
der eine säht, der andere erntet. Wir haben uns nicht auszumalen, wie es in dem von
ihnen genannten großen Zeitraum sein wird, sondern wir haben heute das unsere zu tun
und investieren, als Samenkorn. So haben wir in der DDR als Priester jede unserer
Beerdigungspredigten verstanden. Ich habe die Leute nie wieder gesehen, aber ich habe
immer gedacht, ich muss denen das beste, was ich glaube und auf das ich mich stütze,
weitergeben, in der Hoffnung, dass das irgendwo, irgendwann einmal zu einer Entscheidung
kommt, die darauf aufbaut. Inwieweit wir hier auch so glaubwürdig und authentisch
auftreten, dass sich Menschen an uns gern erinnern, dann wird vorgesorgt sein für
die Zukunft, für das Kommende.“