Papst Pius XII. hat
sich nicht nur persönlich um die Rettung der Juden gekümmert, er hat sich auch um
die Bewahrung jüdischer Kulturgüter verdient gemacht. Das hat der Deutsche Historiker
Michael Hesemann herausgefunden. Im Vatikanischen Geheimarchiv hat er dazu einen aufschlussreichen
Brief des damaligen Kardinals Eugenio Pacelli, später Pius XII., gefunden. Der Brief
trägt das Datum vom 9. Januar 1939.
„Der Brief ist ein Schreiben von
Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli an 64 katholische Erzbischöfe in aller Welt,
in dem er sie aufgrund der neuen antisemitischen Gesetzgebungen in Deutschland – der
Nürnberger Rassengesetze – und der Pogromnacht am 9. November bittet, sich darauf
einzustellen und dafür zu sorgen, dass Visa beschafft werden für mindestens 200.000
Flüchtlinge aus Deutschland. Es ging um wegen ihrer Rasse verfolgte Menschen aus Deutschland.“
Kardinal
Pacelli habe also bewusst Juden retten wollen.
„In dem Brief verwendet er
für die Fluchtwilligen den Begriff „nicht-arische Katholiken“. Der weitere Kontext
des Briefes verdeutlicht aber, dass damit eben nicht nur Konvertiten, die nach den
Nürnberger Rassengesetzen als Juden galten, sondern auch Glaubensjuden gemeint waren.
Im weiteren Verlauf des Briefes steht, dass die Erzbischöfe für die Gründung von Komitees
sorgen sollten. Diese Komitees sollten eine vernünftige Aufnahme und Versorgung der
Flüchtlinge sichern und vor allem sollten Gebetsstätten für sie errichtet werden.
Auch sollten diese Flüchtlinge die Möglichkeit haben, frei ihre Religion, ihre Sitten
und Gebräuche auszuüben.“
Wären nur Katholiken gemeint gewesen, so hätte
dies kein Sinn geben, stellt Hesemann klar. Deshalb sei hinter dem Begriff „nicht-arische
Katholiken“ mehr zu verstehen. Pacelli habe damals aus diplomatischen Gründen auf
diese Weise schreiben müssen.
„Ich war über den Brief – und damit über die
Anfrage Pacellis – bereits früher informiert gewesen. Ich hatte diese Anfrage bereits
in meinem Buch „Der Papst, der Hitler trotzte“ erwähnt. Ich bin dann aber Schritt
für Schritt die gesamte verfügbare Aktenlage durchgegangen. Das sind Akten aus der
Zeit, als Eugenio Pacelli noch Kardinalstaatssekretär war, da die Akten zu seinem
Pontifikat noch nicht verfügbar sind.“
Hesemann ist Deutschland-Vertreter
der „Pave the way“-Stiftung, die sich auch um die Aufarbeitung der Biographie Pacellis
kümmert.
„Der Brief war nicht allein in der Akte. Ihm voraus gingen weitere
Texte, in denen Pacelli um die Aufnahme von jüdischen Wissenschaftlern bat. Es gab
sehr viele Akademiker unter den Flüchtlingen. Dann folgte am 9. Januar 1939 ein Brief,
man sollte doch eben Komitees bilden und bei den Regierungen eruieren, wie viele Visa
für Flüchtlinge ausgestellt werden könnten.“
Bereits die Briefe Pacellis
vor seinem Pontifikatsantritt bewiesen, wie stark er sich für die Juden in Deutschland
einsetzte.
„Auf jeden Fall wird man noch mehr finden. Wir haben ja noch
alle Antworten von den verschiedenen Erzbischöfen und Nuntien in aller Welt, die Erkenntnisse
bringen werden. Wir wissen bereits, dass beispielsweise Brasilien 3.000 Visa zur Verfügung
stellte. Die Dominikanische Republik, General Trujillo, hat alle halbe Jahre 800 Visa
zur Verfügung gestellt. Wir wissen von Augenzeugen, dass alle sechs Monate auf Kosten
des Vatikans von Lissabon her ein Schiff angemietet wurde, mit dem die Flüchtlinge
in die Dominikanische Republik gebracht wurden und von dort konnten sie dann weiter
reisen.“
„Lasst keinen Zweifel aufkommen über die Absichten des Heiligen
Stuhls“, heißt es in dem Pacelli-Brief vom Januar 1939.
„Im Endeffekt war
das, was damals anlief, die größte humanitäre Aktion in der Geschichte und die größte
Rettungsaktion für eine verfolgte Minderheit überhaupt. Die ging natürlich auch weiter.“
Der
Historiker Michael Hesemann ist der Meinung, dass die Geschichtsaufarbeitung um Pius
XII. noch für einige Überraschungen sorgen wird.
„Wenn nun in etwa vier
Jahren die Akten für das Pontifikat von Pius XII., das im März 1939 begann, freigegeben
werden, dann werden wir noch viele neue Funde in diese Richtung machen. Diese werden
belegen, wie viel Pius XII. für die verfolgten Juden tat, warum er die Hitler-Regierung
nicht öffentlich anprangerte. Das tat er nämlich nicht, weil eben damit seine Bemühungen
gefährdet worden wären. Ein öffentlicher Angriff gegen Hitler hätte überhaupt nichts
gebracht. Im Gegenteil, das hätte all diese Bemühungen nur unmöglich gemacht. Das
hätte Hitler nie im Leben von seinem mörderischen Wahn abgehalten. Von daher werden
wir noch viele Überraschungen finden, die schließlich dazu beitragen werden, dass
Pius XII. als das wieder rehabilitiert wird, was er war: als Schutzengel der Verfolgten,
der alles in Bewegung gesetzt hat, um so viele Menschen wie möglich vor dem Schrecken
des Hitler-Regimes zu retten.“