Letzte Generalaudienz vor dem Sommer – Papst warnt vor Gefahren schrankenloser Freiheit
Papst Benedikt XVI.
hat vor den Gefahren einer schrankenlosen Freiheit gewarnt. Die Geschichte der Moderne
und die tägliche Erfahrung lehrten, dass Freiheit nur dann zur Errichtung einer menschlichen
Zivilisation beitragen könne, wenn sie mit der Wahrheit versöhnt sei, sagte der Papst
am Mittwoch bei seiner Generalaudienz. Bevor der Papst die Generalaudienz in Angriff
nahm, segnete er eine neue Staue an der Außenseite des Petersdoms ein. Benedikt XVI.
betete vor der über 5 Meter hohen Marmorfigur des heiligen Annibale Maria di Francia
(1851-1927). Die Skulptur des römischen Künstlers Giuseppe Ducrot steht in der ersten
Nische unter dem Arco delle Campane an der linken Außenseite des Petersdoms. An diesem
Teil der Mauern befinden sich bereits Figuren mehrerer Ordengründer. Der in Messina
auf Sizilien geborene di Francia gründete die Kongregation des Herzens Jesu und den
Orden der Rogationisten.
Danach begab sich der Papst in die Audienzhalle,
wo ihn mehrere Tausend Pilger und Besucher erwarteten. In seiner Mittwochskatechese
stellte der Papst diesmal den seligen Johannes Duns Scotus vor. Benedikt XVI. verwies
auf die kosmopolitische Prägung dieses mittelalterlichen Franziskanertheologen, der
1308 mit 43 Jahren in Köln gestorben ist.
„Aus seinem theologischen
Werk, das aus seiner Lehrtätigkeit in Oxford, Cambridge und Paris hervorgegangen ist,
möchte ich zwei Themen herausgreifen, die er mit großem Scharfsinn dargelegt hat.
Wie sein Ordensvater Franziskus widmete sich Duns Scotus der Betrachtung des zentralen
Geheimnisses der Menschwerdung Gottes. Anders als viele seiner Zeitgenossen sah er
darin nicht in erster Linie die Antwort auf die Tragik des Sündenfalls, sondern die
in Gottes Plan von Anfang an vorgesehene höchste Vollendung der Schöpfung, an der
alle Menschen teilhaben sollen.“ Der zweite Punkt, den der Papst hervorhob,
war Duns Scotus Darlegung der unbefleckten Empfängnis, also der Bewahrung Marias vor
der Erbsünde.
„Es bestand ja der Einwand: Wenn Maria ohne Erbsünde geboren
ist, dann brauchte sie die Erlösung durch Christus nicht, und das kann nicht sein.
Duns Scotus hat gezeigt, dass sie vorerlöst ist, dass sie – in der erlösenden Liebe
Gottes eingeschlossen – schon von Anfang an von dieser Liebe getragen und durchdrungen
ist. Dazu hat er uns das Besondere dieses Geheimnisses und das Ganze der marianischen
Wirklichkeit neu vor Augen gestellt. Der Glaubenssinn des Gottesvolkes hatte dies
schon lange geglaubt, ohne die theologischen Formeln dafür zu haben. Dies ist ein
typisches Beispiel dafür, dass oft der Glaube des Gottesvolkes dem Denken der Theologen
vorangeht. Und erst, als das Denken der Theologen alles genügend geklärt hatte, konnte
1854 Papst Pius IX. dieses Dogma von der Erbsündenbewahrung Marias verkünden. In alledem
sehen wir die große Liebe des seligen Duns Scotus zu Christus als Mitte aller Wirklichkeit
und zu Maria, die für den Sohn Gottes das Tor in die Schöpfung hinein geworden ist.“ Ganz
herzlich begrüßte Benedikt XVI. die deutschsprachigen Pilger und Besucher.
„Für
den seligen Johannes Duns Scotus stand Christus im Zentrum der Geschichte, und auf
ihn hat er auch sein eigenes Leben ausgerichtet und so die wahre Freiheit gefunden.
Das soll uns allen ein Ansporn sein, uns gerade auch in den Sommermonaten mehr Zeit
für das Gebet zu nehmen, um Christus nahe zu sein und in der Liebe zu ihm zu wachsen.
Euch allen wünsche ich einen gesegneten Aufenthalt in Rom.“ Die Generalaudienz
war die letzte vor dem Sommerurlaub Benedikts XVI. in Castel Gandolfo. Bis Ende Juli
sind alle öffentlichen Termine des Papstes ausgesetzt. An diesem Mittwochabend bricht
der Papst zu seinem Sommersitz in den Albaner Bergen auf.