An diesem Dienstagnachmittag hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass die
Präimplantationsdiagnostik (PID) nicht strafbar ist. Demnach können Embryonen auf
genetische Schäden untersucht werden, bevor sie in die Gebärmutter eingesetzt werden.
Das Urteil geht auf die Selbstanzeige eines Berliner Gynäkologen zurück, der die Präimplantationsdiagnostik
angewandt hatte und die Rechtslage klären lassen wollte.
Beide großen Kirchen
in Deutschland reagierten enttäuscht auf das Urteil des BGH. Die Deutsche Bischofskonferenz
teilte in einer Pressemeldung mit, dass die Tötung von Embryonen aufgrund genetischer
Schäden nicht erlaubt sein dürfe. Dies „widerspricht unserem Verständnis vom Menschen“,
so die Bischöfe. Mit dem Urteil wüchse außerdem der „Rechtfertigungsdruck auf behinderte
Menschen und deren Eltern weiter“. Ein Embryo habe von Anfang an das volle Recht auf
das Menschsein und die Würde eines Menschen, so die Bischofskonferenz. Der Bischof
von Fulda, Heinz Josef Algermissen, zweifelt daran, dass man die Anwendung
der PID begrenzen könne: „Die rechtliche Zulassung der PID wird die Mentalität fördern,
Leben auszuwählen statt zu wählen.“ Die Folge sei eine Diskriminierung von Menschen
mit den Behinderungen und Krankheiten, die man durch die PID zu vermeiden sucht. Auch
der Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück,
kritisierte das Urteil scharf: Es sei „ein schwerer Schlag gegen den Schutz und die
Würde menschlichen Lebens“, so Glück. Durch die PID würden keine Krankheiten behandelt,
sondern allein Selektion betrieben. Das Urteil zeige, so der ZdK-Vorsitzende, dass
das Bewusstsein für und die Akzeptanz von menschlicher Begrenztheit einem Perfektionsdrang
gewichen sei. Dieser Perfektionsdrang sei aber dem Leben in keiner Weise dienlich.
Auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) zeigte sich bestürzt.
Die PID beruhe auf Verbrauch und Vernichtung menschlicher Embryonen, betonte EKD-Präsident
Hermann Barth. Die Würde des frühen menschlichen Lebens verbiete es, dass es „bloß
als Material und Mittel zu anderen Zwecken genutzt oder gar erzeugt wird.“ Der
evangelische Thüringer Altbischof Christoph Kähler sagte, er wolle sich „gar
nicht vorstellen, was dann passiert, wenn alle Barrieren einfach beiseite geräumt
werden.“ Man dürfe auf keinen Fall Erbmaterial etwa für kranke Geschwister herstellen,
so Kähler. Der Mainzer katholische Moraltheologe Johannes Reiter schloss
sich der Kritik an und bemerkte, dass vor allem die vom BGH vorgeschriebene Begrenzung
der PID auf „Hochrisikopaare“ zum Scheitern verurteilt sei, da sie zu viel
Interpretationsspielraum böte.
Auch von außerhalb der Kirche kommt Kritik
in Sachen PID. So warnte der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert
Hüppe (CDU), ebenfalls vor einer Freigabe der Auslese von Embryonen. Wenn die
PID grundsätzlich zugelassen sei, gebe es nur noch „Selektionen, was ist lebenswert
und was ist nicht mehr lebenswert.“ Der Vorsitzende des Bundesverbandes Lebensrecht
(BVL), Martin Lohmann, wertete das Urteil „letztlich als ein Angriff auf den
Lebensschutz in Deutschland.“ Dieser Dienstag sei somit ein schlimmer Tag für die
Unantastbarkeit der Würde des Menschen gewesen, so Lohmann. „Was wir hingegen dringend
brauchen, ist nicht weniger, sondern mehr Ehrfurcht. Nicht weniger, sondern mehr Leben.“
Der Verband Christdemokraten für das Leben (CDL) stimmte in die Kritik
mit ein und forderte vor allem Klarheit in der Frage der Definition von „schwerwiegenden
genetischen Schäden“: „Ein bisschen straffrei gibt es ebenso wenig, wie ein bisschen
schwanger“, so die Lebensrechtsinitiative der CDU/CSU.