Schon wieder wurde
ein belgischer Bischof mehrere Stunden verhört: Der frühere Erzbischof von Mechelen-Brüssel,
Kardinal Godfried Danneels, ist von der belgischen Justiz mehr als zehn Stunden befragt
worden. Belgische Medien berichteten am Mittwoch, der Kardinal habe bestritten, Missbrauchsfälle
in der Kirche des Landes gedeckt zu haben. Dafür suche die Justiz nach Beweisen.
Im
belgischen Fernsehsender RTL hieß es, in 50 Missbrauchs-Dossiers werde berichtet,
dass Danneels über die Vorfälle informiert worden sei. Die Staatsanwaltschaft muss
nach dem Verhör entscheiden, ob der zunächst als Zeuge vernommene Kardinal wegen unterlassener
Hilfeleistung angeklagt wird. Nicht ausgeschlossen sei auch, dass er zunächst abermals
verhört werde.
Die Zeitung La Derniere Heure schreibt, Danneels
habe die Opfer bei Informationen über Missbrauchsfälle entweder an die Diözese verwiesen,
in denen der Fall stattgefunden habe, gar nicht reagiert oder den Opfern ein Buch
mit dem Titel „Vergeben lernen“ überreicht. Auf zahlreiche Vorhaltungen in diese Richtung
habe er mit dem Hinweis reagiert, er könne sich nicht erinnern.
Zu der
Vernehmung war am Dienstag auch der bisherige Präsident der Untersuchungskommission
zur Aufklärung von Missbrauchsvorwürfen, der Kinderpsychiater Peter Adriaenssens,
hinzugezogen worden. Adriaenssens sagte den Medien beim Verlassen des Justizgebäudes,
der Kardinal stehe „offenkundig unter Schock“. Es müsse ihn überraschen, dass derart
schwere Vorwürfe mit seiner Person in Zusammenhang gebracht werden.
Unterlagen
zum Fall Dutroux Noch immer keine offizielle Bestätigung gibt es dafür, dass
bei der umstrittenen Durchsuchung kirchlicher Einrichtungen in Mechelen am 24. Juni
auch vertrauliche Unterlagen aus dem Fall des Kinderschänders und Mörders Marc Dutroux
gefunden wurden. Die Zeitung De Morgen berichtete am Mittwoch, das Material
sei Danneels von einem britischen Satiremagazin zugeschickt worden. Während des Prozesses
2004 sei das auf drei DVDs zusammengefasste komplette Dutroux-Dossier in die Hände
von Gerichtsjournalisten gelangt. Das Magazin The Sprout habe die These vertreten,
die Dutroux-Opfer seien von einem Netzwerk hochrangiger belgischer Politiker und Kirchenvertreter
missbraucht worden. Die Zusendung an Danneels sei erfolgt, um den Kardinal zu einer
Reaktion zu bewegen.
Hintergrund Danneels stand rund 30 Jahre,
von Ende 1979 bis Anfang 2010, an der Spitze des Erzbistums Mechelen-Brüssel und der
Belgischen Bischofskonferenz. Am 24. Juni hatte die Brüsseler Staatsanwaltschaft bei
einer Razzia zahlreiche Akten und Rechner am Sitz des Erzbistums in Mechelen sowie
sämtliche Dossiers der Untersuchungskommission in Löwen konfisziert. Begründet wurde
die Aktion damit, dass laut Hinweisen an die Justiz Beweismaterial unterschlagen worden
sei. Inzwischen ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft um zu prüfen, ob die Durchsuchungen
rechtmäßig waren.