Moraltheologe Schuster: „Leben darf nicht aussortiert werden"
Was ist Leben und
wann beginnt es? Darum ging es an diesem Dienstag bei den Verhandlungen des Leipziger
Bundesgerichtshofes zur genetischen Untersuchung von Embryonen im Rahmen künstlicher
Befruchtung. Und er entschied: Die so genannte Präimplantationsdiagnostik (PID) zur
Entdeckung schwerer genetischer Schäden des Embryos ist nicht strafbar. Die Leipziger
Richter bestätigten damit ein Urteil des Berliner Landgerichts vom 14. Mai 2009. Die
Position der katholischen Kirche hier ist eindeutig, sagt Josef Schuster, Professor
für Moraltheologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen, im
Interview mit dem Domradio Köln. Für sie ist eine solche Selektion voll und ganz abzulehnen,
denn - so Schuster:
„Nach offizieller Lehre ist die Verschmelzung von
Ei und Samenzelle zu einer Zygote der Beginn menschlichen Lebens, das deshalb dann
auch voll zu schützen ist. Also nicht irgendeine Zelle! Der Mensch wird nicht zum
Menschen, sondern er wird als Mensch, oder er wird nicht zur Person, sondern er wird
als Person. Das ist die Position der katholischen Kirche. Von daher verbietet es sich,
selektiv vorzugehen und zu testen, ob Embryonen denn nun auch tauglich sind, in die
Gebärmutter der Frau eingepflanzt zu werden.“ Nach Schusters Verständnis des
Embryonenschutzgesetzes ist die Aussonderung „schadhafter“ Embryonen im Rahmen der
künstlichen Befruchtung eine strafbare Handlung. Der Moraltheologe:
„Denn
nach diesem Gesetz ist jede befruchtete Eizelle dabei, ein Embryo zu werten. Sie wird
damit vom Gesetz her auch als menschliches Leben betrachtet, das absolut zu schützen
ist. Eindeutig ist aufgrund dieses Gesetzes die rechtliche Lage, dass es keine Selektion
geben darf!“ Das Embryonenschutzgesetz aus dem Jahr 1991 schreibt vor, dass
Eizellen in Deutschland nur künstlich befruchtet werden dürfen, um eine Schwangerschaft
herbeizuführen. Die Frage der Präimplantationsdiagnostik ist allerdings nicht eindeutig
geklärt. Dazu Schuster:
„Es ist richtig, dass in diesem Gesetz die Präimplantationsdiagnostik
nicht ausdrücklich genannt ist. Aber ich denke, indirekt schon. Es wird gesagt: Es
dürfen nicht mehr Embryonen herangezüchtet werden, als einer Frau im natürlichen Zyklus
implantiert werden können. Hier ist nirgends auch nur die Möglichkeit offen gelassen,
dass man erstmal testen könne, welche Embryonen denn nun tauglich sind - und welche
nicht.“ (domradio/kipa 06.07.2010 pr)