D: Islam setzt Staatskirchenrecht unter Veränderungsdurck
Die wachsende Präsenz des Islam bringt das Staatskirchenrecht in den meisten europäischen
Ländern unter Veränderungsdruck. Ob sich die jeweiligen Rechtsmodelle dauerhaft für
den Umgang mit dem Islam eignen oder stärker an nicht-christliche Gemeinschaften angepasst
werden müssen, sei dabei noch nicht abzusehen. Dieses Fazit zogen an diesem Freitag
Juristen bei einer Fachtagung über das Staat-Kirche-Verhältnis in Großbritannien und
Deutschland; sie fand am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Westfälischen
Wilhelms-Universität Münster statt. In Deutschland könnte es zu einer „Verkirchlichung
des Islam“ kommen, gab der Freiburger Jurist Gernot Sydow zu bedenken. Der Status
der Körperschaft öffentlichen Rechts und dessen Vorteile seien für muslimische Organisationen
so attraktiv, dass sie sich womöglich an das mitgliedschaftliche Modell der Kirchen
anpassten. Derzeit fehle dem Staat aber noch ein einheitlicher Ansprechpartner, wenn
es etwa um die Einführung von islamischem Religionsunterricht an Schulen oder islamische
Theologie an Hochschulen geht, betonte Juristin Antje von Ungern-Sternberg vom Exzellenzcluster.
In Großbritannien zeichne sich dagegen ein gegenteiliger Trend ab, hielten die Experten
fest. Seit zehn Jahren setze sich dort das islamische Grundverständnis durch, dass
die Religion das gesamte Leben betreffe, so Julian Rivers von der englischen Universität
von Bristol. Die Juristen erwarten generell mehr Streitfragen mit religiösem Hintergrund.
Die Pluralisierung bringe immer mehr Konflikte innerhalb religiöser Gruppierungen
mit sich sowie Fragen nach deren Rechtsstatus.