2010-07-02 12:49:54

Lübecker Märtyrer: Kurzporträts


Am 10. November 1943 wurden in Hamburg vier Geistliche von den Nationalsozialisten hingerichtet. Der Lübecker Kaplan Johannes Prassek und seine beiden Priesterkollegen Eduard Müller und Hermann Lange waren wegen offener Kritik an der NS-Ideologie von der Gestapo verhaftet und inhaftiert worden. Die drei „Lübecker Märtyrer“ starben zusammen mit dem evangelischen Pastor Karl Friedrich Stellbrink durch das Fallbeil im Hamburger Gefängnis am Holstenglacis. Gut 60 Jahre nach ihrem Tod werden die drei katholischen Geistlichen nun bald seliggesprochen. Der Vatikan erkannte an diesem Donnerstag das Martyrium der Geistlichen an. Ein Termin für die Seligsprechung der drei katholischen Priester wurde noch nicht genannt. Lesen Sie hier mehr über die Männer, die mutig für ihren Glauben eintraten.


Johannes Prassek
Johannes Prassek, geboren 1911 in Hamburg-Barmbek, gilt als Kopf der drei Lübecker Kapläne. Der Sohn eines schlesischen Maurers und einer mecklenburgischen Konvertitin zog Menschen mit seiner Natürlichkeit, Offenheit und vertrauensvoller Hinwendung an. Als Prediger scheute Prassek keine Kritik an der NS-Ideologie, trotz Warnungen von Gemeindemitgliedern und Freunden. Sein Vorbild war der mutige Münsteraner Kardinal von Galen, sein Mitstreiter der evangelische Pastor Karl Friedrich Stellbrink, der wie Prassek am 10. November 1943 den Nationalsozialisten zum Opfer fiel. Neben der offenen Kritik am Regime geriet der Priester auch durch seine Fürsorge für polnische Zwangsarbeiter in Lübeck ins Visier der Nationalsozialisten. Prassek wurde von einem Spitzel, der sich als Bedürftiger ausgab, verraten und am 18. Mai 1942 von der Gestapo verhaftet. Während seiner einjährigen Untersuchungshaft, in der er in verschiedenster Weise „mürbe“ gemacht werden sollte, stritt der Geistliche keine seiner regimekritischen Äußerungen ab. „Wer sterben kann, wer will den zwingen?“ schrieb der junge Kaplan auf die erste Seite seines Neuen Testaments kurz vor seiner Hinrichtung.

Eduard Müller
„So habe ich die Erwartung und Hoffnung, dass ich in keinem Stück werde zu Schanden werden, sondern dass in allem Freimut, wie immer, auch jetzt Christus an meinem Leibe verherrlicht werde, sei es durch Leben, sei es durch Tod. Denn für mich ist das Leben Christus und das Sterben Gewinn.“ Glaubensfest und hoffnungsvoll sah der damals 32-jährige Eduard Müller seiner Hinrichtung entgegen. Die Ankläger konnten ihm nicht – anders als seinem Amtsbruder Prassek – öffentliche Kritik an der NS-Herrschaft vorwerfen. Trotzdem wurde der junge Priester am 22. Juni 1942 festgenommen und zum Tode verurteilt. Eduard Müller, geboren 1911 in Neumünster, hatte keine politischen Ambitionen, aber vielleicht war er den Nationalsozialisten wegen seiner Beliebtheit bei der Jugend und den einfachen Leuten ein Dorn im Auge. Der aus armen Verhältnissen stammende junge Mann war in der katholischen Jugendbewegung aktiv, wurde 1940 zum Priester geweiht und war danach Adjunkt in der Lübecker Herz-Jesu Gemeinde. Der gelernte Tischler half aus, wenn ein Handwerker gebraucht wurde und machte aus einem Kohlenkeller schon mal ein Jugendheim. Sogar die Hitlerjugend warb um seine Mitarbeit – vergeblich: Für Eduard Müller waren Christentum und Nationalsozialismus unvereinbar.


Hermann Lange
Anders als Müller und Prassek wuchs Hermann Lange, geboren 1912 in Leer, in gutbürgerlichen Verhältnissen auf. Als Gymnasiast trat der Lehrersohn dem katholischen „Bund Neudeutschland“ bei und damit der Geisteswelt der kirchlichen Reformbewegung. Ein Jahr nach seiner Priesterweihe im Jahr 1938 wurde er Hilfsgeistlicher in Lübeck. Der belesene und reformorientierte Theologe vervielfältigte und verteilte Flugblätter und NS-kritische Schriften, darunter auch die Predigten des Münsteraner Kardinals von Galen, und prangerte die Kriegsverbrechen der Deutschen an. Einem Soldaten soll er gesagt haben, ein Christ dürfe eigentlich gar nicht auf deutscher Seite am Krieg teilnehmen. Am 15. Juni 1942 wurde Lange verhaftet. Wie Prassek leugnete auch er im Prozess seine Aktivitäten nicht. Im Abschiedsbrief an seine Eltern kurz vor seiner Hinrichtung schrieb Lange: „Auf Wiedersehen beim Vater des Lichtes! Euer glücklicher Hermann.“


Karl Friedrich Stellbrink
Der 1894 in Münster geborene Pastor Karl Friedrich Stellbrink hatte am Ersten Weltkrieg teilgenommen und war verwundet worden. Nach dem Krieg wurde er Auslandspastor in Brasilien. 1929 kehrte er mit seiner Familie nach Deutschland zurück, nach fünf Jahren Pastorendienst in Steinsdorf/Thüringen übernahm er 1934 die Pastorenstelle der Lübecker Lutherkirche.
Als Nationalist hoffte Stellbrink gleichermaßen auf eine christliche und nationale Erneuerung Deutschlands und gehörte seit 1921 der Bruderschaft „Bund für deutsche Kirche“ an. Von der aufsteigenden NSDAP erwartete der Theologe zunächst die politische Realisierung der nationalen Ideale. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland trat er in die NSDAP ein. Die Ernüchterung kam spätestens 1936, als Pastor Stellbrink aus der Partei ausgeschlossen wurde. Er hatte erkannt, dass seine Ideale Wahrheits- und Freiheitsliebe von den Nazis nicht geteilt wurden. Mehrfach geriet er in Konflikt mit seiner Partei – so durch Kontakt zu einem jüdischen Nachbarn – und auch mit seiner Kirche: Der Lübecker Landesbischof war ebenfalls NSDAP-Mitglied.
Bei Kriegsbeginn war Stellbrink offener Gegner des NS-Staates. Von den Anfangserfolgen ließ er sich nicht blenden, sondern war immer auf der Suche nach unzensierten Informationen. Im katholischen Kaplan Prassek fand er einen jüngeren Gleichgesinnten. Sie fühlten sich nicht nur im Widerstand gegen die Gewaltherrschaft verbunden; ihr verschiedener konfessioneller Hintergrund gab Stoff für viele Glaubensgespräche, auch während der Zeit im Gefängnis. Stellbrink war und blieb überzeugter Lutheraner, in seiner Kirche aber fühlte er sich als Außenseiter.
Eine Predigt am Palmsonntag 1942 gab den Nazis den Anlass, Stellbrink zu beseitigen. Am Samstag vor Palmsonntag wurde Lübeck Ziel eines verheerenden Bombenangriffs. Am Sonntag predigte der Geistliche: „Gott hat mit mächtiger Stimme geredet. Die Lübecker werden wieder lernen zu beten.“ Wegen der Predigt eröffnete die Landeskirche ein Amtsenthebungs-Verfahren gegen den Pastor. Wenige Tage später erschien die Gestapo und nahm Stellbrink in „Schutzhaft“. Den Rat eines Freundes, in den Verhören diplomatisch zu antworten, wies er entschieden ab: „Die Wahrheit, nichts als die Wahrheit!“


(erzbistumhamburg/diverse 02.07.2010 pr)







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