Am 10. November 1943 wurden in Hamburg vier Geistliche von den Nationalsozialisten
hingerichtet. Der Lübecker Kaplan Johannes Prassek und seine beiden Priesterkollegen
Eduard Müller und Hermann Lange waren wegen offener Kritik an der NS-Ideologie von
der Gestapo verhaftet und inhaftiert worden. Die drei „Lübecker Märtyrer“ starben
zusammen mit dem evangelischen Pastor Karl Friedrich Stellbrink durch das Fallbeil
im Hamburger Gefängnis am Holstenglacis. Gut 60 Jahre nach ihrem Tod werden die drei
katholischen Geistlichen nun bald seliggesprochen. Der Vatikan erkannte an diesem
Donnerstag das Martyrium der Geistlichen an. Ein Termin für die Seligsprechung der
drei katholischen Priester wurde noch nicht genannt. Lesen Sie hier mehr über die
Männer, die mutig für ihren Glauben eintraten.
Johannes Prassek Johannes
Prassek, geboren 1911 in Hamburg-Barmbek, gilt als Kopf der drei Lübecker Kapläne.
Der Sohn eines schlesischen Maurers und einer mecklenburgischen Konvertitin zog Menschen
mit seiner Natürlichkeit, Offenheit und vertrauensvoller Hinwendung an. Als Prediger
scheute Prassek keine Kritik an der NS-Ideologie, trotz Warnungen von Gemeindemitgliedern
und Freunden. Sein Vorbild war der mutige Münsteraner Kardinal von Galen, sein Mitstreiter
der evangelische Pastor Karl Friedrich Stellbrink, der wie Prassek am 10. November
1943 den Nationalsozialisten zum Opfer fiel. Neben der offenen Kritik am Regime geriet
der Priester auch durch seine Fürsorge für polnische Zwangsarbeiter in Lübeck ins
Visier der Nationalsozialisten. Prassek wurde von einem Spitzel, der sich als Bedürftiger
ausgab, verraten und am 18. Mai 1942 von der Gestapo verhaftet. Während seiner einjährigen
Untersuchungshaft, in der er in verschiedenster Weise „mürbe“ gemacht werden sollte,
stritt der Geistliche keine seiner regimekritischen Äußerungen ab. „Wer sterben kann,
wer will den zwingen?“ schrieb der junge Kaplan auf die erste Seite seines Neuen Testaments
kurz vor seiner Hinrichtung.
Eduard Müller „So habe ich die Erwartung
und Hoffnung, dass ich in keinem Stück werde zu Schanden werden, sondern dass in allem
Freimut, wie immer, auch jetzt Christus an meinem Leibe verherrlicht werde, sei es
durch Leben, sei es durch Tod. Denn für mich ist das Leben Christus und das Sterben
Gewinn.“ Glaubensfest und hoffnungsvoll sah der damals 32-jährige Eduard Müller seiner
Hinrichtung entgegen. Die Ankläger konnten ihm nicht – anders als seinem Amtsbruder
Prassek – öffentliche Kritik an der NS-Herrschaft vorwerfen. Trotzdem wurde der junge
Priester am 22. Juni 1942 festgenommen und zum Tode verurteilt. Eduard Müller, geboren
1911 in Neumünster, hatte keine politischen Ambitionen, aber vielleicht war er den
Nationalsozialisten wegen seiner Beliebtheit bei der Jugend und den einfachen Leuten
ein Dorn im Auge. Der aus armen Verhältnissen stammende junge Mann war in der katholischen
Jugendbewegung aktiv, wurde 1940 zum Priester geweiht und war danach Adjunkt in der
Lübecker Herz-Jesu Gemeinde. Der gelernte Tischler half aus, wenn ein Handwerker gebraucht
wurde und machte aus einem Kohlenkeller schon mal ein Jugendheim. Sogar die Hitlerjugend
warb um seine Mitarbeit – vergeblich: Für Eduard Müller waren Christentum und Nationalsozialismus
unvereinbar.
Hermann Lange Anders als Müller und Prassek wuchs
Hermann Lange, geboren 1912 in Leer, in gutbürgerlichen Verhältnissen auf. Als Gymnasiast
trat der Lehrersohn dem katholischen „Bund Neudeutschland“ bei und damit der Geisteswelt
der kirchlichen Reformbewegung. Ein Jahr nach seiner Priesterweihe im Jahr 1938 wurde
er Hilfsgeistlicher in Lübeck. Der belesene und reformorientierte Theologe vervielfältigte
und verteilte Flugblätter und NS-kritische Schriften, darunter auch die Predigten
des Münsteraner Kardinals von Galen, und prangerte die Kriegsverbrechen der Deutschen
an. Einem Soldaten soll er gesagt haben, ein Christ dürfe eigentlich gar nicht auf
deutscher Seite am Krieg teilnehmen. Am 15. Juni 1942 wurde Lange verhaftet. Wie Prassek
leugnete auch er im Prozess seine Aktivitäten nicht. Im Abschiedsbrief an seine Eltern
kurz vor seiner Hinrichtung schrieb Lange: „Auf Wiedersehen beim Vater des Lichtes!
Euer glücklicher Hermann.“
Karl Friedrich Stellbrink Der 1894
in Münster geborene Pastor Karl Friedrich Stellbrink hatte am Ersten Weltkrieg teilgenommen
und war verwundet worden. Nach dem Krieg wurde er Auslandspastor in Brasilien. 1929
kehrte er mit seiner Familie nach Deutschland zurück, nach fünf Jahren Pastorendienst
in Steinsdorf/Thüringen übernahm er 1934 die Pastorenstelle der Lübecker Lutherkirche. Als
Nationalist hoffte Stellbrink gleichermaßen auf eine christliche und nationale Erneuerung
Deutschlands und gehörte seit 1921 der Bruderschaft „Bund für deutsche Kirche“ an.
Von der aufsteigenden NSDAP erwartete der Theologe zunächst die politische Realisierung
der nationalen Ideale. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland trat er in die NSDAP
ein. Die Ernüchterung kam spätestens 1936, als Pastor Stellbrink aus der Partei ausgeschlossen
wurde. Er hatte erkannt, dass seine Ideale Wahrheits- und Freiheitsliebe von den Nazis
nicht geteilt wurden. Mehrfach geriet er in Konflikt mit seiner Partei – so durch
Kontakt zu einem jüdischen Nachbarn – und auch mit seiner Kirche: Der Lübecker Landesbischof
war ebenfalls NSDAP-Mitglied. Bei Kriegsbeginn war Stellbrink offener Gegner des
NS-Staates. Von den Anfangserfolgen ließ er sich nicht blenden, sondern war immer
auf der Suche nach unzensierten Informationen. Im katholischen Kaplan Prassek fand
er einen jüngeren Gleichgesinnten. Sie fühlten sich nicht nur im Widerstand gegen
die Gewaltherrschaft verbunden; ihr verschiedener konfessioneller Hintergrund gab
Stoff für viele Glaubensgespräche, auch während der Zeit im Gefängnis. Stellbrink
war und blieb überzeugter Lutheraner, in seiner Kirche aber fühlte er sich als Außenseiter. Eine
Predigt am Palmsonntag 1942 gab den Nazis den Anlass, Stellbrink zu beseitigen. Am
Samstag vor Palmsonntag wurde Lübeck Ziel eines verheerenden Bombenangriffs. Am Sonntag
predigte der Geistliche: „Gott hat mit mächtiger Stimme geredet. Die Lübecker werden
wieder lernen zu beten.“ Wegen der Predigt eröffnete die Landeskirche ein Amtsenthebungs-Verfahren
gegen den Pastor. Wenige Tage später erschien die Gestapo und nahm Stellbrink in „Schutzhaft“.
Den Rat eines Freundes, in den Verhören diplomatisch zu antworten, wies er entschieden
ab: „Die Wahrheit, nichts als die Wahrheit!“