Papst Benedikt XVI. hat an diesem Donnerstag das altersbedingte Rücktrittsgesuch von
Kurienkardinal Walter Kasper angenommen. Neun Jahre war Kardinal Kasper Präsident
des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen. Anlässlich des Rücktritts würdigt
der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, Kardinal
Kasper mit einer langen Erklärung. Hier finden Sie den vollen Wortlaut des Textes. „Für
Walter Kardinal Kasper ist der Begriff Dialog weder eine leere Worthülse noch eine
realitätsferne Utopie. Dialog ist bei ihm lebendige Wirklichkeit. Wie kaum ein anderer
hat sich Kardinal Kasper in den vergangenen Jahren um den Dialog der Kirche in der
Ökumene und mit den Juden verdient gemacht. Ja, Walter Kardinal Kasper ist Garant
eines gelebten Dialogs.
Wer Kardinal Kasper kennt, weiß, dass es ihm aus
seinem Glauben heraus ganz zentral um die Menschen geht. Der große Gelehrte der Katholischen
Theologie hatte gerade in seiner Zeit als Universitätsprofessor stets den Anspruch,
die ganze Glaubenswahrheit den Studierenden verständlich zu vermitteln. Seine eindringliche
und einfühlsame Sprache, sein stetes Suchen nach einer Antwort auf aktuelle theologische
Fragen, sein Mut, komplexe Zusammenhänge der Theologie Stück für Stück nachvollziehbar
aufzuschlüsseln, zeichnen Kardinal Kasper aus. Als er 1989 Nachfolger von Bischof
Georg Moser im Bistum Rottenburg-Stuttgart wurde, erlebte die Diözese einen sehr weltverbundenen
Professor auf dem Bischofsstuhl. Das hat viele Menschen beeindruckt, den Walter Kasper
ist immer sich selbst treu geblieben, ganz nach seinem Wahlspruch: „Wahrheit in Nächstenliebe“
(Veritatem in caritate).
Das theologische Wirken und umsichtige Handeln
in seiner Diözese Rottenburg-Stuttgart war selbstverständlich auch dem Heiligen Stuhl
nicht verborgen geblieben. So war es verständlich, dass Papst Johannes Paul II. gerade
Walter Kasper zu sich rief, um ihm dort 1999 die wichtige Aufgabe des Sekretärs des
Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen zu übertragen. Mit Walter Kasper kam
ein Dogmatiker aus dem Stammland der Reformation in den Vatikan, der seine vielfältigen
Erfahrungen – auch auf dem Gebiet der Ökumene in Deutschland – in die Arbeit der Universalkirche
einfließen lassen konnte. Nur zwei Jahre nach seiner Ernennung übertrug der Papst
Walter Kasper die Leitung des Päpstlichen Rates und zeichnete ihn mit der Kardinalswürde
aus. Papst Benedikt XVI. hat Kardinal Kasper schon wenige Tage nach seiner Wahl im
Amt bestätigt.
Mit Kardinal Kasper hat die Ökumene der Weltkirche über
viele Jahre ein geschätztes Gesicht erhalten. Es war eindrucksvoll, wenn er von den
nicht an zwei Händen abzuzählenden aktuellen Dialogen des Heiligen Stuhls mit anderen
Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften berichtete. So wie er sich bei diesen Gemeinschaften
als Bruder unter Brüdern aufgehoben fühlte, so war er in der Welt unterwegs. Kardinal
Kasper hat in den Jahren seines römischen Wirkens mehrfach die Welt umrundet, im Dienste
der Ökumene. Seine Gesprächspartner würdigen ihn als eine Person, der eine „Ökumene
des Herzens“ ausstrahle. Ich möchte hinzufügen: Das ökumenische Gespräch, die Versöhnung
zwischen den Konfessionen ist Walter Kaspers Herzensanliegen. Gerade für Papst Johannes
Paul II. hat er viele Wege bereitet, die Papst Benedikt XVI. in Kontinuität übernommen
hat. Dabei denke ich vor allem an seine äußerst erfolgreichen Annnäherungen an die
griechisch-orthodoxe Kirche, an die Patriarchate der Armenier in Etchmiadzin und Sis
und nicht zuletzt an seinen vorsichtigen, mutigen und von tiefer Überzeugung der notwendigen
Aussöhnung getragenen Dialog mit der russisch-orthodoxen Kirche von Moskau. Bei aller
Internationalität hielt Walter Kasper immer die Erinnerung an die Reformation wach.
Bei der Evangelischen Kirche in Deutschland war und ist er ein gern gesehener Gesprächspartner
dem gegenüber man den Mut hat, ihm Sorgen anzuvertrauen.
Der Name Walter
Kasper ist aber auch unverbrüchlich mit der Aussöhnung mit dem Judentum verbunden.
Die Beziehungen zum Judentum sind im Vatikan dem Päpstlichen Rat für die Einheit der
Christen zugeordnet. Kardinal Kasper hat das Wort geprägt, dass es im Aussöhnungsprozess,
den die katholische Kirche mit dem Judentum durch das Zweite Vatikanische Konzil angestoßen
hat, keine Wende von der Wende geben dürfe. Die katholische Kirche ist – und daran
hat Walter Kasper in seinen römischen Jahren unermüdlich und äußerst verdienstvoll,
ja selbstlos gearbeitet – unwiderruflich zum Dialog mit dem Judentum verpflichtet.
So wurde Kardinal Kasper für den Vatikan der wichtigste Vermittler auf diesem manchmal
nicht einfachen Weg. Rabbinerkonferenzen weltweit, Jüdische Gesellschaften und Stiftungen
und vor allem das Oberrabbinat von Jerusalem sehen in Kardinal Kasper die lebendige
Brücke in den Vatikan. Das Wirken von Kardinal Kasper kann man nur so zusammenfassen:
Er war und ist Brückenbauer im besten Sinne des Wortes. Dialog ist für Walter Kasper
zur Lebensaufgabe geworden.
Die Kirche in Deutschland und die Weltkirche
sind Walter Kardinal Kasper zu tiefem Dank und hohem Respekt für seine Arbeit verpflichtet.
Mit seinem heutigen Rücktritt hinterlässt er eine Lücke und ein Erbe. Dieses Erbe
ist der Mutterboden für die weiteren theologischen Dialoggespräche in der Ökumene
und mit dem Judentum. Ich wünsche mir sehr, dass dieser Boden weiter gut bestellt
wird. Wahrheit in Nächstenliebe hat Walter Kasper tatsächlich und in tiefster Überzeugung
gelebt.“