2010-06-29 10:00:49

Papst: „Wehe uns, wenn wir das Evangelium nicht verkünden“


Wir dokumentieren hier die Predigt Papst Benedikt XVI. bei der ersten Vesper zum Fest Peter und Paul in der Basilika Sankt Paul vor den Mauern.

Liebe Schwestern und Brüder,

mit der Feier der ersten Vesper treten wir in das Hochfest des heiligen Petrus und Paulus. Wir haben die Gnade, das in der päpstlichen Basilika zu tun, die dem Völkerapostel geweiht ist, im Gebet versammelt bei seinem Grab. Deswegen möchte ich meine kurze Reflexion dem Ausblick auf die missionarische Berufung der Kirche widmen. In diese Richtung gehen auch die dritte Antifon der Psalmodie, die wir gebetet haben, und auch die Schriftlesung. Die ersten beiden Antifonen sind dem heiligen Petrus gewidmet, die dritte dem heiligen Paulus. Sie sagt: „du bist der Bote Gottes, heiliger Apostel Paulus: du hast der ganzen Welt die Wahrheit verkündet.“ Und in der Kurzlesung, heraus genommen aus dem Beginn des Briefs an die Römer, stellt sich Paulus als „berufen zum Apostel, auserwählt, das Evangelium Gottes zu verkündigen“ (Röm 1:1) vor. Die Figur des Paulus – seine Person und sein Dienst, seine ganze Existenz und seine harte Arbeit für das Reich Gottes – sind vollständig der Verkündung des Evangeliums gewidmet. In diesen Texten gibt es ein Gefühl von Bewegung, wo der Handelnde nicht der Mensch, sondern Gott ist, der Hauch des Heiligen Geistes, der den Apostel antreibt auf der Straße der Welt, um allen die gute Nachricht zu bringen: die Versprechen der Propheten sind in Jesus erfüllt, der Christus, der Sohn Gottes, gestorben für unsere Sünden und auferstanden für unsere Gerechtmachung. Saulus ist nicht mehr, sondern Paulus, und mehr noch, es ist Christus, der in ihm lebt (Gal 2:20) und alle Menschen erreichen will. Und so ist das Fest der heiligen Schutzpatrone Roms, die dieser Kirche eine eindoppelte Spannung bescheren, die Spannung von Einheit und Universalität, der Kontext, in dem wir uns heute Abend wieder finden. Und der uns ruft, zweites zu bevorzugen, wir lassen uns sozusagen von dem heiligen Paulus und von seiner außergewöhnlichen Berufung mitnehmen.
Der Diener Gottes Giovanni Battista Montini hat den Namen des Völkerapostel als den seinen gewählt, als er während des Zweiten Vatikanischen Konzils zum Nachfolger Petri gewählt wurde. Im Kern seines Vorhabens zur Umsetzung des Konzils berief Paul VI. 1974 eine Bischofssynode zum Thema der Evangelisierung in der heutigen Zeit. Und ungefähr ein Jahr danach veröffentlichte er das apostolische Schreiben ‚Evangelii Nuntiandi’, das mit folgenden Worten beginnt: „Die Verkündigung des Evangeliums an die Menschen unserer Zeit, die von Hoffnung erfüllt, aber gleichzeitig oft von Furcht und Angst niedergedrückt sind, ist ohne Zweifel ein Dienst, der nicht nur der Gemeinschaft der Christen, sondern der ganzen Menschheit erwiesen wird (Nr 1).“ Die Aktualität dieser Formulierung ist auffällig. In ihr ist die ganze missionarische Sensibilität Pauls VI. enthalten und durch seine Stimme die ganze Sehnsucht des Konzils für die Evangelisierung der modernen Welt, eine Sehnsucht, die Ausdruck findet im Dekret ‚Ad Gentes’, die aber auch alle anderen Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils durchdringt und noch davor die Gedanken der Konzilsväter bewegte, die sich versammelt hatten, um in einer vorher nie so fassbaren Weise die weltweite Ausbreitung der Kirche auf den Punkt zu bringen.
Worte reichen nicht aus, um auszudrücken, wie der verehrungswürdige Johannes Paul II. in seinem langen Pontifikat dieses missionarische Projekt vorangebracht hat, das – woran wir uns immer erinnern – Antwort gibt auf die Natur der Kirche selbst, die, mit Paulus, immer wiederholt: „Wenn ich nämlich das Evangelium verkünde, kann ich mich deswegen nicht rühmen; denn ein Zwang liegt auf mir. Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!” (1 Kor 9:16). Papst Johannes Paul II. hat in seinem Leben die missionarische Natur der Kirche verkörpert, mit den apostolischen Reisen und mit der Bedeutung, die er in seiner Lehre der Wichtigkeit einer Neu-Evangelisierung gegeben hat: „Neu“ nicht dem Inhalt nach, sondern dem inneren Antrieb, offen für die Gnade des Heiligen Geistes, der die Kraft des neuen Rechtes des Evangeliums ist, das die Kirche immer erneuert; „neu“ in der Suche nach neuen Wegen, die der Kraft des Heiligen Geistes entsprechen und angemessen sind für die Zeit und die Situation; „neu“, weil sie auch in Ländern nötig ist, die die Verkündigung des Evangeliums bereits erhalten haben. Es ist sehr klar, dass mein Vorgänger der Sendung der Kirche einen außergewöhnlichen Impuls gegeben hat, nicht nur – wie ich wiederhole – durch die von ihm zurückgelegten Entfernungen, sondern durch den echten Geist der Sendung, der ihn antrieb und den er uns zum Beginn des neuen Millenniums hinterlassen hat.
Mir dieses Erbe noch einmal vor Augen führend, konnte ich zu Beginn meines Petrusdienstes bestätigen, dass die Kirche jung ist, offen für die Zukunft. Und ich wiederhole das heute, am Grab des heiligen Paulus: Die Kirche ist in der Welt eine gewaltige Kraft der Erneuerung, nicht durch eigene Kraft, sondern durch die Kraft des Evangeliums, in dem der Heilige Geist Gottes, des Schöpfers und Erlösers der Welt, atmet. Die Herausforderungen unserer Zeit sind sicherlich jenseits der menschlichen Leistungsfähigkeit: Es sind die geschichtlichen und sozialen Herausforderungen, und mehr noch, die geistlichen. Es scheint uns Hirten der Kirche manchmal, dass wir die Erfahrung der Apostel neu durchleben, als die vielen bedürftigen Menschen Jesus folgten und er fragte: Was können wir für all diese Menschen tun? Sie haben ihre eigene Machtlosigkeit erfahren. Aber Jesus selbst hat ihnen gezeigt, dass mit dem Glauben an Gott nichts unmöglich ist, und dass wenige Brote und Fische, gesegnet und geteilt, alle sättigen können. Aber es war und ist nicht nur der Hunger nach dem materiellen Brot: Es ist ein tieferer Hunger, den nur Gott sättigen kann. Auch der Mensch des dritten Jahrtausends will ein authentisches und erfülltes Leben, braucht die Wahrheit, die wirkliche Freiheit, die selbstlose Liebe. Auch in den Wüsten der säkularisierten Welt hat die Seele des Menschen Durst nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Deswegen schrieb Johannes Paul II.: „Die Sendung Christi, des Erlösers, die der Kirche anvertraut ist, ist noch weit davon entfernt, vollendet zu sein.“ Und er fügte hinzu: „Ein Blick auf die Menschheit insgesamt am Ende des zweiten Jahrtausends zeigt uns, dass diese Sendung noch in den Anfängen steckt und dass wir uns mit allen Kräften für den Dienst an dieser Sendung einsetzen müssen.“ (Enzyklika Redemptoris Missio, 1). Es gibt Gegenden der Welt, die auf eine erste Evangelisierung warten. Andere haben sie schon erhalten, brauchen aber die Mühe der Vertiefung; in anderen wiederum hat das Evangelium tiefe Wurzeln geschlagen und so Orte einer echten christlichen Tradition geschaffen, aber in den letzten Jahrhunderten – durch komplexe Bewegungen – hat der Prozess der Säkularisierung eine schwere Krise des christlichen Glaubens und der Erscheinung der Kirche hervorgerufen.
Aus dieser Perspektive heraus habe ich entschieden, einen neuen Organismus in der Form eines päpstlichen Rates ins Leben zu rufen, der die Aufgabe hat, eine erneuerte Evangelisation in den Ländern zu fördern, in denen die erste Verkündigung des Evangeliums schon erklungen ist und die Kirchen alter Gründung sind, aber unter einer fortgeschrittenen Säkularisierung der Gesellschaft und einer Art von Verdunkelung des Sinnes für Gott leiden. Diese stellen die Herausforderung, angemessene Mittel zu finden, die ewige Wahrheit des Evangeliums Jesu Christi neu zu verkünden.
Liebe Schwestern und Brüder, die Herausforderung der neuen Evangelisation betrifft die ganze universelle Kirche und ich bitte euch auch, mit großem Engagement die volle Einheit zwischen den Christen zu suchen. Ein sprechendes Zeichen der Hoffnung ist in diesem Sinn der Brauch der gegenseitigen Besuche zwischen den Kirchen Roms und derer Konstantinopels anlässlich der jeweiligen Patronatsfeste. Deswegen empfangen wir heute mit erneuerter Freude und Dankbarkeit die Delegation Patriarch Batholomaios I., die wir herzlich grüßen. Die Fürsprache des heiligen Petrus und Paulus erlange der gesamten Kirche brennenden Glauben und apostolischen Mut, um der Welt die Wahrheit zu verkünden, die wir alle brauchen, die Wahrheit, die Gott ist, Anfang und Ende des Universums und der Geschichte, der barmherzige und treue Vater, Hoffnung des ewigen Lebens. Amen

(rv 29.06.2010 ord)







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