2010-06-26 14:33:52

UNO: „Religionsfreiheit muss unbequemes Recht bleiben“


RealAudioMP3 Ein Deutscher soll künftig dafür sogen, dass Religion und Weltanschauung innerhalb der Vereinten Nationen frei ausgeübt werden können. Der neue UNO-Sonderberichterstatter für Glaubens- und Gewissensfreiheit heißt Heiner Bielefeldt und ist auch noch katholischer Theologe. Vor genau einer Woche hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen mit Sitz in Genf den Professor für Menschenrechtspolitik aus Erlangen ernannt. Von 2003 bis 2009 war Bielefeldt Rektor des Deutschen Instituts für Menschenrechte in Berlin, nun soll er also vor allem die Religionsfreiheit rund um den Globus stärken – und auch in Europa gibt es da Ansatzpunkte, erklärt Bielefeldt im Gespräch mit Radio Vatikan:


„Wenn es Probleme in Europa gibt, dann haben die vor allem etwas zu tun mit der Gleichberechtigung von religiösen Gruppen oder der verschiedenen religiösen Orientierungen. Und da kann man in der Tat Tendenzen beschreiben, auch in Deutschland, die Gleichberechtigung von Muslimen etwas an den Rand zu drücken. Indem man etwa sagt: Wir sind kein christlicher Staat, sondern wir sind eine christlich geprägte Kultur. Da rutscht also der Kulturbegriff ab und zu dazwischen und wird in manchen Interpretationen der Religionsfreiheit so gelesen, dass es danach klingt, als ob die hier traditionell etablierten religiösen Gruppen einen höherrangigen Anspruch hätten als Minderheiten, die erst in jüngerer Zeit etwas stärker geworden sind.“
  
Aber trotz seiner Sorge um den Missbrauch des Kulturbegriffs relativiert Bielefeldt:


„In diesem Sinne Religionsfreiheit unter Kulturvorbehalt zu stellen, unter Leitkulturvorbehalt, das ist problematisch. Aber, damit die Proportionen nicht verschwimmen, sei das einmal gesagt: Insgesamt sieht es in Europa hinsichtlich der Verwirklichung der Religionsfreiheit schon günstiger aus, als in manchen anderen Regionen der Welt.“
  
Besondere Herausforderungen sieht Bielefeldt in Ländern wie dem Iran, wo die Religion fester Bestandteil der staatlichen Ordnungs- und Identitätspolitik sei. Bedenklich seien Bestrebungen einiger Staaten im Menschenrechtsrat, die islamische Religion als kulturelle Identität darzustellen, neben der andere Religionen und Menschenrechte zurückzustehen hätten:


„Es gibt seit Jahren im UNO-Kontext immer wieder Bestrebungen, Resolutionen zu verabschieden zum Thema Diffamierung der Religionen – also zur Bekämpfung der Religionsdiffamierung. Und dass dabei der Begriff der Religionsfreiheit nicht hinweg geschoben wird in Richtung einer Identitätspolitik, manchmal sogar einer autoritären Identitätspolitik, die dann dazu führt, dass die geistige Auseinandersetzung in den Fragen um Religion auf der Strecke bleibt, das ist überaus wichtig!“
  
Deshalb fordert der Wissenschaftler vehement:


„Innerhalb der Religionsfreiheit müssen geistige Auseinandersetzung und Sinnsuche auch für diejenigen Menschen möglich sein, die nicht unbedingt immer mit den herrschenden Orthodoxien übereinstimmen und die auch nicht politischen Bestrebungen nach Homogenität in der Bevölkerung entsprechen. Das muss möglich sein! Und da gibt es auch gerade bei der Organisation der islamischen Konferenz gelegentlich problematische Stimmen, immer wieder auch Versuche, das Religionsthema ganz anders zu besetzen, von der Religionsfreiheit weg in erster Linie hin zur Religionsdiffamierung. Und wenn der Diffamierungsbegriff nicht präzise definiert wird, dann kann das sehr schnell hinaus laufen auf neue Formen auch staatlicher Zensur. Und das darf nicht sein! Da darf das Thema Religion ganz allgemein nicht dafür herhalten!“
  
In seiner Arbeit will der Menschenrechtsexperte den Kurs seiner Amtsvorgängerin, der pakistanischen Rechtsanwältin Asma Jahangir, fortsetzen. Beispielsweise in der Debatte um die Mohammed-Karikaturen habe sie sich eindeutig für ein liberales Verständnis der Religionsfreiheit ausgesprochen.


„Es gab damals Versuche, die Debatte zum Anlass zu nehmen, um tatsächlich die Religionsfreiheit neu zu interpretieren. Und da muss man dagegen halten! Religionsfreiheit ist und bleibt ein Freiheitsrecht von Menschen, und ist, wie jedes Freiheitsrecht, ein unbequemes Recht. Weil es bedeutet, dass Menschen sich für Religion aussprechen, aber auch kritisch zu Religion äußern können. Und das gilt es auch gegen manche Vorstellungen anzugehen, wonach ein Religionenfrieden wichtiger wäre, als die Religionsfreiheit. Die Verständigung zwischen den Religionen ist ganz wichtig, ebenso die Überwindung von Stereotypen – gerade auch im Gespräch zwischen Christentum und Islam, zwischen westlicher und islamischer Welt. Aber die Religionsfreiheit darf dabei nicht in falscher Weise aufgeweicht werden. Sie bleibt das Freiheitsrecht von Menschen, sich in religiösen und weltanschaulichen Fragen so zu orientieren, dass es manchmal auch den großen Religionsgemeinschaften in die Quere kommt.“
  
Die derzeit etwa 40 Sonderberichterstatter sind unabhängige Experten, die ehrenamtlich zu bestimmten Menschenrechtsthemen oder Ländern arbeiten. Ihre Ergebnisse dokumentieren sie in öffentlich zugänglichen Jahresberichten. Viele von ihnen nehmen während ihres Mandats auch individuelle Beschwerden an.


(rv 26.06.2010 vp)







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