UNO: „Religionsfreiheit muss unbequemes Recht bleiben“
Ein Deutscher soll
künftig dafür sogen, dass Religion und Weltanschauung innerhalb der Vereinten Nationen
frei ausgeübt werden können. Der neue UNO-Sonderberichterstatter für Glaubens- und
Gewissensfreiheit heißt Heiner Bielefeldt und ist auch noch katholischer Theologe.
Vor genau einer Woche hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen mit Sitz in
Genf den Professor für Menschenrechtspolitik aus Erlangen ernannt. Von 2003 bis 2009
war Bielefeldt Rektor des Deutschen Instituts für Menschenrechte in Berlin, nun soll
er also vor allem die Religionsfreiheit rund um den Globus stärken – und auch in Europa
gibt es da Ansatzpunkte, erklärt Bielefeldt im Gespräch mit Radio Vatikan:
„Wenn
es Probleme in Europa gibt, dann haben die vor allem etwas zu tun mit der Gleichberechtigung
von religiösen Gruppen oder der verschiedenen religiösen Orientierungen. Und da kann
man in der Tat Tendenzen beschreiben, auch in Deutschland, die Gleichberechtigung
von Muslimen etwas an den Rand zu drücken. Indem man etwa sagt: Wir sind kein christlicher
Staat, sondern wir sind eine christlich geprägte Kultur. Da rutscht also der Kulturbegriff
ab und zu dazwischen und wird in manchen Interpretationen der Religionsfreiheit so
gelesen, dass es danach klingt, als ob die hier traditionell etablierten religiösen
Gruppen einen höherrangigen Anspruch hätten als Minderheiten, die erst in jüngerer
Zeit etwas stärker geworden sind.“ Aber trotz seiner Sorge um
den Missbrauch des Kulturbegriffs relativiert Bielefeldt:
„In diesem
Sinne Religionsfreiheit unter Kulturvorbehalt zu stellen, unter Leitkulturvorbehalt,
das ist problematisch. Aber, damit die Proportionen nicht verschwimmen, sei das einmal
gesagt: Insgesamt sieht es in Europa hinsichtlich der Verwirklichung der Religionsfreiheit
schon günstiger aus, als in manchen anderen Regionen der Welt.“ Besondere
Herausforderungen sieht Bielefeldt in Ländern wie dem Iran, wo die Religion fester
Bestandteil der staatlichen Ordnungs- und Identitätspolitik sei. Bedenklich seien
Bestrebungen einiger Staaten im Menschenrechtsrat, die islamische Religion als kulturelle
Identität darzustellen, neben der andere Religionen und Menschenrechte zurückzustehen
hätten:
„Es gibt seit Jahren im UNO-Kontext immer wieder Bestrebungen,
Resolutionen zu verabschieden zum Thema Diffamierung der Religionen – also zur Bekämpfung
der Religionsdiffamierung. Und dass dabei der Begriff der Religionsfreiheit nicht
hinweg geschoben wird in Richtung einer Identitätspolitik, manchmal sogar einer autoritären
Identitätspolitik, die dann dazu führt, dass die geistige Auseinandersetzung in den
Fragen um Religion auf der Strecke bleibt, das ist überaus wichtig!“ Deshalb
fordert der Wissenschaftler vehement:
„Innerhalb der Religionsfreiheit
müssen geistige Auseinandersetzung und Sinnsuche auch für diejenigen Menschen möglich
sein, die nicht unbedingt immer mit den herrschenden Orthodoxien übereinstimmen und
die auch nicht politischen Bestrebungen nach Homogenität in der Bevölkerung entsprechen.
Das muss möglich sein! Und da gibt es auch gerade bei der Organisation der islamischen
Konferenz gelegentlich problematische Stimmen, immer wieder auch Versuche, das Religionsthema
ganz anders zu besetzen, von der Religionsfreiheit weg in erster Linie hin zur Religionsdiffamierung.
Und wenn der Diffamierungsbegriff nicht präzise definiert wird, dann kann das sehr
schnell hinaus laufen auf neue Formen auch staatlicher Zensur. Und das darf nicht
sein! Da darf das Thema Religion ganz allgemein nicht dafür herhalten!“ In
seiner Arbeit will der Menschenrechtsexperte den Kurs seiner Amtsvorgängerin, der
pakistanischen Rechtsanwältin Asma Jahangir, fortsetzen. Beispielsweise in der Debatte
um die Mohammed-Karikaturen habe sie sich eindeutig für ein liberales Verständnis
der Religionsfreiheit ausgesprochen.
„Es gab damals Versuche, die Debatte
zum Anlass zu nehmen, um tatsächlich die Religionsfreiheit neu zu interpretieren.
Und da muss man dagegen halten! Religionsfreiheit ist und bleibt ein Freiheitsrecht
von Menschen, und ist, wie jedes Freiheitsrecht, ein unbequemes Recht. Weil es bedeutet,
dass Menschen sich für Religion aussprechen, aber auch kritisch zu Religion äußern
können. Und das gilt es auch gegen manche Vorstellungen anzugehen, wonach ein Religionenfrieden
wichtiger wäre, als die Religionsfreiheit. Die Verständigung zwischen den Religionen
ist ganz wichtig, ebenso die Überwindung von Stereotypen – gerade auch im Gespräch
zwischen Christentum und Islam, zwischen westlicher und islamischer Welt. Aber die
Religionsfreiheit darf dabei nicht in falscher Weise aufgeweicht werden. Sie bleibt
das Freiheitsrecht von Menschen, sich in religiösen und weltanschaulichen Fragen so
zu orientieren, dass es manchmal auch den großen Religionsgemeinschaften in die Quere
kommt.“ Die derzeit etwa 40 Sonderberichterstatter sind unabhängige
Experten, die ehrenamtlich zu bestimmten Menschenrechtsthemen oder Ländern arbeiten.
Ihre Ergebnisse dokumentieren sie in öffentlich zugänglichen Jahresberichten. Viele
von ihnen nehmen während ihres Mandats auch individuelle Beschwerden an.