Migrationshintergrund als Bildungsbarriere? Nur bedingt...
Im Bereich der Migration
muss man sehr genau hinschauen – dafür spricht sich der Bundesvorsitzende der Katholischen
Erziehergemeinschaft, Bernd Uwe Althaus, in Hinblick auf die am Mittwoch in Berlin
vorgestellte Vergleichsstudie des Berliner Instituts zur Qualitätsentwicklung in der
Bildung aus. Die neue Studie belegt altes Wissen: Der Bildungserfolg in Deutschland
hängt immer noch sehr stark von der sozialen Herkunft ab, wobei Jugendliche mit Migrationshintergrund
am schlechtesten abschneiden. Der Begriff „Migration“ dürfe allerdings trotzdem nicht
zum generalisierenden Schlagwort werden, mahnt Althaus im Gespräch mit dem Kölner
domradio:
„Das ist ein Begriff, der ein sehr breites Spektrum umfasst.
Wir haben Migrationsfamilien, wo inzwischen schon die zweite Elterngeneration in Deutschland
geboren ist oder in Deutschland lebt. Wir haben aber im Vergleich dazu auch Migrationshintergründe,
die nach der politischen Wende 1990 entstanden sind, wo Familien sehr stark in der
ersten Generation aus einer nicht-demokratischen Vorzeit gekommen sind, insbesondere
aus Polen, den ehemaligen Sowjetstaaten und dergleichen mehr. Demzufolge ist die Antwort
nicht ganz so einfach, hier muss man differenzieren.“ Bei Familien
aus Osteuropa beispielsweise merke man oft sehr stark, dass sie mit einer großen Motivation,
der des gesellschaftlichen Aufstiegs, nach Deutschland gekommen sind, erklärt Althaus:
„Das
ist in den Familien selbst kommuniziert und zu so etwas wie einer „corporate identity“
geworden: „Wir wollen hier nach vorn kommen!“, lautet da die Devise. Auch in den Schulen
merkt man diese Motivation in Familien aus den östlichen Ländern, auch den Leistungsdruck
der Eltern, erfolgreich zu sein. Dort ist auch ein großer Erwartungsdruck an die Schule,
der von Eltern formuliert wird, ihren Kindern die Erziehungsaufgaben und die Bildung
zu teil werden zu lassen, die sie brauchen, um dann erfolgreich zu sein.“ In
vielen etwa aus der Türkei stammenden Familien sei das lange Zeit anders gewesen,
wie Althaus bedauert.
„Das hat mit der Vorgeschichte zu tun, dass in
diesen Fällen Familien in der Regel nicht nach Deutschland kamen, um hier zu leben
und die folgenden Generationen erfolgreich in Deutschland aufwachsen zu sehen. Sondern
die nach Deutschland kamen, um einen gewissen Wohlstand zu erreichen, mit dem sie
an ihr Leben in ihrem eigentlichen Heimatland, der Türkei, gedacht haben. Und das
ist natürlich eine Sache, die sich schrittweise auf die Kinder ausgewirkt hat.“
Dabei
sei der Zusammenhang von Wohlstand und Bildung in der Vergangenheit oftmals außer
Acht gelassen worden. Nun sei das aber anders:
„Inzwischen ist der Wert
von Bildung, denke ich, deutlicher geworden. In den vielen Jahren, wo es darum ging,
eine schnelle Beschäftigung zu kriegen und, wie man so sagt, eine „schnelle Mark“
zu machen, stand nicht eine solide Ausbildung und die Bildung als Voraussetzung für
einen soliden Lebensweg im Mittelpunkt. Hinzu kommen die biographischen Brüche. Industriezweige
brechen zusammen, man muss sich umorientieren und umbilden lassen. Das alles sind
Dinge, die in der vorherigen Migrantengeneration keine Rolle gespielt haben.“
Diese
Realität müsse sich auch in der Bundespolitik niederschlagen, findet Althaus. Zumal
die Studie belege, dass Akademikerkinder gegenüber Schülern aus Facharbeiterfamilien
4,5 Mal höhere Chancen haben, ein Gymnasium zu besuchen. Althaus sieht die Regierung
in der Pflicht, fairere Bildungschancen für die Zukunft zu schaffen, eindeutiger als
mit den bisherigen Bildungsstandards.
„Die neuen Bildungsstandards können
nur ein Schritt sein. Und das merken wir auch an den Studien, Vergleichbarkeit zwischen
den Bildungsländern zu realisieren. Und dann kommt es auch ganz stark darauf an, was
die Bundesländer aus den Bildungsstandards machen: Setzen sie sie in Lehrpläne um?
Setzen sie sie in Lehrerbildung, das heißt Ausbildung und Fortbildung um? Wie wird
also das, was mit den Standards geprägt ist, umgesetzt? Und hier muss ich sagen, oft
sind die Bildungsstandards nicht in den Schulen und in den Lehrerzimmern angekommen,
Hier ist noch eine große Anstrengung und intensive Betreuung dieser Aufgaben notwendig.“
Laut
der Vergleichsstudie liegen Bayern und Baden-Württemberg in allen geprüften Fähigkeiten,
den Fächern Deutsch, Englisch und Französisch, vorne. Gute Ergebnisse erzielen Sachsen,
Thüringen und Rheinland-Pfalz sowie teilweise Hessen und das Saarland. Am schlechtesten
schneiden Bremer Schüler ab. Aber auch Berliner und Brandenburger Schüler liegen weit
hinten. Zudem stellt die Studie heraus, dass Mädchen besser lernen als Jungen. Insgesamt
nahmen an ihr 36.000 Schüler der 9. Klasse in 1.466 Schulen teil.