2010-06-26 16:45:31

Migrationshintergrund als Bildungsbarriere? Nur bedingt...


RealAudioMP3 Im Bereich der Migration muss man sehr genau hinschauen – dafür spricht sich der Bundesvorsitzende der Katholischen Erziehergemeinschaft, Bernd Uwe Althaus, in Hinblick auf die am Mittwoch in Berlin vorgestellte Vergleichsstudie des Berliner Instituts zur Qualitätsentwicklung in der Bildung aus. Die neue Studie belegt altes Wissen: Der Bildungserfolg in Deutschland hängt immer noch sehr stark von der sozialen Herkunft ab, wobei Jugendliche mit Migrationshintergrund am schlechtesten abschneiden. Der Begriff „Migration“ dürfe allerdings trotzdem nicht zum generalisierenden Schlagwort werden, mahnt Althaus im Gespräch mit dem Kölner domradio:


„Das ist ein Begriff, der ein sehr breites Spektrum umfasst. Wir haben Migrationsfamilien, wo inzwischen schon die zweite Elterngeneration in Deutschland geboren ist oder in Deutschland lebt. Wir haben aber im Vergleich dazu auch Migrationshintergründe, die nach der politischen Wende 1990 entstanden sind, wo Familien sehr stark in der ersten Generation aus einer nicht-demokratischen Vorzeit gekommen sind, insbesondere aus Polen, den ehemaligen Sowjetstaaten und dergleichen mehr. Demzufolge ist die Antwort nicht ganz so einfach, hier muss man differenzieren.“
  
Bei Familien aus Osteuropa beispielsweise merke man oft sehr stark, dass sie mit einer großen Motivation, der des gesellschaftlichen Aufstiegs, nach Deutschland gekommen sind, erklärt Althaus:


„Das ist in den Familien selbst kommuniziert und zu so etwas wie einer „corporate identity“ geworden: „Wir wollen hier nach vorn kommen!“, lautet da die Devise. Auch in den Schulen merkt man diese Motivation in Familien aus den östlichen Ländern, auch den Leistungsdruck der Eltern, erfolgreich zu sein. Dort ist auch ein großer Erwartungsdruck an die Schule, der von Eltern formuliert wird, ihren Kindern die Erziehungsaufgaben und die Bildung zu teil werden zu lassen, die sie brauchen, um dann erfolgreich zu sein.“
  
In vielen etwa aus der Türkei stammenden Familien sei das lange Zeit anders gewesen, wie Althaus bedauert.


„Das hat mit der Vorgeschichte zu tun, dass in diesen Fällen Familien in der Regel nicht nach Deutschland kamen, um hier zu leben und die folgenden Generationen erfolgreich in Deutschland aufwachsen zu sehen. Sondern die nach Deutschland kamen, um einen gewissen Wohlstand zu erreichen, mit dem sie an ihr Leben in ihrem eigentlichen Heimatland, der Türkei, gedacht haben. Und das ist natürlich eine Sache, die sich schrittweise auf die Kinder ausgewirkt hat.“

Dabei sei der Zusammenhang von Wohlstand und Bildung in der Vergangenheit oftmals außer Acht gelassen worden. Nun sei das aber anders:


„Inzwischen ist der Wert von Bildung, denke ich, deutlicher geworden. In den vielen Jahren, wo es darum ging, eine schnelle Beschäftigung zu kriegen und, wie man so sagt, eine „schnelle Mark“ zu machen, stand nicht eine solide Ausbildung und die Bildung als Voraussetzung für einen soliden Lebensweg im Mittelpunkt. Hinzu kommen die biographischen Brüche. Industriezweige brechen zusammen, man muss sich umorientieren und umbilden lassen. Das alles sind Dinge, die in der vorherigen Migrantengeneration keine Rolle gespielt haben.“

Diese Realität müsse sich auch in der Bundespolitik niederschlagen, findet Althaus. Zumal die Studie belege, dass Akademikerkinder gegenüber Schülern aus Facharbeiterfamilien 4,5 Mal höhere Chancen haben, ein Gymnasium zu besuchen. Althaus sieht die Regierung in der Pflicht, fairere Bildungschancen für die Zukunft zu schaffen, eindeutiger als mit den bisherigen Bildungsstandards.


„Die neuen Bildungsstandards können nur ein Schritt sein. Und das merken wir auch an den Studien, Vergleichbarkeit zwischen den Bildungsländern zu realisieren. Und dann kommt es auch ganz stark darauf an, was die Bundesländer aus den Bildungsstandards machen: Setzen sie sie in Lehrpläne um? Setzen sie sie in Lehrerbildung, das heißt Ausbildung und Fortbildung um? Wie wird also das, was mit den Standards geprägt ist, umgesetzt? Und hier muss ich sagen, oft sind die Bildungsstandards nicht in den Schulen und in den Lehrerzimmern angekommen, Hier ist noch eine große Anstrengung und intensive Betreuung dieser Aufgaben notwendig.“

Laut der Vergleichsstudie liegen Bayern und Baden-Württemberg in allen geprüften Fähigkeiten, den Fächern Deutsch, Englisch und Französisch, vorne. Gute Ergebnisse erzielen Sachsen, Thüringen und Rheinland-Pfalz sowie teilweise Hessen und das Saarland. Am schlechtesten schneiden Bremer Schüler ab. Aber auch Berliner und Brandenburger Schüler liegen weit hinten. Zudem stellt die Studie heraus, dass Mädchen besser lernen als Jungen. Insgesamt nahmen an ihr 36.000 Schüler der 9. Klasse in 1.466 Schulen teil.


(domradio 25.06.2010 vp)







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