2010-06-23 12:46:04

Der Monatskommentar: Freiheit gestalten


Mehrere Jahre lang hat Hans-Henning Horstmann, scheidender Botschafter der Bundesrepublik Deutschland beim Heiligen Stuhl, jeden Monat für uns eine Kolumne geschrieben. Wir danken dem Diplomaten, der jetzt in den Ruhestand geht, für die außergewöhnliche Zusammenarbeit. Hier lesen Sie den Text der neuesten und leider letzten Kolumne von Botschafter Horstmann.

Sehr verehrte Hörerinnen, sehr verehrte Hörer,

am 30. Juni enden für mich vierzig Jahre im Öffentlichen Dienst, zunächst als Soldat und seit 1972 als Diplomat. Die vier römischen Jahre als deutscher Botschafter beim Heiligen Stuhl waren reiche Jahre: die Erfahrung von 2000 Jahren römischer, italienischer und christlicher Geschichte, vor allem aber der tägliche Meinungsaustausch mit Menschen aus allen Bereichen von Gesellschaft, Staat und Kirchen sind eine einzigartige Bereicherung.

Am 1. Juli 2010 beginnt für mich auch ein Leben in der Freiheit. Freiheit bedeutet gerade für uns Christen Verantwortung für das Gemeinwohl. Dazu ermutigt mich Papst Benedikt XVI. Er sagt in seiner Sozialenzyklika Caritas in veritate: "Das Gemeinwohl ist der institutionelle und auch politische Weg der Nächstenliebe."

Meine Frau und ich werden in Berlin leben. Berlin war und ist eine stete Herausforderung: Es ist die Stadt der Brandenburger, der Preußen, des Deutschen Kaiserreiches, der Weimarer Republik, 12 Jahre lang Zentrum nationalsozialistischer Diktatur, 40 Jahre geteilte Stadt und nun Hauptstadt des friedlich und in Freiheit vereinten Deutschland. Gerade im 20. und 21. Jahrhundert ist diese Stadt voller Gegensätze und - im Vergleich zu anderen deutschen Städten - keine abgeschlossene Kommune sondern eine Agglomeration von unterschiedlichsten Bezirken. Es ist eine Stadt im Prozess und aus meiner Sicht eine Stadt voller Spannungen, mit vielen Stimmungen. Es gibt Zusammenwachsen, aber auch Entfremdung.

Gleich jeder Metropole ist ein Kennzeichen von Berlin die Anonymität. Ich werde versuchen, mit meinen internationalen und deutschen Erfahrungen, vor allem aber mit einem vielfältigen Freundeskreis im Kleinen dieser Anonymität entgegenzuwirken. Die schönste Aufgabe im Auswärtigen Dienst ist die des Brückenbauers. Brücken will ich auch in Berlin mit den Bürgerinnen und Bürgern guten Willens bauen.

Religion und Kirche haben auch in Berlin keinen einfachen Stand. Als Johanniter und mit der reichen römischen Erfahrung will ich versuchen, mich an der Stärkung des Christlichen in der Stadt und dem Zusammenleben der Religionen in der deutschen Tradition von Ökumene und Toleranz zu beteiligen.

Bei meinen Besuchen in Berlin habe ich von der Hilfsbedürftigkeit vieler Menschen erfahren. Es gibt gerade in Berlin großartige private Initiativen für karitatives Wirken. Auch da werde ich helfen.

Berlin ist aber vor allem eine Stadt von einzigartiger kultureller und wissenschaftlicher Vitalität. Die Berlinerinnen und Berliner haben in schwierigsten Situationen gerade nach dem Krieg und in den schweren Zeiten der Teilung Lebenskraft und Mut bewiesen. Diese Berliner Qualitäten durften meine Frau und ich bereits drei Jahre lang erfahren und wir kehren so nach einem langen Wanderleben zurück in eine Stadt, in der wir uns zu Hause fühlen.

Ich verabschiede mich mit Dankbarkeit von Rom und in Vorfreude auf Berlin.
(rv 23.6.2010 ord)









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