Mehrere Jahre lang hat Hans-Henning Horstmann, scheidender Botschafter der Bundesrepublik
Deutschland beim Heiligen Stuhl, jeden Monat für uns eine Kolumne geschrieben. Wir
danken dem Diplomaten, der jetzt in den Ruhestand geht, für die außergewöhnliche Zusammenarbeit.
Hier lesen Sie den Text der neuesten und leider letzten Kolumne von Botschafter Horstmann.
Sehr
verehrte Hörerinnen, sehr verehrte Hörer,
am 30. Juni enden für mich vierzig
Jahre im Öffentlichen Dienst, zunächst als Soldat und seit 1972 als Diplomat. Die
vier römischen Jahre als deutscher Botschafter beim Heiligen Stuhl waren reiche Jahre:
die Erfahrung von 2000 Jahren römischer, italienischer und christlicher Geschichte,
vor allem aber der tägliche Meinungsaustausch mit Menschen aus allen Bereichen von
Gesellschaft, Staat und Kirchen sind eine einzigartige Bereicherung.
Am 1.
Juli 2010 beginnt für mich auch ein Leben in der Freiheit. Freiheit bedeutet gerade
für uns Christen Verantwortung für das Gemeinwohl. Dazu ermutigt mich Papst Benedikt
XVI. Er sagt in seiner Sozialenzyklika Caritas in veritate: "Das Gemeinwohl ist der
institutionelle und auch politische Weg der Nächstenliebe."
Meine Frau und
ich werden in Berlin leben. Berlin war und ist eine stete Herausforderung: Es ist
die Stadt der Brandenburger, der Preußen, des Deutschen Kaiserreiches, der Weimarer
Republik, 12 Jahre lang Zentrum nationalsozialistischer Diktatur, 40 Jahre geteilte
Stadt und nun Hauptstadt des friedlich und in Freiheit vereinten Deutschland. Gerade
im 20. und 21. Jahrhundert ist diese Stadt voller Gegensätze und - im Vergleich zu
anderen deutschen Städten - keine abgeschlossene Kommune sondern eine Agglomeration
von unterschiedlichsten Bezirken. Es ist eine Stadt im Prozess und aus meiner Sicht
eine Stadt voller Spannungen, mit vielen Stimmungen. Es gibt Zusammenwachsen, aber
auch Entfremdung.
Gleich jeder Metropole ist ein Kennzeichen von Berlin die
Anonymität. Ich werde versuchen, mit meinen internationalen und deutschen Erfahrungen,
vor allem aber mit einem vielfältigen Freundeskreis im Kleinen dieser Anonymität entgegenzuwirken.
Die schönste Aufgabe im Auswärtigen Dienst ist die des Brückenbauers. Brücken will
ich auch in Berlin mit den Bürgerinnen und Bürgern guten Willens bauen.
Religion
und Kirche haben auch in Berlin keinen einfachen Stand. Als Johanniter und mit der
reichen römischen Erfahrung will ich versuchen, mich an der Stärkung des Christlichen
in der Stadt und dem Zusammenleben der Religionen in der deutschen Tradition von Ökumene
und Toleranz zu beteiligen.
Bei meinen Besuchen in Berlin habe ich von der
Hilfsbedürftigkeit vieler Menschen erfahren. Es gibt gerade in Berlin großartige private
Initiativen für karitatives Wirken. Auch da werde ich helfen.
Berlin ist aber
vor allem eine Stadt von einzigartiger kultureller und wissenschaftlicher Vitalität.
Die Berlinerinnen und Berliner haben in schwierigsten Situationen gerade nach dem
Krieg und in den schweren Zeiten der Teilung Lebenskraft und Mut bewiesen. Diese Berliner
Qualitäten durften meine Frau und ich bereits drei Jahre lang erfahren und wir kehren
so nach einem langen Wanderleben zurück in eine Stadt, in der wir uns zu Hause fühlen.
Ich verabschiede mich mit Dankbarkeit von Rom und in Vorfreude auf Berlin. (rv
23.6.2010 ord)